Schwerer Anfang
Die Unternehmen sind von ihrem Wesen her auf Wachstum gepolt: Mehr Umsätze, mehr Marktanteile, mehr Jobs – im Idealfall wird der Kuchen für alle größer. Doch seit Jahren geht diese Rechnung nicht mehr auf. Die Zahlen gehen zurück. Der Kuchen schrumpft – und mit ihm auch die Möglichkeiten für Mitarbeiter. Die Karrierestufen zum Erfolg werden zu einer glatten Rutsche, auf der man auch mal den Halt verlieren kann. Eine nächste Hierarchieebene? Ein höheres Gehaltslevel? Nicht mehr unbedingt logische Folge. "Es gibt dieses automatische Weiterkommen im Job heute nicht mehr", sagt Günther Tengel, Chef der Personalberatung Amrop Jenewein. Karrieren müssten neu gedacht werden. "Der persönliche berufliche Erfolg muss neu definiert werden."
Eine bittere Pille,besonders für jene, die jetzt in den Arbeitsmarkt einsteigen. Sie können die Geschichten der Älteren – sie erzählen von gut bezahlten Jobs, Fixanstellungen, Gehaltssprüngen, Boni und Vorgesetzten, die ihnen beim Weg an die Spitze halfen –, nicht zu ihren eigenen machen. Auf sie wartet ein ernüchternder Einstieg ins Arbeitsleben.
Wie Einsteiger heute in den Job kommen, ist unterschiedlich. Der klassische Full-Time-Job aber ist ein aussterbendes Modell. Viele Jugendliche schnuppern bereits in der Schule in Praktika, zwei Drittel der Studierenden arbeiten schon neben ihrer Ausbildung regelmäßig. Ist der Schritt in den Arbeitsmarkt erstmal geschafft, zeigt ein Blick in die Statistik auch noch: Die Einstiegsgehälter sind heute gleich hoch (oder besser: niedrig) wie schon vor zehn Jahren.
Was also bietet der Arbeitsmarkt den Jungen? Günther Tengel: "Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels in der generellen Wirtschaftslage. Man muss seine Persönlichkeit stärker ausbilden, offener, neugieriger und ehrgeiziger werden. Das sind die Eigenschaften der ,Missing Links‘, die die Arbeitgeber in Zukunft suchen werden."
Markus Raunigs Lebenslauf ist wie aus dem Bilderbuch: Seit er 16 ist, macht er Praktika, nach der Schule gründete er einen Fußballverein, verbrachte im Studium ein Auslandssemester in Miami. Zwei Mal hat er den WU Excellence Scholarship Award für High Potentials gewonnen, ist zudem Präsident der Studentenorganisation SIMConnect. Aktuell beendet er seinen Master in Strategy, Innovation, Management Control an der WU Wien. Das alles mit 25 Jahren. Weil es notwendig ist. Erfahrung zählt. „Ist man mit der Uni fertig und hat keine Zusatzerfahrung gesammelt, hat man schlechte Karten am Arbeitsmarkt“, sagt er.
Sein Studiengang ist renommiert, 95 Prozent der Absolventen finden innerhalb von drei Monaten nach dem Abschluss einen Job, 76 Prozent erhalten schon während des Studiums ein Angebot. Dennoch möchte Raunig lieber ein Unternehmen gründen. Nicht alle in seinem Umfeld seien so zielstrebig, was ihre Berufswahl betrifft. „Das treibt viele statt in einen Job anfangs in Praktika.“ Sein Tipp für einen besseren Einstieg: „Man muss in sich investieren, sich gute analytische Fähigkeiten aneignen und Kontakte knüpfen.“
Im Jobleben angekommen, ist das erste eigene Geld ein Meilenstein. Doch mit der Verantwortung kommt auch der Druck. Dem müssen Berufseinsteiger unbedingt motiviert entgegenwirken. Schwächeln, gerade am Anfang, sei nicht angebracht, sagt Alexander Wozak, Chef der Personalberatung HR Consulting, „aber nicht gerade selten“. In zahlreichen Einstellungsgesprächen habe er gesehen, dass angehende Arbeitskräfte zu früh die Früchte ihrer Arbeit ernten wollen. „Sie fordern eine ausgewogenere Work-Life Balance, viel Geld und Homeoffice – geleistet haben sie dafür aber noch nichts. Das kommt bei Arbeitgebern nicht gut an. Sie müssen sich erst einmal beweisen. Sie sollen deshalb nicht bis zur totalen Erschöpfung schuften – effizient, empathisch und ehrgeizig zu arbeiten, reicht.“
Um die Früchte tatsächlich zu ernten, brauche es mindestens vier bis fünf Jahre im Unternehmen, in denen man „reinbeißt“. Dann könne man – mit guten Argumenten – in Verhandlungen mit dem Vorgesetzten gehen. Stellt sich dieser quer und man frustriert an der Situation nur, müsse man überlegen, Job zu wechseln.
Verändern. Man muss Karrieren neu erfinden Steile Kaminkarrieren sind Geschichte. Sollte man diese als Berufseinsteiger heute noch erwarten, liegt man falsch, sagt Günther Tengel, Geschäftsführer von Amrop Jenewein. Für die nächsten drei bis fünf Jahre ortet er überhaupt einen Paradigmenwechsel in den Anforderungen an Job-Neulinge. „Für die Unternehmen werden sehr viel mehr die Potenziale eines Kandidaten zählen, als sein Know-how.“ Denn welche Berufe in den nächsten 30 Jahren wirklich gebraucht werden, wüsste man bei der Einstellung noch nicht. Jene, die später gebraucht werden wollen, müssten flexibel und offen für Möglichkeiten bleiben und sich mit der Zukunft auseinandersetzen.
Der eine Job für immer, der komme nicht mehr wieder. Wichtig sei es, sich ob der Veränderungen am Arbeitsmarkt als Berufseinsteiger nicht „depressiv zurückzulehnen, sondern sich breit aufzustellen und sich optimistisch mit den neuen Zeiten zu beschäftigen“, rät Tengel. Das bringt gute Chancen für Hochqualifizierte: Unternehmen würden künftig „lieber einen Top-Mitarbeiter für ein Jahr halten als einen durchschnittlichen für zehn Jahre“, prognostiziert Tengel.
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