Start-ups auf Geschäftsreise
Neun Start-ups, eine Mission: Vergangene Woche reisten ausgewählte österreichische Jungunternehmer zu den Pitching Days nach Tel Aviv. Vor israelischen Investoren hatten sie jeweils fünf Minuten Zeit, um ihr Produkt, ihr Unternehmen, ihre Vision eines zukünftigen Geschäftserfolgs vorzustellen. Das Ziel der jungen Gründer: einen Investor so sehr von ihrer Idee zu überzeugen, dass dieser Kapital für die weitere Unternehmensentwicklungen locker macht, sich also finanziell beteiligt. Oder zumindest eine Kooperation mit seinem Netzwerk entsteht bzw. mit einem der Unternehmen aus seinem Portfolio.
Ausgerechnet Tel Aviv
Organisiert haben die viertägige Reise die Junge Wirtschaft Österreich mit Bundesvorsitzenden Herbert Rohrmair-Lewis, die Außenwirtschaft Austria und dem in Israel ansässigen Wirtschaftsdelegierten Günther Schabhüttl und das Austria Wirtschaftsservice (aws) mit Bernd Litzka. Warum gerade Tel Aviv?
Österreichische Ideen
Dass die österreichischen Unternehmer in Israel mit so viel Interesse von Investoren und Business Angels empfangen wurden, ist der Vorarbeit von Wirtschaftsdelegierten Schabhüttl zu verdanken. 35 Investoren fanden sich im kleinen Hörsaal des Academic College of Tel Aviv. Sie alle saßen gespannt im Publikum, als die Uhr bei jedem Gründer je fünf Minuten lief. Die Firmenpräsentationen waren so unterschiedlich wie die Gründer samt ihrer Ideen: Folien wurden an die Wand projiziert, Filme gezeigt, Zahlen präsentiert – und in hohem (englischen) Sprechtempo die wichtigsten Eckdaten vorgeführt.
Noga Kap bildete mit Gil Canaani und Gil Shai die kritische Jury, die jedes Unternehmen hinterfragten. Kap war vom hohen Niveau der österreichischen Gründer angetan, vom Engagement und der pointierten Präsentationen. "Die Start-ups sind schon auf einem fortgeschrittenen Niveau, können viel von sich zeigen", sagt sie.
Das Resümee der Österreicher sind "neue Kontakte" und "Absichtserklärungen". Das Start-up "Courseticket" steht "kurz vor dem Abschluss einer hohen 6-stelligen Finanzierung", ein israelischer Investor habe zudem Interesse an einem Einstieg bekundet. Vor allem aber brachte die Geschäftsreise den Blick in eine andere Welt. Das Rahmenprogramm führte die Delegation hinter die Kulissen der Gründerszene: zu Vorzeige-Start-ups, die ihre ersten Millionen schon verdient haben; zu Venture Capital Fonds, die "the next big thing" suchen und in die bunten Start-up-Büros der internationalen Konzerne.
Hinweis: Im Herbst 2015 gibt es die nächste Pitching-Reise der WKO.
Markus Gwiggner stellte buergermeldungen.com vor, eine Kommunikationsplattform für Gemeinden; Alexandra Kraft präsentierte das Elektroboot Chilli Island; Alexander Schmid zeigte Courseticket, den Online- Marktplatz für Weiterbildung; Florian Matusek pitchte mit KiwiSecurity, einem Video-Überwachungssystem; Lukas Steiner und Alexander Kränkl präsentierten Lineapp, die Kommunikationsapp für Anrufe und Nachrichten über WiFi; Julian Breitenecker warb für sein GPS-Ortungssystem Locca; Sebastian Schally zeigte die anonyme Social Media App Nanu; Benjamin Roth und Claudia Bruckschwaiger pitchten mit ihren 3-D-Tauchkarten Reef Interactive; Patrick Kirchmayr zeigte Frux, ein Analyse-Tool für Verkäufer.
Für israelische Start-ups war 2014 das beste Jahr in der Geschichte: 15,5 Milliarden Dollar an Verkäufen („Exits“) konnten die Start-ups durch Börsegänge und Übernahmen erwirtschaften, dieser Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt (2013: 7,6 Milliarden Dollar). Insgesamt gingen 2014 18 israelische Start-ups an die Börse (2013 waren es nur drei). Wobei MobilEye, eine Kamera- Technologie, die Fahrer vor Unfällen warnt, alle Erwartungen übertraf und mit über 1 Milliarde Dollar den größten Börsegang der israelischen Geschichte vollzog (gelistet an der NYSE). Ebenso mit guter Börsenperformance: SafeCharge (125 Millionen Dollar) und CyberArk (85,8 Millionen Dollar). Für 2015 erwarten Analysten in Israel kein ähnlich gutes Jahr.
Tech Cocktail, ein US-Online-Portal für die Start-up-Szene, hat Wien unter die Top 10 der Start-up-Citys weltweit gewählt. Die österreichische Hauptstadt, auf Rang 6 gereiht, sei für die Start-up-Szene Europas von zentraler Bedeutung. Mit Unternehmergeist, dem Pioneers Event und – im Vergleich zu anderen Städten wie London – günstigen Co-Working-Spaces habe Wien zu bieten, was Start-ups brauchen, so Tech Cocktail.
Dass sich in Wien in den vergangenen Jahren gemausert hat, stimmt durchaus. Ein Start-up zu gründen ist sexy geworden. Nicht nur, weil Junge lieber ihr eigenes Business hochziehen, als sich in komplizierten Konzernen einzufügen. Auch, weil es auf dem angespannten Arbeitsmarkt oft die einzige Möglichkeit ist, um nach der Ausbildung Geld zu verdienen.
Wobei die Sache mit dem Geld verdienen so einfach nicht ist. Gegründet hat man schnell, das Geschäft zum Erfolg zu bringen ist schwierig. Von zehn Start-ups ist gerade mal eines erfolgreich, drei sind Untote und sechs sind chancenlos. Hinzu kommt, dass das Geld in Österreich nicht gerade lockersitzt. Banken können und wollen nicht, Investoren sind rar. Das hat mit unserer Mentalität zu tun (bloß kein Wagnis, bloß nichts Neues) und damit, dass die Anreize für Investitionen fehlen. Fürs gute Start-up-City-Ranking kann also noch einiges getan werden – sonst geht der Arbeitsmarkt wirklich Richtung „Hölle“, wie es WKO-Chef Leitl sagt.
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