Ausgeraucht? Wie Österreichs Trafikanten jetzt ihr Geschäft verändern müssen

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Es wird weniger geraucht, vermehrt online gelesen und der Parkschein in der App gekauft. Läuft das Geschäft in Österreichs Trafiken noch?

Ein „wie immer“ oder „einmal, bitte“ genügt, und Marco Lösch greift zielsicher ins Regal hinter sich, wo mit Schockbildern versehene Packerl darauf warten, ihren Besitzer zu wechseln. Nur manchmal hält die Hand des Trafikanten kurz inne, wenn jemand ergänzt: „Die Hunderter heute, bitte“ – dann sollen es ausnahmsweise die Zigaretten in Überlänge sein.

Marco Lösch kennt seine Kundschaft, obwohl er frisch im Business ist. Seit eineinhalb Jahren führt er ein Tabakfachgeschäft in einem Wiener Außenbezirk. Den genauen Standort darf der KURIER nicht verraten, denn Trafikanten unterliegen einem absoluten Werbeverbot. Eine von vielen Auflagen, an die sich Österreichs Händler von sensiblen Genusswaren halten müssen.

Lösch ist gelernter technischer Zeichner. Irgendwann stand er beruflich an, erzählt der gebürtige Burgenländer. Wie er auf die Idee kam, Trafikant zu werden? Von einem Gemeindediener aus seiner Ortschaft, „der sich als Kind die Finger weggesprengt hat“ und nach Wien ging, um eine Trafik zu führen.

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Marco Lösch wartete vier Jahre auf seine Trafik, es gab viel Andrang bei seinem Standort.

Österreichs Trafiken werden nämlich seit 2015 ausschließlich an Menschen mit Behinderungen vergeben (früher gab es Ausnahmen). Nur einmal darf ein Familienmitglied übernehmen – ein historisch gewachsenes Vergabesystem, das 1784 von Kaiser Josef II. für Kriegsinvaliden eingeführt wurde. Heute werden über die Hälfte der 2.161 Tabakfachgeschäfte von Menschen mit Behinderungen geführt. Ein Wert, auf den die Monopolverwaltung, die die Regeln fürs Tabakbusiness festlegt, stolz ist. Auch Marco Lösch weist den vorgeschriebenen Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent auf. Also erkundigte er sich bei seinem Bekannten, ob das Business so lukrativ sei, „dass man sich das überlegen kann“. Jahre später steht er in seiner eigenen Trafik und kennt die Antwort.

Warum Trafiken schließen

Auf dem Papier sieht es für Österreichs Trafiken nicht rosig aus. Der klassische Zigarettenkonsum, der immer noch 85,5 Prozent des Tabakgeschäfts ausmacht, geht sukzessive zurück. Auch die Anzahl der Trafiken nimmt jährlich ab – waren es 2019 noch 2.344, sind es 2024 fast 200 weniger.

Wird eine Trafik vom Monopol geschlossen, hat sich der Standort nicht mehr bewährt, was unterschiedliche Gründe haben kann. Ein wesentlicher ist das Platzproblem, erklärt Gabriele Morawek, die seit 18 Jahren Inhaberin einer Wiener Trafik ist. „Das typisch Optische an einer Trafik ist: klein, reizüberflutet und überladen“, sagt sie. Das hat einen gewissen Charme, kann aber zum Problem werden: „Der Platz kann heute gar nicht groß genug sein für das, was wir anbieten.“

Morawek beschäftigt zwölf Mitarbeiter, eine ungewöhnlich hohe Anzahl. Die großzügige Verkaufsfläche ihrer Trafik sowie das Sortiment verlangen es. Nur 60 Prozent ihres Umsatzes speist die Trafikantin aus Zigaretten. Zunehmend wichtiger werden Produkte wie Tabakerhitzer, E-Zigaretten oder Lutschsäckchen. Die gewinnen in der ganzen Branche rasant an Marktanteilen, beanspruchen jedoch viel Beratungszeit.

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Gabriele Morawek führt eine Trafik mit zwölf Mitarbeitern. Ihr Sohn will einmal übernehmen.

„Mittlerweile brauche ich für alles Experten“, sagt Morawek, die ihre Mitarbeiter dazu ermutigt, sich auf ein Gebiet zu spezialisieren. „Ich selbst würde die Fülle nicht mehr schaffen“, ist der Unternehmerin bewusst. Zusätzlich muss der klassische Zigarettenraucher versorgt werden. „Der braucht jetzt sein Packerl, da ist der Geduldsfaden kurz. Stehen drei Leute vor ihm, ist er am Weg zur nächsten Trafik.“

Wer genug Platz und Personal hat, kann auf all diese Bedürfnisse Rücksicht nehmen. Allerdings brauche es ein betriebswirtschaftlich hohes Niveau, um einen solchen Betrieb zu meistern. „Da geht schnell viel den Bach runter“, sagt sie. „Wir haben sehr viel Geld in der Hand, das gar nicht uns gehört.“

