Schlüsselqualifikationen dringend erwünscht
Die Fronten im Bereich der Lehrlingsausbildung verhärten sich zunehmend. Viele Lehrlinge beklagen sich über zu wenig
Aufmerksamkeit seitens der Ausbildner, diese wiederum prangern das schlechte Leistungsniveau der Lehrstellensuchenden an. Und dann sind da noch öffentliche Institutionen und Politiker, die ein düsteres Szenario für die nächsten Jahre zeichnen: "Es wird für die Betriebe immer schwieriger, begabte Jugendliche für die Lehrlingsausbildung zu gewinnen", so Helmut Dornmayr vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW).
"Dabei stehen wir erst am Anfang einer demografischen Trendwende. Der Fachkräftemangel, den wir jetzt in manchen Bereichen schon sehen, ist nur ein laues Lüfterl gegen den Sturm, der uns hier in den nächsten zehn Jahren erwartet."
Lücken
So soll es ab 2016 erstmals seit Langem mehr Berufsaussteiger als Einsteiger geben. Dornmayr: "Bis 2025 wird diese demografische Lücke voraussichtlich auf rund 40.000 Personen pro Jahr anwachsen, wobei diese Zahl natürlich auch von einer großen Unbekannten - der Zuwanderung - abhängt." Eine Entwicklung, die paradoxerweise (noch) einen Vorteil hat: Die Lehrstellenlücke wird kontinuierlich kleiner. "
Die bundesweite rechnerische Differenz beträgt mit derzeit 2764 bereits um knapp ein Drittel weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres", erklärt Alfred Freundlinger, WKÖ-Abteilung für Bildungspolitik. "Die Zahl der Lehrstellensuchenden hat im Vergleich zu August 2010 um 7,7 Prozent abgenommen, während die Zahl der offenen Lehrstellen um 9,3 Prozent zunahm". In
Salzburg und Tirol gibt es bereits einen Überhang an offenen Lehrstellen. Entsprechend sei es in diesen Bundesländern auch nicht möglich, die Zahl der Lehranfänger zu halten oder gar zu steigern. Freundlinger: "Nachdem die Zahl der Jugendlichen bis 2015 um weitere 15 Prozent sinken wird, ist bald mit einem Umschlagen des Marktes und einem Bewerbermangel zu rechnen."
Anforderungen
Dass viele Betriebe heute schon Probleme bei der Rekrutierung von Lehrsuchenden haben, dürfte nicht nur am teilweise schlechten Image der Lehre bei Jugendlichen und deren Eltern liegen, sondern auch an den deutlich gestiegenen Anforderungen an die Bewerber. Und zwar in allen Branchen und Bereichen. Max Fischer, Leiter der AMS Wien Geschäftsstelle für Jugendliche: "Das liegt einerseits am technischen Wandel und verstärkten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien, andererseits an den Strukturveränderungen der Wirtschaft." Aber auch an der zunehmenden Produktvielfalt sowie den gestiegenen Ansprüchen und einem größeren Qualitätsbewusstsein der Kunden.
Schlüsselqualifikationen
Allesamt Entwicklungen, die den Lehrlingen einiges abverlangen: So fordern viele Ausbildungsbetriebe neben "Selbstverständlichkeiten" wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Sorgfalt, selbstständigem Arbeiten und guten Umgangsformen möglichst auch noch gute Fremdsprachenkenntnisse sowie soziale und kommunikative Fertigkeiten - insbesondere die "
Schlüsselqualifikationen". Dazu zählen alle Fähigkeiten, die für die Berufsausübung wichtig sind, aber über das reine Fachwissen hinausgehen. Sie gelten heute in allen Wirtschaftsbereichen als "Schlüssel" zur erfolgreichen Bewältigung der vielfältigen Aufgaben und Funktionen. Die wesentlichen drei Gruppen:
Methodenkompetenz Die Methodenkompetenz ist das Handwerkzeug für die Umsetzung der fachlichen Grundlagen, das "Gewusst Wie" bei der Arbeit. Konkret geht es um alle Fähigkeiten, die notwendig sind, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen - z. B. logisches Denken, Informationen selbstständig beschaffen und strukturieren, zielgerichtetes Arbeiten, Problem eingrenzen, Alternativen finden, Arbeitsverfahren auswählen, Lösungsstrategien entwickeln etc.
Sozialkompetenz Die Sozialkompetenz bezieht sich auf den Umgang mit anderen - sie bezieht sich u. a. auf die Fähigkeit, in einem Team zusammenzuarbeiten, mit Lieferanten oder Geschäftspartnern zu kooperieren, aber auch auf Qualitäten wie Empathie und Verantwortungsbewusstsein sowie Konfliktbewältigungs- und Teambildungsstrategien.
Personalkompetenz Die Personalkompetenz umfasst alle auf die Persönlichkeit bezogenen Fähigkeiten, wie Eigeninitiative, Lernbereitschaft, Engagement, Motivation und Ausdauer sowie die Einstellung zur Arbeit.
Chancen
Trotz aller bildungsbedingten Mängel, fachlichen Beanstandungen und demografischen Lücken: Die in Österreich verankerte duale Ausbildung, also die Mischung aus Theorie und Praxis, wird von allen Beteiligten (Politik, Betriebe, Lehrlinge) geschätzt. "Für viele Jugendliche ist es wichtig, dass sie schon während der Ausbildung bezahlt werden und sich so ihr eigenes Leben aufbauen können", betont Rene Jellitsch, Landesschulsprecher der Berufsschüler. Immerhin beginnen 40 Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs hierzulande eine Lehre - ein Umstand, um den wir europaweit beneidet werden.
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