Showtime bei 100 Grad: Die unglaubliche Welt der Profi-Saunameister
Barfuß drängen sich achtzig Paar Beine durch den schmalen Eingang. Verlassen den kalten Steinboden, fühlen das warme Holz unter sich. Klettern in die oberen Reihen oder bleiben in den unteren, in Ofennähe. Fast Haut an Haut wird Platz genommen, Ruhe macht sich breit. Nur beim Saunameister steigt der Puls. Gegen Nervosität soll ja helfen, sich das Publikum nackt vorzustellen. Hier ist es das tatsächlich.
Ein Schauspiel bei 90 Grad und mehr
Auftritt Bernd Hofbauer. In seiner linken Hand ein Koffer, in der rechten eine bunte Aufgusskelle. Er trägt Hut, Perücke und unter dem roten Samtmantel mehrere Lagen Kleidung. Ausziehen ist leichter als Anziehen. Vor allem bei 90 Grad. Das Publikum klatscht und bekommt eine kurze Anweisung. Es soll rausgehen, sollte es zu heiß sein, die Atemwege im Freien abkühlen. Duschen, bevor es ins Becken springt. Und jetzt die Show genießen. Gut schwitz!
Knapp 15 Minuten lang wandelt sich die Panorama-Sauna in die Welt des Schokoladefabrikanten Willy Wonka. Bernd Hofbauer singt, spricht Dialoge, wechselt Kostüme und wirbelt Zuckerldüfte mit rotierenden Handtüchern in die Luft. Schokolade gibt es erst beim Verabschieden. Die hätte man sonst nur in Kakaoform zu sich nehmen können.
Es ist einer von insgesamt 90 Aufgüssen des ersten, dreitägigen Saunafestivals im Loipersdorfer Schaffelbad.
Die Super-Wedler am Saunafestival
Vom klassischen Entspannungsaufguss über Kulinarik-Zeremonien mit Stelze oder Uhudler-Frizzante bis hin zur großen Show ist alles dabei. Und soll nach dem großen Andrang künftig zweimal im Jahr stattfinden, verrät Thermen-Geschäftsführer Philip Borckenstein-Quirini.
Er hat großes Interesse daran, Vorreiter in der österreichischen Saunakultur zu sein. Das Schwitzen beliebter und vor allem noch besser zu machen. Damit steht er in der Branche nicht alleine da.
Jetzt sind die Saunameister gefragt
„Das Publikum wird immer älter und immer weniger“, berichtet Günter Weisgram vom Österreichischen Saunaforum dem KURIER. Also sucht man Wege, die jüngere Generation wieder für die Sauna zu begeistern. Und jene, die von Amateuraufgüssen verschreckt wurden, wieder zurückzulocken.
Saunameister Bernd Hofbauer
Neben dem klassischen Entspannungsaufguss sind die Show-Aufgüsse die Königsklasse der Saunameister. Hier Bernd Hofbauer alias Willy Wonka
Saunameister Alexander Wöhrer
Alexander Wöhrer mit seinem "Firefighter"-Aufguss. Darin versucht ein Feuerwehrmann eine Familie aus den Flammen zu retten, erleidet aber einen Unfall und muss sich zurückkämpfen
Saunameisterin Ditta Kiss
Die amtierende österreichische Staatsmeisterin im Wedeln Ditta Kiss zeigt in ihrem Themen-Aufguss "Ja" die Höhen und Tiefen der Liebe
Saunameister Christian Klotzner
Christian Klotzner als Rafiki im Show-Aufguss "Circle of Life"
Denn beim Saunagang kaum Luft zu bekommen, die Haut brennen zu spüren und vom Wedler nur die Hitze ins Gesicht gepeitscht zu bekommen, ist nicht normal. Und würde unter Aufsicht eines professionellen Wachlers nie passieren. Noch schlimmer ist für Kenner nur der Einsatz von synthetischen Düften statt ätherischen Ölen oder selbst gemachten Hydrolaten. „Da atmet man 99 Prozent Alkohol ein“, sagt Bernd Hofbauer. „Man ruiniert sich die Lunge mit dem Zeug.“
Privat flüchtet er deshalb aus Aufgüssen, wenn kein Profi am Werk ist. Aber nutzt es als Motivation, die österreichische Saunakultur inklusive Saunameister-Ausbildung nachhaltig zu verbessern.
