Von der Bank ins Bistro
Die hohen Bäume wiegen sich im Wind, es rauscht laut, ab und zu fliegt ein gelbes Blatt vorbei oder bleibt am Holztisch liegen. Hier unten im Garten ist es beinahe windstill und warm. Andrea Vaz-König nippt an ihrem Kaffee und denkt an 2014 zurück. Damals eröffnete sie ihr veganes Bio-Bistro "deli bluem" in der Josefstadt, im achten Bezirk.
Nach zwei Monaten schon kam ihr erster Catering-Auftrag. "Er war für eine Feier im Palais Schönborn. Ich war so nervös." Ausgerechnet im Palais Schönborn. Für sie war dieser Ort immer schon ein besonderer: "Bevor ich am Hamerlingplatz eröffnet habe, wollte ich unbedingt das Palais als Standort haben." Das mehr als 300 Jahre alte, barocke Gebäude in dem das Österreichische Museum für Volkskunde beheimatet ist, verbirgt in seinem Innenhof einen monumentalen Garten. Er wäre prädestiniert für ein paar Tische, gutes Essen, ruhige Stunden.
Dass Andrea Vaz-König im Schönborn nicht ihr erstes, sondern gar ihr zweites Lokal eröffnen würde, hätte sie nicht zu träumen gewagt.
Karrierefrau
Bevor sie ihre Delis verwirklichte, war Vaz-König in einer "abstrakten Welt" tätig, wie sie es heute beschreibt. Nach ihrem Studium der Handelswissenschaften an der WU Wien machte sie Karriere bei der Bank. Sie beriet Start-ups und Gründer zur Finanzierung ihrer Geschäftsidee, verantwortete zuletzt das Firmenkunden-Geschäft bei der Bawag.
Zum 40. Geburtstag bekam die gesundheitsbewusste Mutter zweier Kinder eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin geschenkt, die sie neben ihrem Bank-Job absolvierte. "Das war der Tritt in den Hintern."
Als die Bank wenig später umstrukturierte, kündigte sie ihren Job. "Ich hab’ mich gefragt: Was für ein Bild möchte ich später einmal hinterlassen, an was soll man sich einmal von mir erinnern? Dass ich mein ganzes Leben in der Bank verbracht habe?" Sie nahm sich ein Jahr Zeit, um die Konzeption ihres "dritten Kindes", wie sie das "deli bluem" nennt, vorzubereiten. "Vor der Eröffnung", erinnert sie sich mit einem Lachen, "habe ich mich zu Tode gefürchtet. Die Gastronomie ist gemeinsam mit der Bauwirtschaft schließlich die Branche mit der höchsten Ausfallsrate bei Krediten – weil sie so oft scheitern."
Vaz-Königs Geschäftsidee, in die sie ihr gesamtes Erspartes steckte, scheiterte aber nicht. Sie hielt sich erfolgreich am Markt. Ihr Resümee nach anderthalb Jahren Selbstständigkeit? "Es ist hart verdientes Geld. Man bekommt aber so viel anderes, wie Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit, zurück."
Lebemensch
Etwa ein Jahr nach der Eröffnung des mittlerweile in Wien populär gewordenen Bistros kam plötzlich Volksmuseums-Direktor Matthias Beitl auf Vaz-König zu: Die Räumlichkeiten im Palais wären für ein Café zu haben. "Ich habe eigentlich gar nicht mit der Idee gespielt, zu expandieren. Aber zu so einem Angebot sagt man nicht nein", lächelt sie.
Bei der zweiten Eröffnung sei sie viel gelassener gewesen. "Irrationale Ängste hatte ich keine mehr. Ich habe ja auch ein tolles Team, das mich unterstützt." Doppelte Arbeit sei es jetzt trotzdem, weshalb beim zweiten Anlauf wieder besonders akribisch geplant wurde. Um zu wissen, welche Arbeiten überhaupt anfallen könnten, arbeitete sich Vaz-König erstmal ein Monat lang selbst in alles ein. Erst danach delegierte sie die verschiedenen Aufgaben an ihre aktuell zwölf Mitarbeiter.
Im Museums-Café haben nun 25 Gäste Platz, es gibt Frühstück, Mittagessen und Snacks – alles bio, saisonal und pflanzlich. Vaz-König arbeitet – ganz Unternehmerin – wieder an neuen Ideen, wie dem Ausbau des Caterings und der Hauszustellung. Sie lächelt verschmitzt: "Ich würde es jetzt nicht darauf anlegen, noch einen dritten Standort aufzumachen. Aber wenn die Rahmenbedingungen gut sind, mach ich es."
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