Vom Konzern zum Start-up mit Millionen-Deal

Tractive-Gründer Michael Hurnaus
Michael Hurnaus war Projektleiter für Jeff Bezos "Kindle Fire". Er stieg aus und gründete Tractive. Einem Milliardär und Hundefreund gefällt das Produkt so gut, dass er Millionen investierte.

Die Schule hat Michael Hurnaus abgebrochen. Er war lernfaul und wollte lieber in der Lehre schnell Geld verdienen. Eine goldrichtige Entscheidung: der Vermessungstechniker hat sich damit die technischen Kenntnisse angeeignet, die ihm später, bei Microsoft und Amazon in den USA und bei seinem Start-up Tractive halfen. Schule, Matura und Studium hat er später nachgeholt – und richtig Karriere gemacht.

KURIER: Sie haben bei Microsoft in Redmont (Staat Washington) gearbeitet. Wie ist das dort?

Michael Hurnaus: Es ist faszinierend. Die Ressourcen, die man in so einer Firma hat, sind fantastisch: innerhalb von Sekunden ist jeglicher Support von bester Stelle vorhanden. Alles ist aber auch sehr performanceorientiert. Es geht nur darum, zu leisten. Der Arbeitsschnitt liegt eher bei 70 als bei 50 Stunden. Am Ende des Jahres geht es um den Bonus und den Vergleich mit anderen Kollegen.

Dann hat man Sie für das Amazon-Headquarter in Seattle abgeworben.

Sehr viele Leute wechseln zwischen den großen Konzernen hin und her, da gibt es aggressive Recruiter, die ständig abwerben wollen. Amazon hat ein extremes Wachstum, ist unglaublich dynamisch. Und Jeff Bezos ist jemand, der eine sehr große Vision hat. Wenn er eine Idee hat, setzt er 5000 Entwickler drauf. Er hat das Geld und den Mut, voll zu riskieren.

Sie waren der erste technische Projektleiter von Kindle Fire.

Ja. Bezos’ Idee war: Wir machen auch ein Tablet. Also taten wir. Er hat gesagt, es muss in einem Jahr auf dem Markt sein. Völlig irre. Wir haben es aber tatsächlich geschafft. Am Anfang waren wir im Projektteam zu zweit, am Jahresende haben über 2000 Leute daran gearbeitet.

Wie ist dieser Jeff Bezos?

Faszinierend smart. Er stellt immer genau die richtigen Fragen. Wenn’s sein muss, trifft er auch kleinste Detail-Entscheidungen – ob ein Button grün oder blau ist. Solange die Mitarbeiter gut vorbereitet sind und Fragen beantworten können, ist er umgänglich. Wenn nicht, schmeißt er einen aus dem Büro.

Zahlt ein Konzern wie Amazon gut?

Jein. Wenn jemand als Programmierer von der Uni kommt, 100.000 Dollar und Aktienpakete und Boni. Ich hatte als Entwickler mehr.

Wieso wechselt man in ein Start-up, wo es weder Ressourcen noch Einkommen gibt?

Ich wollte immer mein eigener Chef sein. Wenn ich etwas mache, bin ich davon überzeugt, dass es funktioniert. Ich bin von den Konzernen weggegangen, weil ich die Zeit, die ich dort investiert habe, in meine eigene Idee stecken wollte.

Vom Konzern zum Start-up: ein Kulturschock?

Definitiv. Wir waren anfangs zu dritt und mussten jeden Euro zwei Mal umdrehen. Aber wir wussten, wir schaffen das. Auch dank Förderungen von aws und ffg. 2013 ist Business Angel Hansi Hansmann eingestiegen. Unser Erfolgsfaktor: Wir haben das Produkt schnell auf den Markt gebracht.

Dann kam der Erbe von Schlumberger (einer der größten Konzerne für Erdölexploration) und investierte zwei Millionen Euro in Tractive.

Das war Zufall. Wir haben nicht explizit nach einem Investor gesucht. Harold Primat hat unser Produkt für seine Hunde bestellt. Sie haben ihm getaugt. Er ist mit seinem Privatjet und Financial Advicers gekommen und hat investiert. Jetzt gehören ihm zwölf Prozent der Firma.

Was bedeutet das für euch?

Damit können wir weiter schnell wachsen, Weil der Langsame verliert. Wir wollen eines Tages verkaufen, haben von Anfang an gesagt, das wird kein Familienunternehmen für unsere Söhne.

Sagen Sie noch: Wie ist das Gründerleben?

Schön ist, dass man etwas so bewegen kann, wie man es sich vorstellt. Man sieht auf einmal sein Produkt auf der Welt – in Shops und an Hunden. Aber es ist eine Hochschaubahn. Es gibt tolle Tage und solche, an denen man alles hinschmeißen will. Da muss man dann irgendwie durch.

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