Sabbatical: Zwei Weltreisende berichten über ihre Auszeit

Waltraud Hable auf dem Pedra da Gávea in der Floresta da Tijuca in Rio de Janeiro
Auszeiten von der Arbeit haben längst ihren Hippie-Räucherstäbchen-Muff verloren. Trotzdem bleiben sie oft Wunschdenken. Zwei Reisende erzählen über ihre Erfahrungen.

„Danach bin ich mit bibbernden Lippen aus der Türe gegangen. Ich wusste, jetzt gibt es kein Zurück mehr“, berichtet die freie Journalistin Waltraud Hable im Zoom-Interview aus Rio de Janeiro dem KURIER in Wien.

Hable hatte viel zu verlieren, als sie ihren Job als Chefredakteurin gekündigt, ihre Wohnung untervermietet und sich ein Sabbat-Jahr genommen hat.

Elfeinhalb Monate reiste sie durch die Welt. Was sie dazu bewegt hat? „ An den Wochenenden lag ich im Bett, habe Netflix geschaut und war erschöpft vom Leben. Ich war nicht im Burnout, sondern im Bore-out. Mir hat die Perspektive gefehlt.“ So erklärt sie die Entscheidung, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere eine Auszeit zu nehmen und zu kündigen.

Sabbatical: Zwei Weltreisende berichten über ihre Auszeit

Hable in Tulum, Mexiko

Auszeit - wenn es zu spät ist

Nicht jeder oder jede entscheidet sich sehenden Auges für sich selbst: „Die meisten nehmen sich erst eine Auszeit, wenn es zu spät ist. Wenn sie vom Körper gezwungen werden, sich wieder zu spüren, weil sie krank werden und im Burnout sind“, erklärt der Auszeitberater Andreas Ebner. Er coacht und berät Menschen in der Vorbereitung und während einer Auszeit.

Hables Schritt zu kündigen und ein Jahr alleine zu reisen war radikal. „Ich empfehle meinen KlientInnen meistens, nicht sofort ihren Job zu kündigen“, so Ebner.

Es gibt unterschiedliche Gründe sich eine Auszeit zu nehmen. Der oft schon mit bitter-zynischem Lächeln ausgesprochene Begriff „Work-Life-Balance“ etwa, also eine Balance zwischen Arbeitszeit und Zeit für sich selbst zu finden, ist einer davon.

Sabbatical: Zwei Weltreisende berichten über ihre Auszeit

Andreas Ebner, Lebensberater, Auszeit- sowie Burnout-Coach  

Es muss sich um einen selbst drehen

„Egal welche Form der Auszeit man sich nimmt, wichtig ist, dass es sich dabei um einen selbst dreht“, erklärt Ebner. Eine bewusste Ich-Zeit in der Auszeit. Das kann ein Tag in der Woche, eine Woche im Monat, mehrere Monate oder gar ein ganzes Jahr am Stück sein.

„Wichtig ist nur, dass man weiß, wozu man sich eine Auszeit nimmt. Man muss sich ein Ziel setzen und das „Wozu“ beantworten können. Ansonsten kann eine Auszeit auch schief gehen“, erklärt der Auszeitberater.

Auch Markus Pruckner hat eine Auszeit gemacht – oder machen müssen. Eigentlich war der Plan in einer gemeinsamen Auszeit mit seiner Frau über den Atlantik zu segeln. Doch dann erkrankte sie und verstarb. Pruckner schlitterte in ein Burnout. Er war nun gezwungen sich wieder zu spüren, erzählt er.

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Markus Pruckner  bei einer seiner Kurz-Auszeiten im Wald. Auf dem Bild ist er  in den Donauauen

Statt 70 Stunden pro Woche nur mehr 25 oder 30

Statt über den Atlantik ging es für ihn in den Wald, „um die Blätter rauschen zu hören. Das war am Anfang absurd, ich habe die Stille und das Alleinsein nicht ausgehalten. Aber irgendwann ist der Knopf aufgegangen, wie eine Erleuchtung und ich habe erkannt, worum es mir in meinem Leben geht“, berichtet Pruckner.

Heute legt er regelmäßige Ich-Zeiten ein, arbeitet statt 70 Stunden in der Woche nur noch 25 oder 30, nimmt sich Zeit für sich selbst und ist, eigenen Angaben zu Folge, in der kürzeren Arbeitszeit effektiver und erfolgreicher als früher.

„Jeder sollte sich eine Auszeit nehmen, entweder viele kurze oder regelmäßige lange“, sagt Auszeitexperte Ebner. Also etwa, wie Pruckner, der sich mehrmals die Woche zurückzieht, oder wie Hable, die sich ein Jahr genommen hat, um sich in der Welt zu finden.

Nach den großen Etappen pausieren

Ebner weiß, wenn man älter wird, verändern sich die Erwartungen, die Lebenseinstellung und -umstände. Es wäre gut, wenn man nach den großen Etappen des Lebens pausiert und sich wieder selbst findet, erklärt Ebner. Also etwa nach der Schulzeit, nach dem Studium, in der Midlife-Crisis, vor der Pension.

„Ich würde mir wünschen, dass das alle machen. Man muss ja nicht ein ganzes Jahr pausieren. Das ist auch nicht für alle möglich“, so Ebner. Denn ein tatsächliches Sabbatical, also eine Freistellung vom Job mit der Sicherheit, dass man in diesen Job zurückkehren kann, ist selten.

In Österreich gibt es zwar für Angestellte im Öffentlichen Dienst diese Möglichkeit, in der Privatwirtschaft aber gibt es keine gesetzliche Grundlage dafür. „Echte Sabbaticals habe ich in der Privatwirtschaft selten erlebt, da braucht man schon einen sehr lieben Arbeitgeber“,so Ebener.

Viele trauen sich daher nicht, weil sie Angst vor den Konsequenzen haben, etwa nach der Pause keinen Job mehr zu finden, und „man muss ja danach auch noch von etwas leben“. Auch die Journalistin hat bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber nach einem Sabbatical gefragt, wusste aber schon im Vorhinein, dass die Sterne dafür schlecht stehen.

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Waltraud Hable auf  ihrer Reise nach  Mexiko

 

Weltreise um 42.000 Euro

„Ich habe für diese Weltreise 42.000 Euro gebraucht. Ich habe mir auch ein Rückkehrgeld auf die Seite gelegt, denn ich wusste, die Job suche im Anschluss könnte schwierig werden“, und das war sie auch, berichtet Hable. Ihre Reise wäre aber deutlich günstiger gegangen, das weiß sie auch.

„Dass man dafür Geld braucht, lässt sich nicht von der Hand weisen. Aber es kann jeder machen, wenn er will“, sagt die freie Journalistin. Unter WeltenbummlerInnen heißt es, im Schnitt braucht man etwa 20.000 Euro für ein Jahr, das sind also etwa 55 Euro pro Tag. Über Work & Travel oder Volunteer-Jobs lässt es sich aber auch günstiger reisen.

Trotzdem: Eine Auszeit ist eine Investition in sich selbst, die Hable nicht missen möchte. Mittlerweile hat sie alle Brücken in Wien abgebrochen und lebt als Nomadin auf der ganzen Welt. „Ich bereue nichts“, sagt Hable. Auch Pruckner verdankt seiner Auszeit viel: „In diesen Auszeiten passiert etwas im Gehirn. Heute lasse ich mich treiben und genieße das Leben.“

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