Wie viel vom Umsatz bleibt

Im Schnitt setzt eine österreichische Trafik 1,4 Millionen Euro im Jahr um. Klingt lukrativ, muss jedoch differenziert betrachtet werden, erklärt Hannes Hofer, Geschäftsführer der Monopolverwaltung: „Auch wenn die Zahl groß erscheint, hat man im Verhältnis zu vielen Handelsunternehmen eine kleine Handelsspanne.“ Warum das so ist? „Weil eine hohe Verbrauchssteuer auf Zigaretten festgelegt ist, die die Trafikanten für den Staat einheben.“ Konkret heißt das: Bei einer Packung Zigaretten bleiben 13 Prozent dem Trafikanten, der Rest geht an die Steuer (75,5 Prozent) und Industrie (11,5 Prozent). Der Umsatz ist also schnell in Millionenhöhe, im Schnitt bleibt Österreichs Trafikanten pro Jahr „nur“ ein Gewinn vor Steuern von 77.500 Euro. Das Geschäft lässt sich dennoch befeuern, auch innerhalb des gegebenen Rahmens.

Während sich einige Trafikanten schon fast gänzlich vom Zeitungs- und Magazinverkauf verabschiedet haben (zu viel Aufwand für zu wenig Geld, lautet die Erklärung) hat Michael Herman Schober sein Sortiment sogar ausgebaut. In seiner Klosterneuburger Trafik gibt es alles – vom Messerschleifmagazin über die Hochglanz-Geschichtshefte bis zum Klatschblatt. Dazu eine große Auswahl an Geschenkpapier, Rätselheften und Billetts. „Das sieht man maximal noch in einem Spital“, erzählt der Trafikant, während er seine vollgefüllten Akten mit vorbestellten Zeitungen präsentiert.

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Michael Herman Schober hat sein Zeitungssortiment für die Klosterneuburger Kunden ausgebaut.

Vier Jahre lang führte er eine Trafik in der Wiener Innenstadt, dann kam Corona, der Umsatz brach ein und Schober wechselte aufs Land. „Ich bin heilfroh, hier zu sein“, sagt er. Der größte Unterschied zur Stadt? Früher kamen die Kunden für einzelne Päckchen, jetzt kommen sie mit dem Auto und kaufen stangenweise. „Wir haben relativ wenige Kunden, die aber einen schönen Umsatz machen und können uns dementsprechend mehr Zeit für sie nehmen“, freut er sich.

Denn Kommunikation ist die Leidenschaft und das Verkaufsgeheimnis des Unternehmers, der früher in der Versicherungsbranche tätig war. Sogar Raucher, die schon ewig dieselbe Marke rauchen, könne man beraten, so Schober und präsentiert heimische Zigaretten, die von einem steirischen Winzer produziert werden. 

Überzeugt ist er von seinen Mehrweg-E-Zigaretten – die Einweg-Variante hat er „schon vor Jahren rausgeschmissen“ – und von seinen (nicht berauschenden) Cannabis-Produkten. Seit Juli dürfen diese von Trafiken verkauft werden. „Ein super Thema“, findet Schober, der extra zu den Produktionsstätten gefahren ist, um einen Einblick in die Herstellung zu gewinnen. Für interessierte Konsumenten, die nicht wuzeln können, hat er fertig gedrehte Tüten im Angebot. Überhaupt scheint Schober alles zu haben, was der Kunde in einer Trafik suchen könnte. 

Führt er ein Produkt nicht, macht er Stricherllisten, wie oft danach gefragt wird. Kommt es ihm mehrmals die Woche unter, informiert er sich, kauft „aber nicht blindlings“, sonst könnte viel Lehrgeld auf der Strecke bleiben. Eine Goldgrube ist das Tabakgeschäft dennoch nicht, fasst Michael Herman Schober zusammen. „Und ich glaube, das war es auch nie.“ Die Inflation und gestiegenen Personalkosten wären schwierig zu stemmen. „Der Einzelhandel kann die Nudeln selbst teurer machen, das gibt es bei uns nicht.“

Offen für Neues

Und auch Marco Lösch, der junge Trafikant im Außenbezirk Wiens, kennt mittlerweile den Druck und die Verantwortung, die mit einer eigenen Trafik einhergehen. Sein Geschäft läuft gut – im Vergleich zu seinem Vorgänger konnte er den Umsatz sogar um 30 Prozent steigern, sagt er. Wie er das geschafft hat? Indem er mutig genug war, an einem funktionierenden Konzept zu rütteln. 

„Wie ich übernommen habe, war die Trafik eher für die ältere Kundschaft eingerichtet“, blickt er zurück. Eine Woche habe er es dabei belassen, dann hat er das Sortiment zu zwei Drittel auf die neuen Produkte umgestellt und zusätzliche Zigarettenautomaten installiert. „Hier ist viel Bewegung in der Nacht, aber selbst wenn die Trafik offen hat, kaufen viele beim Automaten. Weil sie glauben, dass man in Trafiken erst ab zehn Euro mit der Karte zahlen kann.“

Vor Innovationen scheuen, dürfen sich Österreichs Trafikanten also nicht, um zu bestehen. Denn so viel Neues wie jetzt gab es Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte lang nicht, sagt Hannes Hofer von der Monopolverwaltung, der positiv gestimmt ist. „Ich finde es immer gut, wenn man Teil des Wandels ist“, sagt er. „Also ja, man wird gefordert, aber ich traue unseren Trafikanten das zu.“

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