Selbsttest: Ist das wirklich der richtige Beruf für mich?

Selbsttest: Ist das wirklich der richtige Beruf für mich?
Welcher Job ist der richtige und wie kann eine Potenzialanalyse dabei helfen, diesen zu finden? Die Autorin startete einen dreitägigen Selbsttest.

„Ich weiß nicht, was ich machen soll“ oder „Ist das mein Weg?“, hören Bildungsberaterinnen wie Gabriele Srp, oft. Denn beinahe jeder steht irgendwann vor der beruflichen „Was nun?“-Frage – so auch ich.

Um eine Antwort zu finden, mache ich mich auf den Weg dorthin, wo man Ratsuchenden hilft: zum WKO Campus, ins WIFI im 18. Bezirk. Vor allem Schülerinnen und Schüler zwischen dreizehn und zwanzig Jahren suchen nach Rat zur Schul- und Berufswahl. Es würden jedoch auch Leute kommen, die nach der Karenz wieder ins Berufsleben einsteigen wollen. Oder auch Personen, die merken, dass der aktuelle Beruf doch nicht der richtige ist, erklärt Gabriele Srp im Gespräch. Ihr Werkzeugkoffer für das Projekt: die Potenzialanalyse.

Wie funktioniert so eine Potentialanalyse?

Gabriele Srp erklärt das Vorgehen so: „Wir geben nicht vor, was man unbedingt studieren oder arbeiten sollte und raten auch von nichts ab. Die Entscheidung liegt bei Ihnen selbst.“ Beim WIFI sind alle Beraterinnen und Berater Psychologen und der beruflichen Schweigepflicht unterworfen. Um die Beratung so individuell wie möglich zu machen, wird sie beim Wifi in drei unterschiedliche Abschnitte geteilt: in ein Erstgespräch, einen Test und ein Auswertungsgespräch.

Selbsttest: Ist das wirklich der richtige Beruf für mich?

Gabriele Srp, Psychologin und Bildungsberaterin beim WIFI Wien 

Das Erstgespräch mit Psychologin Srp

Während des Erstgesprächs stellt mir Srp grundsätzliche Fragen. Etwa: „Warum wollen Sie diese Analyse machen? Was wollen Sie in Erfahrung bringen?“ Zusätzlich steht hier auch mein bisheriger Bildungs- und Berufsweg im Zentrum. Für mich war es keine schwierige Etappe. Denn meine Entscheidung zu schreiben, fiel schon mit fünf Jahren. Das Ziel verfolgte ich dann stur, auch wenn mich bis heute immer wieder Zweifel begleiten.

Der Test: Wir analysieren uns selbst

Der nächste Schritt: Neun Uhr, WKO-Campus. Einige Menschen betreten den kleinen Computerraum, in dem fünf Cubicles stehen. Sie setzen sich vor die Bildschirme. Auffallend ist, wie unterschiedlich sie sind, sie lassen sich nicht in einer Schublade ablegen: von Gen Z bis zu Gen X, vom Hemd- bis zum Hoodieträger.

Der Test besteht aus mehreren Teilen. Erfragt werden zunächst die Interessen. Man klickt sich also durch Verben wie pflastern, philosophieren und fischen und überlegt, ob man auch wirklich ehrlich geantwortet hat. Dann folgt der Leistungstest, der an das Alter und dem Ziel der Teilnehmenden angepasst ist. Zum Glück durfte ich diesen aussetzen, da er aus Logikfragen, Rechen-Übungen und Fragen zu Raumvorstellung besteht. Nicht meine Stärken. Am Ende steht ein Persönlichkeitstest, mit den berüchtigten Big Five der Persönlichkeit: emotionale Stabilität, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Offenheit und Verträglichkeit.

 

Wichtig ist, dass man den ersten Schritt wagt. Jeder Umweg ist eine Erfahrung mehr.

von Gabriele Srp

Was hat man von einer Potentialanalyse?

All das wird abgespeichert und an die jeweilige Beraterin versendet. Beim dritten Termin werden die Ergebnisse erklärt. Und diese bieten zu meiner Überraschung deutlich mehr Antworten, als ich erwartet hatte.

Faszinierend an der Nachbesprechung war die Menge an Informationen, die aus solchen Tests gewonnen werden. Beispielsweise konnte Srp aus meinen Ergebnissen herauslesen, dass ich mir selbst gegenüber sehr streng bin. Diese und weitere Informationen zur Persönlichkeit, zu den Fähigkeiten und Interessen werden in einer Mappe gesammelt. Zudem sind auch verschiedene konkrete Berufe mit unterschiedlichen akademischen Ausbildungen, die zu einem passen könnten, angeführt.