Kurzer Ausbildungsweg zum geprüften Wachler
Die meisten Saunameister starten ihre Karriere auf Youtube (Hofbauer empfiehlt den Kanal Aufguss.it). Lernen aus Videos, wie die Basistechniken funktionieren.
Starten mit dem „Helikopter“, ergänzen dann die „Fahne“, machen die „Pizza“ und so weiter. Schon bei den fließenden Übergängen zwischen den Figuren, trennt sich die Spreu vom Weizen. Es fordert viel Übung, Kraft und Talent. Das doppelt gefasste Wedeltuch ist schwer, die Koordination eine Herausforderung, wie die Autorin des Artikels nach einigen gescheiterten Wedel-Versuchen bestätigen kann.
Die Wedel-Figuren
Ernst wird es für Wachler ab dem Saunawart. Ein Kurs, der drei Tage dauert und laut AMS 320 Euro kostet. Er ist die Voraussetzung, um professionell Aufgießen zu dürfen. Man lernt die Saunageschichte, wie sich Hitze richtig steigern lässt und die Hygienevorgaben. Rund 70 Personen sollen jährlich die Ausbildung absolvieren, wird geschätzt. An österreichischen Saunaakademien lassen sich Zusatzkurse wie „Aufgussmeister“, „Wacheltechnik“ und „Duftkundekurs“ belegen. Aber die sind freiwillig und gehen ins Geld.
Bernd Hofbauer hat bislang 12.000 Euro in seine Ausbildung gesteckt, erzählt er. Rechnet er Materialkosten, Öle, Kostüme und Anfahrtskosten hinzu, kommt er locker auf 25.000 Euro. Die hauseigene Garten-Sauna, in der er mit anderen Aufguss-Profis mehrmals die Woche trainiert, noch nicht einberechnet.
„Ich habe sicher mehr Ausgaben als Einnahmen damit“, sagt Hofbauer. „Aber es ist halt mein Hobby, mein Ausgleich. Andere gehen Golfspielen, investieren auch viel Geld, aber ich mache etwas, das gut für meine Gesundheit und die der anderen ist.“
Saunameister Christian Klotzner bereitet seinen nächsten Aufguss vor
Professionelle Saunameister arbeiten mit ätherischen Ölen oder selbst gemachten Hydrolaten
Zu dritt wacheln
Das Trio Alexander Wöhrer, Christian Klotzner und Bernd Hofbauer (von links) vertrat Österreich heuer im Team-Aufguss bei der Sauna-WM
3 Tage, 90 Aufgüsse, 7 Saunameister
Diese sieben Saunameister und Saunameisterinnen heizten dem Saunapublikum drei Tage lang ein
Aufguss-Arten
Natürlich gab es nicht nur Show-Aufgüsse, sondern auch Entspannungs-, Kulinarik- oder Wenikaufgüsse
Professionelles Wacheln: Teures Hobby statt Beruf
Bernd Hofbauer ist selbstständiger Gärtner in einem Großenzersdorfer Familienbetrieb. Hauptberuflich Wedeln, kann er sich aus finanziellen Gründen nicht vorstellen. „Man verdient viel zu wenig, für das, was man macht.“ Pro Aufguss gibt es meist zwischen 50 und 100 Euro, erzählt er. In den Bundesländern sind Pauschalbeträge verbreitet. Oft einigt man sich aber auf einen Gratis-Aufenthalt für sich und die Familie.
