Topmanagerinnen sind auf dem Rückzug
Abgetreten. Ausgetauscht. Gekündigt. 2013 war kein gutes Jahr für Managerinnen. Getrost kann man von einem miserablen Jahr für die Frauensache sprechen: In Österreich und Deutschland ist nicht nur nichts weitergegangen, der Anteil von Frauen in den Chefetagen hat sich sogar reduziert.
Es sind bekannte Namen, die von den Vorstandslisten gestrichen wurden: Brigitte Ederer musste unfreiwillig von Siemens gehen, Ulrike Baumgartner-Gabitzer vom Verbund, Michaela Steinacker verließ die Raiffeisen Holding NÖ-Wien, Eveline Steinberger-Kern Siemens-Österreich. Bei den 20 ATX-Firmen sind nur mehr drei Frauen im Vorstand: Judit Havasi (Vienna Insurance Group), Birgit Noggler (Immofinanz), Barbara Potisk-Eibensteiner (RHI). An den Universitäten (WU, TU, VetMed, Angewandte Kunst, Uni Graz), in den Museen (Kunsthistorisches, Belvedere, Nationalbibliothek) und im Bundesdienst sind Frauen stärker vertreten, Vorzeigefaktor und Quote sei Dank. In der neuen Regierung hat sich ihr Anteil aber verringert: Im ÖVP-Team gibt es nur noch zwei Frauen, total sind fünf der 16 Minister und Staatssekretäre weiblich.
In Deutschland ist es ähnlich: Regine Stachelhaus schied aus der Chefetage von E.ON aus, Luisa Deplazes Delgado von SAP. In den Vorständen der 30 Dax-Unternehmen sitzen heute drei Frauen weniger als vor einem Jahr (12 von 191). Deutschland hat zwar erstmals eine Frau und siebenfache Mutter als Verteidigungsministerin, der Durchschnittsminister ist aber männlich, in den Fünfzigern, hat Jusstudium, Doktortitel und zwei Kinder.
Vorbei also die Zeit der einflussreichen Managerinnen, Bankerinnen und Vorzeigefrauen – wir erinnern uns an Elisabeth Bleyleben-Koren (Erste), Gertrude Tumpel-Gugerell (EZB), Regina Prehofer (BAWAG). Sie sind pensioniert, in ruhige Management-Gewässer abgetaucht (worden) oder wirken heute in Fachgremien, kleinen Firmen, an Universitäten.
Vorläufig kein Platz
Diese Frauen waren die ersten, die sich in der Privatwirtschaft bis ganz hinauf gekämpft, die die Machtzirkel der Männer aufgebrochen und ihren Platz verteidigt haben. Unter hohem persönlichem Einsatz, mit viel Gegenwind und oft unter Aufgabe von Privat- und Familienleben. Auffallend viele dieser Managerinnen der 90er- oder 2000er-Jahre sind kinderlos geblieben.
Dann kam die Krise 2008 und mit ihr die Verdrängung: Vorstände und ganze Mannschaften wurden verkleinert, Männer bedienen sich wieder stärker ihrer Seilschaften. Wenn es ums Überleben geht, schwindet die Rücksicht auf Minderheiten. Machtkämpfe mehren sich – Frauen sehen in diesem Spiel um Einfluss und Position weniger Sinn.
Das geht einher mit einer Ernüchterung der Frauen. Sie haben sich die Chefetagen von innen angesehen und erkannt: Dort ist das Leben ungemütlich, dort sind Freiheiten und Gestaltungsräume geringer als gedacht, ist ein Privatleben beinahe unmöglich. Laut Karriere-Coach Christine Bauer-Jelinek würde Frauen der Rückzug auf niedrigere Posten oder ins Familienleben leichter fallen, weil sie nicht so große Einbußen im Sozialprestige hätten wie Männer. Bauer-Jelinek sieht das alles jedoch als temporäres Phänomen. „Der Mittelbau wird stärker“, sagt sie. Dort sieht sie eine Vielzahl „kampfbereiter Frauen in den 30ern“. Worum die Älteren noch gerungen hätten, sei für sie selbstverständlich: „Sie haben ein anderes Weltbild, sehen sich mit Männern gleichauf, sind selbstbewusst. Sie werden sich holen, was ihnen zusteht.“
Just der zweitgrößte Automobilkonzern der Welt, General Motors, stellte Mitte Dezember eine Frau als neue Vorstandsvorsitzende vor: Mary Barra, Ingenieurin und zweifache Mutter. Ebenso zum ersten Mal wird ab 2014 eine Frau die Fed, die mächtige US-Notenbank anführen: Janet Yellen, die „kleine Frau mit dem großen IQ“, wie ihre Kollegen über sie sagen.
