Ein Ehepaar, das seine Firma vom Segelboot aus betreibt oder ein Manager, der seinen Van zum mobilen Büro umfunktioniert. Für ihr Buch„Arbeite doch, wo du willst!“, das im August erschienen ist, sprachen die Spiegel-Journalistinnen Maren Hoffmann und Verena Töpper mit über hundert Menschen, die dem Berufsalltag zumindest räumlich den Rücken kehrten. Und sie wagten den Selbsttest.
KURIER: Arbeiten von überall ist heute in vielen Branchen möglich. Welche Vorteile entstehen daraus?
Maren Hoffmann: Wo wir uns aufhalten, prägt, wie wir uns fühlen, was wir tun und auf welche Ideen wir kommen. Wenn ein Ort nicht so viel Einfluss auf uns hätte, würde niemand auf den Gedanken kommen, auf Urlaub zu fahren.
Dennoch lassen nicht alle Jobs Remote-Work zu.
Verena Töpper: Natürlich gibt es Jobs, die nur vor Ort erledigt werden können, aber wir haben im Zuge der Recherche bemerkt, dass es viel mehr Freiheiten gibt, als man denken würde.
Hoffmann: Man unterschätzt, wie viel Digital-Kram viele Jobs haben. Auch der Koch muss sein Konzept schreiben, seinen Einkaufsplan machen und dann ist es doch gut, wenn er an einem inspirierenden Ort ist. Wenn er sich an die Ostsee setzt, aufs Meer schaut und über eine Fischwoche nachdenkt.
Trotzdem schreiben Sie, dass mit den neuen Freiheiten auch viele Herausforderungen einhergehen.
Töpper: Ganz wichtig sind Absprachen – sogar über Wissen, das vermeintlich alle teilen. Wir haben mit einem Ehepaar gesprochen, das ihre Digitalfirma von einem Segelboot aus führt und bei der die Mitarbeiter niemals zusammen kommen. Sie haben klar festgelegt, welche Kommunikationsform die richtige ist. Wann eine Chatnachricht oder eine E-Mail geschrieben wird, wann man zum Telefon greift und bis wann eine Antwort zu erwarten ist.
Hoffmann: Das lässt sich auch in jedem Team ausprobieren. Man muss nur die Frage in die Runde werfen: Wenn ich eine E-Mail schreibe, bis wann ist diese rechtzeitig beantwortet? Da kommen sehr verschiedene Antworten – von zwei Tagen bis innerhalb der nächsten Stunde.
Und der fehlende zwischenmenschliche Kontakt?
Hoffmann: Der ist für viele die größte Herausforderung, wenn man remote arbeitet. Kennt man die Kollegen schon, kann das trotzdem gut gehen. Fängt man neu in der Firma an, ist es hilfreich, sich in regelmäßigen Abständen persönlich zu treffen. Man ist sehr viel stärker in der Selbstverantwortung, sich um andere zu kümmern, aber das ist nicht nur ein Führungs- sondern ein kollegiales Thema.
Fördert es die gesellschaftliche Neiddebatte, wenn die einen remote arbeiten dürfen, die anderen nicht?
Hoffmann: Es gibt grundsätzlich eine bedenkliche gesellschaftliche Entwicklung zwischen zum Teil unterbezahlten Jobs in Dienstleistung und Service und den sogenannten digitalen Nomaden oder Geistesarbeitern, die bessere Arbeitsbedingungen haben. Aber man löst die Probleme der einen nicht, indem man anderen das Leben schwer macht. Dem Busfahrer geht es nicht besser, nur weil sich jemand anderer ins Büro quält.
Auch Führung wird schwierig, wenn das Team verstreut ist. Vor allem, weil es zu wenig Vertrauen in die Produktivität der Mitarbeiter gibt.
Hoffmann: Dazu gibt es eine ganz interessante neue Untersuchung. Führungskräfte erkennen bei sich selbst sehr wohl, zu Hause oder an anderen Orten produktiv zu sein. Ihren Mitarbeitern glauben sie das jedoch nicht, da zeigt sich ein Gefälle. Aber warum muss man Chef sein, um sich das Vertrauen zu verdienen, seine Arbeit zu erledigen? Leute arbeiten dann gut, wenn sie gute Arbeitsbedingungen haben. Was gute Bedingungen sind, dafür ist derjenige Experte, der die Arbeit leistet.
Verena Töpper arbeitete nicht nur im nordhessischen Homberg remote, sondern auch in einem Strandkorb in der deutschen Hafenstadt Eckernförde. Eine kuriose, aber schöne Erfahrung, erzählt sie
Frau Töpper, Sie haben den Selbsttest gemacht und sind mit der Familie von Hamburg ins ländliche Nordhessen gezogen, inklusive Selbstversorgergarten und Co-Working-Space im Dorfzentrum. Klingt idyllisch, war es das auch?
Töpper: Ich habe es als sehr bereichernd empfunden, auch die Erfahrung, mit Menschen das Büro zu teilen, die ganz andere Jobs haben. Die Gespräche an der Kaffeemaschine hat man dort auch, aber eben über ganz andere Themen. Man bekommt einen neuen Input und es ergeben sich Synergien, an die man nicht denken würde.
Geblieben sind Sie trotzdem nicht. Sie schreiben, dass der Weg zum Kindergarten 40 Minuten dauerte, der Upload einer Datei genauso lange. Töpper: Natürlich gibt es auch Realitäten, mit denen man plötzlich konfrontiert ist. Dass der Bus nur einmal die Stunde fährt, der nächste Flughafen fast drei Stunden entfernt ist. Das sind Sachen, die letztlich dazu beigetragen haben, nicht zu bleiben.
Sie waren nicht alleine beim Austausch-Experiment. Acht aus zwanzig Teilnehmern haben sich am Ende für das Landleben entschieden.
Töpper: Alle, die geblieben sind, haben sich auch beruflich verändert. Sie arbeiten jetzt auf dem Bio-Bauernhof, haben ein Kaffee übernommen oder Posten bei der Stadt oder im Naturpark angeboten bekommen. Die klassischen digitalen Nomaden sind mit ihrem ursprünglichen Job wieder weiter gezogen.
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