Wer in Österreich ein Start-up gründet, ist vermutlich ein Mann. Nur 17 Prozent sind weiblich und auch bei Investments sind männliche Gründungsteams klar im Vorteil. 169 Gründer konnten im ersten Halbjahr Risikokapital einsammeln, zeigt ein neuer Index (nähere Details im Kasten unten). Darunter 18 Frauen.
KURIER:Sie sind Mitherausgeberin des Index, fördern mit Ihrem eigenen Fonds 'Fund F' diverse Teams. Hätten Sie sich ein besseres Ergebnis erhofft?
Lisa-Marie Fassl: Gewünscht ja, damit gerechnet, habe ich ehrlicherweise nicht. Zum einen ist die Finanzierungslandschaft total eingebrochen und das wird noch eine Zeit so anhalten. Zum anderen gibt es zwar seit ein paar Jahren Initiativen, um mehr Frauen in Start-ups zu holen, aber das dauert natürlich bis diese ihre Wirkung zeigen. Hoffentlich werden wir einen Effekt in zwei, drei Jahren sehen, wenn die Finanzierungssituation wieder ein bisschen einfacher geworden ist.
Üben Investoren und Fonds nicht ausreichend Druck aus, um mehr Diversität in Gründungsteams zu erzeugen?
Man muss definitiv mehr machen. Ein Kernthema in unserer Industrie ist, dass es eine extreme Voreingenommenheit gibt, wie Gründerpersönlichkeiten aussehen und welche Teams eine Finanzierung bekommen. Das sind oft Leute, die sehr laut, sehr präsent sind. Die eher zu hoch stapeln statt zu tief und somit mehr versprechen, als sie wirklich halten können. Das sind Eigenschaften, die tendenziell Männern zugesprochen werden. Frauen sind sehr offen im Fundraising, sagen, wie die Realität aussieht, und das wirkt manchmal sehr abschreckend.
Wie das?
Weil man das andere Narrativ gewohnt ist. Dass alles ganz einfach ist und bombastisch läuft. Ehrlich zu sagen, wenn etwas nicht so gut läuft, kommt nicht gut an. Es schafft eine schlechtere Ausgangsposition gerade in Gesprächen mit professionellen Investorinnen und Investoren. Kennen sie diese Herangehensweise nicht, wird man wahrscheinlich weibliche Teams anders oder gar schlechter beurteilen und weniger oft investieren.
Nur zwei rein weibliche Teams konnten im ersten Halbjahr ein Investment lukrieren, zeigt der Index. Das war dann vermutlich keine Überraschung.
Rein weibliche Teams gehen eher den konservativen Wachstumsweg. Denken tendenziell nicht so groß, wollen vergleichsweise wenig Geld aufnehmen und gründen deshalb Unternehmen, die weniger auf Risikokapital setzen wollen.
Erklärt das auch das Phänomen: Je höher die Finanzierungssumme, desto geringer der Frauenanteil?
Will man den Wachstumsweg gehen, ist das eine klare Entscheidung, die man trifft. Er kommt mit vielen positiven Aspekten, weil mit viel Finanzierung lässt sich schneller wachsen und neue Märkte erobern. Aber es gibt auch Nachteile durch die große Verantwortung und den mentalen Druck. Das sind komplett unterschiedliche Wachstumsmodelle. Gerade etabliert sich ein Mittelweg: Die sogenannten Zebras, die durchaus wachsende Unternehmen sind, aber nicht zu allen Kosten.
Wie groß ist diese Zebra-Bewegung bereits?
Wir sehen gerade bei uns im Fonds viele Unternehmen, die große Wachstumsambitionen haben, aber in einem realistischen Ausmaß. Und das oft in Bereichen, wo wirklich Probleme gelöst werden. In der Klima- und Gesundheitstechnologie, wo es anfangs viel Forschungsleistung braucht und eine Produktentwicklung, bevor man wirklich in die Skalierung geht.
Der Female Start-up Funding Index von Female Founders, „Fund F“ und EY zeigt, welche heimischen Start-ups im ersten Halbjahr ein Investment erhalten haben.
Nur knapp jeder zehnte Gründer war weiblich
Insgesamt gab es knapp 300 Mio. Euro Risikokapital, deutlich niedriger als in den Vorjahren
Ein Viertel des Finanzierungsvolumens ging an gemischte Teams. Das ist eine positive Tendenz
Rein weibliche Gründungsteams sind rar. Nur zwei von 70 Start-ups, die mindestens eine Finanzierungsrunde verzeichneten, hatten ein rein weibliches Gründungsteam
Die meisten Gründerinnen sind im Bereich Ernährung, hier ist jedes zweite Gründungsmitglied weiblich
Zurück zur Diversität: Der Austrian-Start-up-Monitor zeigt, dass ein Drittel aller Start-ups zumindest eine Frau im Gründungsteam hat. Täuscht der Eindruck oder wird manchmal auch nur deshalb eine Frau hinzugeholt, um bei Förderungen und Investments nicht den Kürzeren zu ziehen?
Das ist leider eine Entwicklung, die man in den vergangenen Jahren sieht. Dass man sich alibihalber eine Frau ins Team holt, um vielleicht bei Förderungen 5.000 Euro mehr zu bekommen oder sich besser zu positionieren. Da bin ich persönlich kein Fan davon.
Wie lässt sich das erkennen?
Bei uns im Fonds ist ein wichtiges Kriterium, wie viele Anteile das weibliche Teammitglied hat. Am Ende des Tages geht es darum, wie viel Verantwortung und Entscheidungskompetenz bei ihr liegen. Ist das ein Anteil, der substanziell geringer ist als jener der Männer, ist es leider eine Alibi-Aktion.
Gibt es auch die Gegenbewegung?
Gründer im Alter zwischen 25 und 35 Jahren erkennen, dass Diversität ein Erfolgsfaktor ist, und suchen ganz ernsthaft nach Frauen, noch bevor die Unternehmen gegründet sind und die erste Finanzierungsrunde passiert. Nicht nur um Finanzierung ins Unternehmen zu kriegen, sondern weil es die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs für das Unternehmen erhöht.
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