Wir befinden uns im Streit. Jeder präsentiert seine besten Argumente. Noch bevor der eine ausgesprochen hat, setzt der andere mit seinem „Ja, aber ...“ nach. Die Konfliktscheuen werden sich nach ein paar Runden geschlagen geben. Die Konfrontativen sich weiter in ihren Strudel hineinreden, bis das Gegenüber erschöpft einlenkt. Oder – wenn es sich um einen Sturkopf handelt – nichts zurückbleibt, außer verbrannte Erde.
Zufriedenstellend ist so ein Verlauf jedenfalls für beide Seiten nicht, weiß Marie-Theres Braun. Sie ist Trainerin für Rhetorik und Verhandlungsführung, berät internationale Unternehmen und lebt in Stuttgart. Ihr Hobby: Mit Querdenkern diskutieren, um das eigene Überzeugungsgeschick fit zu halten. Denn wie man Rechthaber dazu bringt, die eigene Meinung zu revidieren, hat sie längst herausgefunden. Und ihre Erfahrungen in ein soeben erschienenes Buch gepackt.
Doch bevor auch nur eine ihrer insgesamt 28 Techniken zum Einsatz kommt, gilt es, eine Entscheidung zu treffen, sagt sie im KURIER-Interview. „Will ich die andere Person überzeugen oder sie als Idiot darstellen?“
Einfach mal recht geben
„Oft wollen wir Menschen gar nicht überzeugen, sondern nur unsere Wut rauslassen“, erklärt Braun ihre Aussage. „Wenn wir das tun, wird sich die andere Person aber nicht dafür bedanken. Oder gar überlegen, ob man einem recht geben kann.“ Wer seinen Standpunkt durchsetzen möchte, muss also einen anderen Weg einschlagen.
Reden Sie öfter mal mit Kotzbrocken. Erst mit kleinen, dann mit großen.
von Marie-Theres Braun
„Rechthaber wollen nicht überzeugt werden, sie wollen recht haben“, sagt Braun. Daher müsse man sich zunächst selbst einen Zacken aus der Krone brechen und einlenken. „Alle Methoden basieren darauf, der anderen Person zunächst recht zu geben, und nach ihrer Meinung zu fragen“, merkt Braun an. „Wandle ich meine Argumente in Fragen um, kann sich mein Gegenüber auslassen und erzählen.“
Erst wenn Sturköpfe wüssten, dass man ihre Seite versteht und wertschätzt, wären sie bereit, einem neuen Argument Gehör zu schenken. Kooperative Durchsetzungsfähigkeit nennt das die Verhandlungsexpertin. Und nur die führt ans Ziel.
Der rosarote Filter
Wer bereits Übung im Nachfragen hat, kann die nächste Stufe zünden und lernen, wie diese auch wirklich zu stellen sind. Nämlich mit dem positiven Filter, sagt Marie-Theres Braun. „Wir sind darauf gepolt, Fragen mit dem negativen zu stellen“, sagt sie und gibt ein Beispiel. Bekommt man nach einem Bewerbungsgespräch eine Absage, neigt man dazu, „Warum nicht?“ zu fragen. Doch hier liegt der Fehler.
Denn das Gegenüber wird genügend Argumente parat haben, sich zu erklären. Besser ist es, die Person auf das Positive zu lenken: „Was hat Sie an mir überzeugt, als Sie mich eingeladen haben?“, wäre die rosarote Alternative. Natürlich garantiert das keine direkte Anstellung, sagt Braun. Aber „ich bringe die Person dazu, nachzudenken, was einmal für mich gesprochen hat.“ Antworten darauf könne man für sich nützen und neue Argumente vorbringen. „Die Chance steigt, dass ich zurück auf dem Spielfeld bin.“
Die Techniken, die im persönlichen Disput gelten, gelten online auch. "Nur noch viel stärker", erklärt Marie-Theres Braun. Denn um in der schriftlichen Kommunikation nicht missverstanden zu werden, müsse man viel freundlicher, netter und respektvoller sein.
Warum? Weil Körpersprache und Stimme fehlen und dieses Vakuum durch Interpretation gefüllt wird. "Man hat festgestellt, dass die Interpretation die negativst mögliche ist", merkt die Kommunikationstrainerin an.
Was das bedeutet? Nachdem ein Text geschrieben wurde, sollte man sich immer folgende Frage stellen: Welche ist die negativste Unterstellung, die man in diesen Text legen könnte? Im Idealfall lässt man den Text ruhen, liest ihn später noch einmal oder bittet jemand anderen um seine Einschätzung. Erst dann schickt man ab.
Mit Paraphrasieren ans Ziel
Ebenfalls wirkungsvoll sei das Paraphrasieren – also in eigenen Worten wiederzugeben, was die andere Person gerade gesagt hat. „Es ist verblüffend, wie falsch wir uns verstehen, wenn wir anderer Meinung sind“, sagt Braun.
Tobt der Chef also in der nächsten Sitzung, könnte man probieren, sein Anliegen in neue Worte zu gießen, indem man sagt: „Sie sind enttäuscht und hätten sich von uns mehr Hilfe gewünscht.“ Missverständnisse werden so aus dem Weg geräumt und die Basis für ein kooperatives Gespräch geschaffen. Leicht ist es natürlich nicht, die eigenen Emotionen hinten anzustellen, weiß Braun. Doch wer es üben will, sollte öfter mit „Kotzbrocken“ reden, rät sie. „Erst mit kleinen, dann mit großen.“ Der Effekt sei vielversprechend.
Die unvernünftige Mitte
Das Ziel eines jeden Disputs muss sein, eine Lösung zu finden, mit der beide einverstanden sind. Nicht gemeint ist ein Kompromiss, also die „vernünftige Mitte“, sagt die Rhetorikerin und denkt an die Pandemie: „Wenn die einen einen Lockdown wollen und die anderen nicht, ist ein bisschen Lockdown auch nicht des Rätsels Lösung.“
Schaffen wir es aber, die eigene Meinung durch zu viel Schlagfertigkeit nicht als klüger oder objektiver darzustellen und stattdessen zuzuhören, werden vielleicht auch andere Gefallen daran finden.
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