Trotz Aufschwung: ein mageres Jahr

Die Gehaltserhöhungen sind die niedrigsten seit fünf Jahren.
Der Wirtschaft in Österreich geht es besser – die Gehaltserhöhungen sind trotzdem die niedrigsten seit fünf Jahren. Auffallend wenig Geld bekommen junge Einsteiger, auffallend hohe Steigerungen gibt es im Top-Management. Warum?

Über Geld spricht man nicht – an dieses ungeschriebene Gesetz halten sich zwei Drittel aller Österreicher: die Themen Vermögen und Einkommen finden sich nicht in den beruflichen und privaten Gesprächsprotokollen. Das rührt vielleicht auch daher, dass die meisten Erwerbstätigen ihre Entlohnung als fair und angemessen betrachten, sie mit ihrem Jahreseinkommen zufrieden sind.Dabei gebe es durchaus Stoff für Kritik. Der jährlich publizierte Kienbaum Vergütungsreport für das Jahr 2017 zeigt, dass die Lohn- und Gehaltserhöhung des vergangenen Jahres die schwächste in fünf Jahren war. Und das, obwohl sich die Konjunktur merklich verbessert, das Bruttoinlandsprodukt wächst, die Unternehmen wieder deutlich erfolgreicher sind: die Exporte verzeichnen in den ersten Quartalen ein starkes Plus, die Auftragsbücher der Unternehmen sind in vielen Branchen wieder gefüllter.

Wenig Steigerung

Trotzdem: Die positive Wirtschaftslage spiegelt sich nicht in den Gehaltssteigerungen der Mitarbeiter wider: die Grundvergütung über alle Positionen stieg im Schnitt um lediglich 2,7 Prozent. Demnach verdienen Sachbearbeiter aktuell rund 43.000 Euro brutto pro Jahr, Spezialisten 60.000, Teamleiter 93.000, das mittlere Management der Abteilungsleiter 126.000, das höhere Management der Bereichsleiter 176.000 und das Top-Management 297.000 Euro brutto pro Jahr (siehe Grafik rechts). "Dass es kein Murren über die schwachen Gehaltssteigerungen gibt, hat wohl auch mit der Steuerreform und der geringen Inflation zu tun, weshalb letztlich dann doch mehr Geld auf dem Konto ist", erklärt Alfred Berger, Leiter Compensation & Performance Management bei Kienbaum Consultants. Der Gehaltsexperte führt die geringen Einkommenszuwächse auf die anhaltende Unsicherheit in den Unternehmen zurück. "Ja, es gibt einen Aufschwung, aber die Firmenleiter sind sich noch nicht sicher, ob diese Tendenz auch anhält." Zudem hängt die jüngere Vergangenheit nach: "In den Krisenjahren mussten die Unternehmen sparen, sie haben in allen Bereichen reduziert, zum Teil auch viel Personal abgebaut – dementsprechend zurückhaltend sind sie jetzt."

Diese Zurückhaltung ist auch für Günther Tengel, Eigentümer von Amrop Jenewein, nachvollziehbar: Unternehmen vermeiden es, ihre Fixkosten (das sind in hohem Maße die Gehälter) anzuheben. Das sei aus Firmensicht eine vernünftige Maßnahme. Die Gehälter würde man auch deshalb zurückhalten, weil gerade riesige Veränderungsprozesse in Gang sind, die wiederum Unsicherheit erzeugen und den Unternehmen viel Geld kosten. Da werden ganze Geschäftsmodelle und Organisationsmodelle hinterfragt – und niemand weiß so recht, wohin die Reise geht.

Nur eine Gruppe sticht bei den Gehaltssteigerungen merklich heraus. Nämlich die Führungskräfte. Hier gilt offenbar der Grundsatz: je höher der Job, desto höher die Gehaltssteigerung. "Das hat damit zu tun, dass in diesen Ebenen verstärkt die Variablen und Prämien zum Zug kommen", sagt Günther Tengel. In den oberen Ebenen geht es ganz klar um die Performance, um die Zielerreichung. Und die hat im vergangenen Jahr gepasst. Bei den Top-Führungskräften stimmt dann eben auch die Prämie.

Die Jungen kriegen wenig

Auffallend wenig tut sich bei den Gehältern der Einsteiger. Die Uni- und FH-Absolventen bekommen je nach Abschluss 36.300 Euro brutto (als Bachelor) bzw. 40.100 Euro brutto (als Master) – das sind 2500 bis 2800 Euro brutto pro Monat. "Wir sprechen hier vom gleichen Wert wie vor 10, 15 Jahren", erklärt Alfred Berger und sucht nach den Gründen für diese niedrige Entlohnung. Seine Vermutung ist, dass es schlicht zu viele Absolventen gibt. Und wenn Unternehmen aus dem vollen Akademikertopf schöpfen können, drücke das eben auf den Preis – der sei dann auch meist wenig bis gar nicht verhandelbar. Auch Günther Tengel irritieren die niedrigen Einstiegsgehälter. "Es überrascht mich jedes Mal und es stimmt: die Einstiegsgehälter sind definitiv am Boden. Ich glaube, das hat auch damit zu tun, dass die Jungen kein Geld fordern – es interessiert sie schlicht und einfach nicht."

Für Einsteiger gebe es in klassischen Unternehmen einen vorgegebenen, tradierten Karriereweg und der lautet: ein paar Jahre Erfahrungen sammeln, sich beweisen und zeigen, was man kann. Erst dann sind Gehaltsverhandlungen denkbar. Für die muss man übrigens laut Experten nur ein einziges Argument vorbereiten: Den Mehrwert, den man als Mitarbeiter für das Unternehmen bringt; den konkreten Vorteil, den die Firma durch den Mitarbeiter hat. Erst dann würden Firmenchefs überhaupt erst anfangen, über eine Gehaltserhöhung nachzudenken.

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