Die USA, so scheint es, ziehen in Sachen Frauen in Führungspositionen ganz locker an Europa vorbei. Kein Weltkonzern mit Ruf kommt ohne sie aus: CEO von IBM ist Virginia Rometty, 55 Jahre alt. Pepsi hat als Chefin Indra Nooyi, 58. Meg Whitman, 57, war CEO von Ebay und ist es nun von Hewlett-Packard. Sheryl Sandberg, 44, ist COO von Facebook, ihre Freundin Marissa Mayer, 38, CEO von Yahoo. Safra Catz, 52, ist CFO von Oracle, Susan Wojiciki, 45, Vice-President von Google.
Nur schöner Schein, wie die Fakten zeigen. Die USA stehen nicht viel besser da als der Rest der Welt: 2013 sind nur 14,6 Prozent der Executive Officers in den USA weiblich, ein Jahr zuvor waren es 14,3 Prozent. 0,3 Prozentpunkte mehr sind kein Fortschritt. Mehr als ein Viertel der Fortune500-Konzerne – der umsatzstärksten Unternehmen – hatte 2012 und 2013 keine einzige Frau auf Top-Ebene.
Doch in Amerika wird die Genderdebatte ernster genommen. Die USA sind Österreich , laut Genderforscherin Sabine Köszegi vom Institut für Managementwissenschaften der TU Wien, um mindestens zehn Jahre voraus. Man reflektiere das Problem, setze sich damit selbstkritisch auseinander. Dort ernennen Magazine nicht nur den „Mann des Jahres“, wie es der trend in Österreich macht. „Wenn wir uns im selben Tempo entwickeln wie die vergangenen 30 Jahre, dauert es noch ein halbes Jahrhundert, bis Frauen in Führungspositionen die Norm sind“, sagt Köszegi. Nachsatz: „Wollen wir das?“
Die magische Grenze Erklärungsversuche, warum Frauen nicht weiter aufsteigen, gibt es viele: Weil sie nicht sollen, nicht können, nicht wollen. Das Argument „sie wollen nicht“ zeigt, dass die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Die Vereinbarung von Familie und Beruf? Funktioniert weder in Österreich noch in den USA: Ein Report des Joint Committee of Congress zeigt, dass 57 Prozent der Manager kinderlos sind, aber 63 Prozent der Managerinnen. 74 Prozent der Manager sind verheiratet, aber nur 59 Prozent der Managerinnen.
Wieso sich die Gleichstellung weltweit nur zäh entwickelt, erklärt Köszegi mit einer Theorie von Rosabeth Kanter, Soziologin in Harvard. Demnach müsse eine Minderheit die Größe von 20 bis 30 Prozent erreichen, um substanziell etwas ändern zu können. Bis zu dieser Grenze ist die Minderheit enormem Druck ausgesetzt, wird in Klischees beurteilt, muss viel mehr leisten, sogar die eigene Minderheit verraten.
Sheryl Sandberg, COO von Facebook, macht all das nicht und wird deswegen als Frauenikone gefeiert. Medien geben ihr Rückendeckung: „Don’t hate her because she’s successful“ titelte das TIME Magazine. Frauen lieben sie, Männer applaudieren. Sie gilt nicht als zickig oder verbissen. Sie hat sich nach oben gearbeitet – das wird respektiert. Seit dem Börsegang von Facebook ist sie Milliardärin – das beeindruckt. Sandberg ist ein Role Model. „Vorbilder sind enorm wichtig, denn sie zeigen, dass es okay ist, anders zu sein“, sagt Sabine Köszegi.
Ist es ein Zufall, dass eine Frau an der Spitze des größten Netzwerks der Welt steht? Jedenfalls hat das Symbolwirkung und ist vielleicht der Beginn des Endes der Old-Boys-Networks.
Weltweit steigen Frauen laut Grant Thornton Report 2013 öfter in die Führungsetagen auf: Waren es 2011 noch 21 Prozent, stieg die Zahl 2012 auf 24 Prozent an. In China gab es den stärksten Zuwachs: von 25 auf 51 Prozent. Die chinesische Managerin Mei Hu meint, dass das Talent und die Intelligenz von Frauen in den Führungspositionen zunehmend geschätzt wird.
Während es für Frauen in den USA nach wie vor schwierig ist, CEO zu werden, wuchs die Zahl der weiblichen CFO laut Bloomberg in den USA 2012 um 35 Prozent an. „Der Trend kommt zu einer Zeit, in der der Job besonders kritisch ist“, schreibt Bloomberg. Frauen gehen auch in Europa mit Finanzen gut einher: Die EZB soll eine Direktorin bekommen. Auch an der Spitze der europäischen Bankenaufsicht wird eine Frau stehen: Danièle Nouy.
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