Die geringe Bezahlung wäre historisch gewachsen, sagt Günter Weisgram vom Saunaforum: „Die Struktur ist bei uns eine andere. Wir haben sehr viele öffentliche Bäder, die über große Betreiber laufen. Dort leistet man sich keinen eigenen Aufgießer. Stattdessen sind es meist die Aufsichtspersonen, die wedeln.“ Insbesondere im Osten Österreichs würde man auf professionelle Wedler wenig Wert legen.
Tonangebend wäre der Westen, wo viele Betreiber von Vier- und Fünfsternehotels mittlerweile das große Potenzial erkennen. Ländern wie Polen, Ungarn oder Tschechien würde man trotzdem noch nicht das Wasser reichen können. „Dort ist der Saunameister ein wirklicher Beruf“, erklärt Weisgram. „Die Einstellung zur Tätigkeit und zu den Fähigkeiten ist eine andere. Sie werden stark weitergebildet, was das Wedeln und Aufgießen betrifft.“
- Die Saunakultur soll ihren Ursprung in Finnland haben. Dort wird in der Sauna über Geschäfte geredet, verhandelt, gelacht und es werden sogar Kinder zur Welt gebracht. Saunameister gibt es dort aber nicht
- Saunameister führen die Aufgüsse durch, bedienen und überwachen die Anlagen. Hier ist viel Expertise gefragt
- Die Ausbildung: Voraussetzung ist der Saunawart (dreitägiger Kurs), der in Österreich häufig in Verbindung mit dem Badewart steht. Kosten: Rund 300 €
- Die Wettbewerbe: Professionelle Aufgießer nehmen häufig an Wettbewerben teil. U. a. an der Staatsmeisterschaft oder den „Aufguss Masters“ vom Österreichischen Saunaforum. Hier qualifiziert man sich für die Aufguss-WM
- Aufguss-WM: Hier zählt die Show mittlerweile mehr als die Wedeltechnik. Punkteabzug gibt aber es jedenfalls beim „Towel-Drop“ (wenn das Handtuch zu Boden fällt)
Die Kärntnerin Christa Holzinger ist die Einzige der sieben Saunameister auf dem Festival, die mit dem Wacheln sogar eine 20-Stunden-Anstellung ergattert hat. Bei Alen Pikon, einer Aufguss-Ikone Österreichs. „Ich bin vier- bis fünfmal die Woche in verschiedenen Hotels eingeteilt. Mache meistens zwei bis drei Aufgüsse pro Tag, den ersten um 15.30 Uhr“, sagt sie. Nebenbei arbeitet Holzinger selbstständig als Yogalehrerin.
Ditta Kiss, amtierende österreichische Staatsmeisterin im Wedeln, ist Heilmasseurin, liebt ihren Job. Das Wacheln sieht sie als die perfekte Ergänzung. „Ich kann den Leuten so viel geben, von meinem Herz, meinen Gefühlen“, schwärmt sie und macht sich im bauchfreien Hochzeitskleid auf zu ihrem nächsten Themen-Aufguss.
Im Team zum Erfolg
„Wir sind keine allzu große Familie“, sagt Bernd Hofbauer. Aber wir werden immer mehr.“ Er schätzt, dass es in Österreich höchstens 50 Saunameister gibt, die ihr Hobby, so wie er, professionell betreiben oder sogar zum Beruf gemacht zu haben. „Es sollte ein Lehrberuf werden oder zumindest eine längere Ausbildung geben, bevor man auf die Leute losgelassen wird“, fordert er.
Bis es so weit ist, gießt er weiter auf. Nimmt an Wettbewerben teil. Lernt von den Besten und gibt sein Wissen an den Saunameister-Nachwuchs weiter. Mit Erfolg: Denn – auch wenn es viele nicht wissen – Bernd Hofbauer, Christian Klotzner und Alexander Wöhrer vertraten Österreich heuer im Team-Aufguss bei der Sauna-Weltmeisterschaft in den Niederlanden. Schafften zwar keinen Stockerlplatz, aber zeigten mit ihrem Show-Aufguss „Never give up“, was die österreichische Saunaszene so drauf hat.
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