Robert Seethaler: Das Café ohne Namen
Das Viertel um den Karmelitermarkt war eines der ärmsten und schmutzigsten Wiens – zumindest in den 1960er-Jahren, als der Krieg sich noch an den verstaubten Fenstern abzeichnete. Hinter einem dieser Fenster beschließt der 31-jährige Robert Simon, ein Café zu eröffnen. Bislang hat er sich mit Gelegenheitsjobs finanziert, war zufrieden mit dem Leben und doch erfasst ihn der Aufbruch, der in dieser Zeit so prägend war.
Trotz spärlicher Speisekarte und fehlendem Lokalnamen kommen die Gäste – der Fleischermeister und die Händler von nebenan, die Schichtarbeiter und die Mädchen aus der Garnfabrik. Unter ihnen: die Hilfsnäherin Mila Szabica, die mit einem Zettel durch die Stadt lief, um endlich eine Arbeit zu finden. Fündig wird sie im namenlosen Café. Nicht nur sie wächst dem Neo-Gastronomen in Robert Seethalers neuem Roman mit der Zeit ans Herz, sondern auch das Lokal, das ihm zu Beginn so viel Angst bereitet hat.
Vielleicht weil die Gäste das einst verstaubte Café mit so viel Leben und ihren eigenen Geschichten füllen. Etwa die Kriegerwitwe, die - als das Geschäft im Winter schlecht läuft - Robert Simon eine zündende Geschäftsidee vorschlägt. Er würde nur den besten Punsch aller Zeiten anbieten müssen. "Wenn man weiß, wie es geht, ist nichts dabei", sagt sie zuversichtlich. Die Gäste kämen dann wieder wie von selbst.
Es dauerte nicht lange und die Sache sprach sich rum. Das Café ohne Namen füllte sich. So lange bis die Temperaturen milder wurden und die Gäste wieder seltener einkehrten. Diesmal aber blieb Robert Simon ruhig. Schließlich war er der Wirt und das war sein Café. Und Herausforderungen wird es noch genug geben.
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