Von der Kunst, nicht zu handeln
Der Wandel treibt unsere Zeit an. Innovation hätte schon gestern passieren sollen und das Wachstum für das kommende Jahr wird im Budget automatisch auf die Ist-Zahlen addiert. Durchsetzungsvermögen und Risikobereitschaft sind die Eigenschaften der heutigen Macher. Sie wollen was weiterbringen, die Welt verändern, zeigen, dass sie was draufhaben. Wer schneller und folgenschwerer entscheidet, gewinnt.
Keiner von ihnen braucht Bremser, Nörgler und vorsichtige Verhinderer an ihrer Seite. Sie sind Sand in ihrem Business-Getriebe und bremsen oft Entscheidungen aus. Ihre Rolle in Unternehmen wird unterschätzt, sie ist aber eine wichtige: Laut Studien besteht ein erheblicher Teil unserer Arbeitszeit aus schlecht begründeter, opportunistischer oder schlicht simulierter Arbeit. „In unklaren Situationen verspüren wir den Impuls etwas zu tun – egal, ob das hilft oder nicht. Danach fühlen wir uns besser“, sagt der Schriftsteller und Denker Ralf Dobelli. „Wir handeln tendenziell zu oft und zu schnell.“ Hier helfen die vorsichtigen Mitarbeiter. Sie bringen die Macher dazu, Strategien und Schritte jetzt zu überdenken, anstatt den eingeschlagenen Weg später zu bereuen.
Einbremsen, beobachten
Der deutsche Trendforscher und Geschäftsführer der Zentralen Intelligenz Agentur in Berlin, Holm Friebe, beschreibt in seinem neuen Buch „Die Stein Strategie“ wie wichtig es ist, manchmal einfach nichts zu tun und wie ein Stein in seiner Position zu verharren. Auf die Art könne man sich der Schnelllebigkeit unserer Zeit widersetzen, und Zeit gewinnen, wieder Großes zu leisten. Er ist der Meinung, diese Strategie sei ein Programm innerer Beständigkeit und langfristiger Überlegenheit. Sie verstünde sich als Übung in Selbstdisziplin und als Anti-Gift gegen Ungeduld und Umtriebigkeit. Die im Buch beschrieben Künste zeigen, in welchen Situationen nicht die Macher, sondern die resilienten Menschen das Steuer in Politik oder Wirtschaft übernommen haben – und was es ihnen gebracht hat.
Warren Buffett beobachtet Einer der reichsten Menschen der Welt hat sein Geld mit Warten verdient. Die Anleger-Legende Warren Buffett ließ sich nicht vom hektischen Börsen-Alltag mitreißen oder von attraktiven Aktien-Optionen verlocken. Seine Investment-Strategie: beobachten und nichts tun. Sein Vermögen: 62 Millionen Dollar.
Das sagt die Stein-Strategie Wenn eine Situation unklar ist, unternimmt man besser nichts, als überstürzt zu handeln. Die Zeitknappheit verursacht eine Grundnervosität in Menschen, die sie Entscheidungen unter Druck treffen lässt. Man müsse lernen, sich dieser zu widersetzen, Ruhe zu bewahren, objektiv zu bleiben.
Die Kunst des SturstellensAngela Merkel harrt aus Seit acht Jahren steht sie als Bundeskanzlerin an der deutschen Regierungsspitze. Seit acht Jahren verfolgt sie ihren Kurs. Stur und ohne Ausreißer. An Angela Merkel prallen Kritik und Partei-interne Streitigkeiten ab. Innen- und außenpolitisch zementierte sie sukzessive ihre Stellung im Land.
Das sagt die Stein-Strategie Jede Abzweigung von der ursprünglichen Strategie verlangsamt das Vorankommen zum Ziel. Ausharren und auf Kurs bleiben erweisen sich als effektiver, als sich von kleinen Veränderungen ablenken zu lassen. An der Spitze von Unternehmen muss auch mal „Nein“ zu den vielen Optionen gesagt werden können.
Die Kunst des Ruhe-BewahrensSteve Jobs blieb gelassen: Der Apple-Gründer und Visionär folgte immer schon dem Credo „think different“. Als er sich Ende der 90er mit dem PC-Markt unzufrieden zeigte, bewahrte er – anders als seine Konkurrenten – Ruhe: „Ich werde einfach auf das nächste große Ding warten.“ Er wartete, der Rest ist Geschichte.
Das sagt die Stein-Strategie: Die Zeit der großen Erfindungen, wie die der Elektrizität, des Flugzeugs oder des Internets, ist vorbei. Hypes kommen, aber sie gehen auch schnell wieder. Innovation braucht heute Zeit und darf sich nicht vom kurz- und schnelllebigen Markt fortreißen lassen. Es gilt: Kein Change um des Change willen.
Die Kunst des lauten SchweigensQueen Elisabeth II. spricht nicht: Seit 60 Jahren thront sie über Großbritannien und Nordirland. Eine der mächtigsten Strategien von Königin Elisabeth II. ist das Schweigen. Die 87-Jährige hält sich stets diplomatisch an ihr Motto: „Never complain, never explain“ – Niemals beschweren, niemals erklären.
Das sagt die Stein-Strategie: Wer schweigt, obwohl er was zu sagen hätte, verschafft sich Gehör. Menschen, die diese Kunst beherrschen, beeinflussen mit ihrem scheinbaren Nicht-Kommunizieren ihr Umfeld massiv. Denn je länger das Schweigen dauert, desto mehr wollen es andere deuten. Es zeugt von Überlegenheit.
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