Warte nicht, handle

Cooler Handel: Das Rap-Duo Penetrante Sorte (u. zweiter und vierter v. li.) beim Dreh des Werbe-Clips mit Lehrlingen
Der Handel inszeniert sich jung, lockt mit höheren Gehältern und niedrigen Einstiegsbarrieren

Sie haben tief hängende Hosen, einen lässigen Gang und verkehrt aufgesetzte Mützen: „Tsching tsching macht die Kassa, der Umsatz muss passa“ rappt das Vorarlberger Duo Phil Fin und DJ King zwischen tanzenden Lehrlingen im Handels-Werbeclip der Vorarlberger Wirtschaftskammer. Der Handel inszeniert sich jung. Er will mit Werbevideos, Apps und gerade zur Weihnachtszeit mit vielen Aktionen auf sich aufmerksam machen. Einerseits wegen der Kunden. Andererseits wegen der potenziellen Mitarbeiter.

Handel im Wandel?

In Zeiten der zunehmenden Verlagerung des persönlichen Verkaufs ins Internet ist das Anlocken guter Arbeitskräfte besonders wichtig – wobei der Online-Wandel von der Branche nicht gefürchtet wird. „Es ist eine natürliche Entwicklung“, sagt Bettina Lorentschitsch, Obfrau der Bundessparte Handel. „Auf einer Homepage müssen die virtuellen Regale genauso befüllt und die Kunden genauso betreut werden, wie in einem Geschäft. Mit dem Onlinehandel entsteht ein ganz neues Berufsfeld, das besonders die Jungen anspricht.“ Ebenso hat sich die Entlohnung in der Branche gewandelt: Ab 2015 soll das Mindestgrundgehalt von Vollzeitangestellten 1500 Euro betragen, derzeit liegt es nach neuen Kollektivvertragsverhandlungen 50 Euro darunter.

Begehrte Branche

Aktuell verzeichnet das AMS österreichweit 5600 freie Handels-Stellen. Die begehrtesten Jobs: Customer Relationship Management, Elektro und Elektronikverkäufer und Lebensmittelverkäufer. „Wir entwickeln laufend neue Berufsbilder, zunehmend rücken die Softskills bei der Qualifikation der Mitarbeiter in den Vordergrund“, so Lorentschitsch. Die Anforderungen an Lehrlinge, Akademiker oder Quereinstieger: Sie müssen serviceorientiert denken, verkäuferisches Talent beweisen, Durchsetzungsvermögen haben und – heute fast selbstverständlich – eBusiness-Kenntnisse besitzen. „Bei Berufseinsteigern wird zwar auf die Schulnoten geschaut, es zählt aber das Gesamtbild. Der Handel lebt von Persönlichkeiten – schräge Lebensläufe sind gut“, so die Obfrau.

Zudem ortet sie großes Potenzial bei Menschen mit Migrationshintergrund. „Besonders im Außenhandel oder Einkauf, wo viel gereist wird, sind fremdsprachige Mitarbeiter sehr begehrt.“

Der Handel ist Österreichs zweitgrößter Arbeitgeber, rund 15 Prozent aller Lehrlinge lernen hier. 2014 startet die erste Berufsakademie für den Handel, in der, basierend auf einer abgeschlossenen Lehre und drei Jahren Praxis, der akademische Abschluss MSc erlangt werden kann. Für Jugendliche und Quereinsteiger könnte jetzt also der richtige Zeitpunkt sein, es den Vorarlberger Rappern gleich zu tun, wenn sie singen: „Ich warte nicht. Ich handel.“

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