Töchterle: "Es muss nicht für jeden die Uni sein"
Seit fünf Monaten, rund ein Semester also, ist
Karlheinz Töchterle Wissenschaftsminister auf ÖVP-Ticket. Im Interview zieht der Ex-Rektor Bilanz über die erste Zeit als Politiker.
KURIER: Wie geht's Ihnen nach den ersten Monaten im Amt? Wie viele Visionen mussten Sie schon aufgeben?
Karlheinz Töchterle: Mir geht's gut, ich hab' eher Visionen aufgebaut als verloren. Mir geht's auch deswegen gut, weil es mir gelungen ist, mit der Hochschulmilliarde über den Sommer etwas zu bewegen. Das ist keine Phrase: Ich fühle mich derzeit sehr wohl im Amt.
Hätten Sie sich's anders vorgestellt, leichter vielleicht?
Nein, da war ich ziemlich illusionslos. Es sind immer sehr viele Mitspieler und deren Befindlichkeiten zu bedenken. Es ist ein komplexes Geflecht. Das war mir vorher klar, aber manchmal überrascht die Komplexität dann doch.
Mussten Sie viel lernen?
Schon, ich war ja kein politischer Profi, sondern ein Betrachter. Allerdings: Die Funktion eines Rektors ist immer auch eine politische Funktion, auch dort ist man Politiker. Aber in einem ganz anderen Sinne. Viele Abläufe und Spielregeln muss man erst lernen.
Wie lernt man das?
Learning by Doing ist der größte Teil. Man hat eine Fülle von Mitarbeitern und Gesprächspartnern, fast jedes Gespräch hat auch einen Lerneffekt. Ich werde sicher noch weiter dazulernen.
Seit Jahren dreht sich die Uni-Politik fast ausschließlich um Budgetlöcher, Studiengebühren und Zugangsregeln. Angenommen, Sie lösen diese Probleme: Über was reden wir dann eigentlich?
Es gibt eine Fülle von Themen: Wie bringen wir Wissenschaft, Forschung und Bildung in Österreich weiter und auf ein möglichst hohes Niveau? Das Niveau ist nicht schlecht, das muss man auch betonen, es wird schlechtergeredet als es ist. Das hat zum Beispiel mit den Massenfächern zu tun, da wären die Probleme relativ leicht zu beheben. Wenn wir das gelöst hätten, könnten wir uns den wirklich wichtigen Dingen zuwenden. Studienbeiträge und Zugangsregeln sind ja "nur" Rahmenbedingungen.
Was sind die wirklich wichtigen Dinge?
Die Anstrengungen, um Österreich als Forschungs-, Wissenschafts- und Studienstandort noch näher an die Besten heranzuführen.
An welchen Vorbildern sollen wir uns orientieren?
Die Schweiz hat uns in vielen Dingen einiges voraus. Man braucht eigentlich nur der Schweiz nachzueifern. Denn sie hat ähnliche Traditionen, sie ist ein taugliches Vorbild.
Was fehlt uns?
Die Instrumente werden gerade erarbeitet: Der werdende Hochschulplan, die Hochschulmilliarde. Es ist alles schön angerichtet, man könnte jetzt wirklich anfangen, das Gericht zuzubereiten. Aber, das ist wie bei jedem guten Gericht: Wenn man es wirklich genießen will, braucht man die entsprechenden Geschmacksnerven. Da fehlt es in Österreich noch ein bissl. Das ist dann die Aufgabe des Wissenschaftsministers, die Geschmacksnerven zu sensibilisieren. Was ich damit meine: Das Bewusstsein für die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung ist in Österreich noch ausbaubar.
Ihre Vision für die Unis?
Ich will in Österreich nicht eine große Ausweitung der Universitäten, sondern vor allem eine qualitative Verbesserung. Weil es immer heißt, wir brauchen viel mehr Akademiker: Ich sehe das differenzierter. Natürlich haben wir im Vergleich eine eher niedrige Akademikerquote. Aber wir haben viele postsekundäre Ausbildungen, die in anderen Ländern als Akademiker zählen. Ich will Universitäten, die ihren Namen zu hundert Prozent verdienen. Ich will die Qualität dort erhöhen. Es muss nicht für jeden die Universität sein, wir haben auch hervorragende Fachhochschulen und andere gute Ausbildungen. Wichtig ist die Durchlässigkeit: Wir dürfen niemandem zumuten, dass er in eine Sackgasse gerät.
Woran wollen Sie sich messen lassen - sagen wir, in einem Jahr oder beim Wahltermin 2013?
Der Frage weiche ich jetzt ein bissl aus, weil ich kein großer Zielsetzer bin. Für mich ist der Gipfel nicht so wichtig, sondern der Weg, das Gesamterlebnis. Beim Bergsteigen zählt für mich nicht nur der Gipfel, sondern der Weg - im Winter auch der Weg herunter. Zur Ihrer Frage: Ich sehe mich als Ermöglicher. Ich möchte für die Universitäten optimale Rahmenbedingungen herstellen. Dazu gehören mehr Geld, eine höhere Wertschätzung und die vorher genannten Rahmenbedingungen wie Zugangsregelungen. Es ist ein Betrug an den jungen Leuten, ihnen vorzugaukeln: Kommt's alle, ihr habt's alle Platz.
Zwischenbilanz: Das erste halbe Jahr
Studiengebühren Töchterle setzt sich für die Wiedereinführung von Studienbeiträgen ein. Er hat unlängst sein Modell präsentiert: Die Unis sollen die Höhe der Gebühren (max. 500 Euro pro Semester) selbst festlegen; zehn Prozent der Gesamtsumme gehen in einen Sozialtopf, die Stipendien werden ausgebaut. Die Unis sollen ganzen Gruppen die Gebühren erlassen und Einzelnen stunden können.
Zugangsregeln Geht es nach Töchterle, soll der Uni-Zugang geregelt werden - das soll die Massenfächer entlasten.
Hochschulplan Töchterle will den FH-Sektor ausbauen und an den Unis die Qualität steigern.
Uni-Milliarde Soll mit Finanzministerin Fekter "so gut wie fix sein" und die Budgetnöte der Unis ab 2013 lindern helfen.
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