Habe ich also meinen Traumjob gefunden?

Gabriele Srp steht dem Begriff „Traumjob“ skeptisch gegenüber: „Bedingungen und Interessen ändern sich im Laufe des Lebens.“ Ob man mit seiner Wahl in einigen Jahren weiterhin zufrieden sein wird, könne man nur schwer abschätzen. „Wir können erklären, welche Wege sinnvoll wären und wo die Stärken einer Person liegen. Dazu muss man jedoch sagen, dass es lineare Karrieren fast nicht mehr gibt. Berufswechsel gehören dazu“, sagt die Psychologin und Bildungsberaterin Srp.

Zuversichtlich stimmt, dass jeder früher oder später zu dem kommen würde, was er wirklich möchte. Doch man müsse auch nicht jedes Interesse zum Beruf machen. „Wichtig ist, dass man den ersten Schritt wagt. Jeder Umweg ist eine Erfahrung mehr und nichts ist verloren“, so Srp. Denn diese Erfahrungen könne man verwerten. Wenn nicht beruflich, dann jedenfalls persönlich.

Selbsttest: Ist das wirklich der richtige Beruf für mich?

Geschäftsführer von Lackner & Kabas  Wirtschaftspsychologe und  Karrierecoach Alfred Lackner

„Menschen haben unendlich viele Talente"

Jeder wird mit gewissen Talenten geboren, sagt Karriere Coach und Geschäftsführer von Lackner & Kabas, Alfred Lackner. Man könne also nicht   untalentiert sein: „Menschen haben unendlich viele Talente. So viele, dass es gar nicht möglich ist, alle herauszufinden.“   Grundsätzlich könnten  Talente   zu Kompetenzen weiterentwickelt werden. „Wenn man beispielsweise groß ist und eine gute Visuo-Motorik hat, so hat man die richtigen Anlagen für Basketball.“  Die Frage sei aber : „Wird dieses Talent gebraucht?    Wenn Basketball in unserer Gesellschaft  nicht existiert würde, wäre diese Anlage unnötig.“ Talente seien  somit   umgebungsorientiert.

"In der Jugend hat man viel Potenzial"

, so Lackner, jedoch wenig Kompetenz. Das Ziel sei es, an Kompetenz zu gewinnen. Wenn man älter wird, sei es genau umgekehrt: Man habe  viel Kompetenz und weniger Potenzial. „Als junge Person fragt man sich: ,Wo kann ich Kompetenzen entwickeln?‘ Im Alter entwickelt sich dies in ,Wo passen meine Kompetenzen dazu?‘“, so der Karriere Coach.
Je mehr Talent oder Potenzial man hat, desto schneller kann man eine Kompetenz erlernen. „Deswegen sollte man sich fragen, ob das  Potenzial ausreichend ist.“, meint Lackner. Ein  weiteres Problem, das sich ergibt, ist der Erfolg im falschen Beruf, wenn man beispielsweise Talent hat, jedoch keinerlei Interesse an dem Bereich.

"Welche Tätigkeit bringt Energie?"

„Heutzutage fehlt es an Motivation. Man sollte vor der endgültigen Berufswahl herausfinden, welche Tätigkeit Energie bringt.“ Dies gestalte sich in einer Welt, in der alles immer schneller ablaufen müsse, entsprechend schwierig. „Durch diesen Druck die Berufswahl pragmatisch aus, was wiederum in Zukunft zu Unzufriedenheit führt.“

Die drei Stufen des Berufslebens

Zu der Wiener Potenzialanalyse von Lackner & Kabas gehöre auch eine biografische Analyse. Erfragt wird hier, warum welcher Berufs- und Bildungszweig gewählt oder eben nicht gewählt wurde. „Unsere Berufsorientierung beginnt schon im Kindesalter. Beispielsweise wollen viele zu nächst eine Lehrperson werden, weil sie anfänglich nur mit diesen Berufen konfrontiert werden. Lackner teilt die berufliche Laufbahn in drei Stufen: „Die Jahre zwischen zwanzig und dreißig sollte man zur Findung der beruflichen Richtung nutzen. Dazu braucht es  Erfahrungen und Engagement. Dann beginnt die Phase der Etablierung im Beruf. Ab fünfzig sollte man immer mehr das machen, dass einem entspricht, einfach ,genießen‘.“

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