Der Hörsaal auf dem Sofa, Bett oder Küchentisch
Das Coronavirus macht heimische Universitäten zum Sperrgebiet und Studentenwohnungen zum privaten Hörsaal. Wer vorher – also vor Corona in Österreich – Vorlesungen sausen ließ, den plagte ein schlechtes Gewissen. Das Virus aber macht die Ausnahme zur Normalität.
Nun sieht das studentische Leben anders aus: Seit spätestens 16. März sitzen 380.000 Studierende notgedrungen Zuhause und verfolgen die Entwicklungen der Krise und die nun virtuellen Vorlesungen von Daheim. Homelearning ist das neue Studieren.
Wie läuft so etwas ab?
Ein Streaming-Balken lädt. Ein Fenster öffnet sich. Links ein Videobild der zwei Dozenten, rechts eine Powerpoint-Präsentation mit Seminarinhalten. Stimmen ertönen über die Lautsprecher des Laptops: „Herzlich willkommen aus dem gespenstisch leeren Hörsaal, aus dem gespenstisch leeren Universitätsgebäude“, heißen die zwei Dozierende ihre 30 Studenten in ihrer jeweiligen Isolation willkommen.
Denn aufgrund des Coronavirus gilt das Covid-19 Gesetz. Alle Hochschulen sind bis mindestens 3. April geschlossen und müssen "in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Inhalte digital transformieren. Auf dieses Szenario war niemand vorbereitet“, erklärt Martin Ebner, Präsident des Vereins Forum Neue Medien in der Lehre Austria und Leiter der Abteilung Lehr- und Lerntechnologien der TU Graz.
Die Umsetzung der unterschiedlichen Unis
Die Betroffenen erleben den Notbetrieb unterschiedlich: "Die Boku hat sehr schnell reagiert. Überall wo es ging, wurde praktisch sofort auf virtuellen Unterricht umgestellt“, erzählt Leo C., Student auf der Wiener Universität für Bodenkultur. Er hatte bereits erste Unterrichtseinheiten über das Internet.
Die Vorlesung wird live gestreamt, parallel dazu gibt es ein Chatforum, in dem Teilnehmer live Fragen stellen können. "Das hat sehr gut funktioniert“, berichtet Leo C.. Es käme allerdings auf den Kurs an. Bei Seminaren, die eigentlich Anwesenheitspflicht haben und Mitarbeit fordern, ist das schwieriger. Prüfungen sollen vorerst verschoben werden. "Aber ich habe noch nicht das Gefühl, dass die Boku überfordert ist, wir haben sehr gute Tools im Einsatz.“
Auch andere heimische Universitäten setzen nun auf Online-Lern-Tools zur Wissensvermittlung. Wie effektiv sie sind, hängt oft von der Infrastruktur der Universitäten, sowie der digitalen Affinität des Lehrpersonals ab. Und davon, wie Kurse Prä-Corona konzipiert wurden.
Xenia Miklin, Studienassistentin an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) ist von den Umständen doppelt betroffen. Sie forscht und lehrt an der WU. Die Forschung funktioniert vom Wohnzimmer. Das Seminar ist aber vorerst auf die Zeit nach Ostern verschoben. "Wie es danach weitergeht, wissen wir noch nicht. Unser Seminar ist nicht auf Homelearning ausgerichtet. Es müsste komplett neu konzipiert werden“, erklärt sie. Obwohl die WU eine gute digitale Infrastruktur biete.
Noch besser funktioniere das auf der Technischen Universität Wien, weiß sie von Verwandten. "Da merkt man wo die Techniker sitzen“, sagt Miklin. Es gebe einen eigenen Youtube-Kanal, auch Zwischenprüfungen würden über Lern-Plattformen abgehalten. Das Gros der Seminare nütze schon lange virtuelle Lehrmethoden.
Wie lange das gut geht?
Martin Ebner, Leiter der Abteilung Lehr- und Lerntechnologien der TU Graz, hält das Semester für machbar, sollte der Notbetrieb nach den Osterferien vorbei sein. "Falls nicht, müssen neue Maßnahmen überlegt werden.“ Aber einen positiven Ausgang könnte es laut Ebner haben: "Es wird etwas übrig bleiben. Die Menschen werden erkennen wo die Vorteile von Digital-Lehre liegen. Nun lernt man seine Möglichkeiten kennen.“
Kommentare