Fußball-Ikone Christiano Ronaldo macht es. Ex-First Lady Michelle Obama und Pop-Superstars wie Ed Sheeran und Miley Cyrus auch. Sie alle schwören auf den Reformer. Ein Trainingsgerät, das derzeit die Großstädte bewegt und einen wahren Fitnesshype ausgelöst hat. Ein Studio folgt aufs Nächste, auch in Österreich. Doch es ist nicht der erste Trend, der plötzlich Fitnesswellen schlägt – und schnell wieder vorbei sein kann. Wir erinnern uns:
In den anfänglichen 2010er-Jahren erlebte das EMS-Training ein Hoch. Gefühlt an jeder Straßenecke ließen sich Menschen, in Ganzkörper-Anzüge gesteckt, Elektroimpulse in die Muskulatur jagen. Heute macht das kaum noch jemand. Selbiges Schicksal ereilte die Power Plate. Eine vibrierende Platte, die in Form bringen soll. Mittlerweile hat es sich ausgeschüttelt und gerüttelt. Die Studios sind zugesperrt. Andere bestehen über ihren Boom hinweg, überdauern sogar Jahrzehnte.
Spinning (Radfahren mit immer drehendem Schwungrad), ein Trend der 1990er-Jahre, gibt es mit Disco-Feeling und lauter Musik bis heute. Und ist vielleicht gefragter denn je. Warum das so ist und wie Studios sich halten, wenn der große Ansturm vorbei ist, erzählen vier Wiener Fitness-Betreiber. Die einen haben die Trendwelle bereits gut überstanden. Die anderen sind mittendrin.
Komplett ausgebucht: Die Reformer-Sessions bei JUNE
Wer einen Platz bei JUNE ergattern will, muss früh dran sein. Seit dem Öffnungstag im Juni 2023 sind die Reformer-Workouts stets ausgebucht. Hier wird mit fließenden Bewegungen auf einem beweglichen Schlitten (dem Reformer) mit Zusatzgeräten wie Seilzügen und Federn trainiert. Kürzlich folgte ein zweites Studio, um die Nachfrage zu decken. 80 Kurse pro Woche umfasst das Angebot jetzt, rund 30 Euro kostet eine 55-minütige Einheit. Viele sind bereit, diesen Preis zu bezahlen.
„Unsere Kunden sehen den Effekt, wie sich der Körper verändert“, erklärt Co-Gründerin Julia Schedlberger. Schon deshalb ist die Unternehmerin überzeugt, dass der Reformer ein Fixpunkt in der Fitnessroutine bleiben wird. Hinzukäme, dass sich der Zugang zu Fitness seit Corona verändert hat. „Es zählt zur Freizeitgestaltung, man trifft sich zum Sport statt zum Fortgehen in der Bar.“
Julia Schedlberger gründete mit Sebastian und Nina Prödl JUNE (von links). 2023 eröffnete das erste Studio beim Parlament. Im Oktober 2024 folgte Studio zwei - das Townhouse, ebenfalls in 1010 Wien.
Das bestätigt auch WKO-Fitness-Branchensprecher Christian Hörl, der vor allem in der jüngeren Zielgruppe Zuwächse erkennt. „In den vergangenen 25 Jahren ist Fitness und Gesundheit zu einem zentralen gesellschaftlichen Thema geworden.“ Mitgliedschaften in Studios wachsen deutlich. Trotzdem ist Hörl skeptisch, ob Trends wie Reformer gekommen sind, um zu bleiben. „Ich will nicht pessimistisch sein, aber bin ein bisschen in Sorge, ob das auf Dauer genug Variation bietet“, sagt er.
Aus der Box rausgewachsen: Crossfit
Variation bietet Crossfit mit seinen abwechslungsreichen Krafttrainings gewiss. Ab 2010 kam es in Österreich zum großen Boom. In kleinen Geschäftslokalen eröffneten die sogenannten „Boxen“, die mit kargem Setting und angelaufenen Fensterscheiben zeigten: Dieses Training ist hart. So hart, dass es Interessenten hätte abschrecken können. Doch der Hype hält an und nimmt gerade wieder Fahrt auf. Wie?
Indem man sich vom reinen Intensitätsgedanken verabschiedet hat. Stattdessen steht Gesundheit im Fokus, erklärt der österreichische Crossfit-Pionier Sebastian Rieder. Bestand die Kundschaft anfangs nur aus auftrainierten Sportskanonen, will man heute alle Fitnesslevel erreichen. Auch jene Personen, die seit Jahren keinen Sport betrieben haben. Beim KURIER-Besuch im soeben eröffneten Studio in der Hernalser Hauptstraße bestätigt sich das. Eltern trainieren, während das Baby im Wagerl daneben schläft.
Sebastian Rieder eröffnete 2009 mit CrossFit Vienna eines der ersten Crossfit-Studios in Österreich. Heute hat er drei Studios in Wien.
Das Verkaufsargument, das für Crossfit und auch die anderen Trendsportarten spricht: Es findet in einer Gemeinschaft statt, angeleitet von Profis. „Leute brauchen das, speziell am Anfang. Dass jemand da ist, der den Weg vorgibt. Kontrolliert, ob Übungen richtig ausgeführt werden“, sagt Rieder. Ein weiterer Bonuspunkt: Der Spaßfaktor. „Dieses gemeinsame Leiden verbindet und motiviert“, scherzt er. Das Erfolgsrezept bedient seit sieben Jahren auch Shaped by IB. Wobei man dort eine andere Klientel anspricht.
Die Trends im Blick behalten muss auch das Intervalltraining
Hier trainieren Models, Influencer und all jene, die diesen Lifestyle zelebrieren. Nach dem HIIT-Workout (Hochintensives Intervalltraining) mit Clubatmosphäre und lauter Musik wartet der individuell abgestimmte Protein-Smoothie bei der hauseigenen Bar. Wie bei JUNE waren auch bei Shaped by IB die Kurse ab der ersten Stunde überrannt – und ausgebucht. Das hat sich mittlerweile beruhigt. Aus gutem Grund.
Das Sport-Studio Shaped by IB wurde 2018 von Ivo Buchta (im Bild), Christian Szalay sowie Thomas Kreuzhuber gegründet.
„Unser Angebot ist einfach extrem groß geworden, dadurch ist es angenehmer, Plätze zu bekommen“, erklärt der Co-Gründer Ivo Buchta, der bis Jahresende insgesamt vier Studios in Wien betreiben will. Und nicht ausschließt, weiter zu expandieren. Auch in 15 Jahren ist er überzeugt, dass Shaped by IB noch bestehen wird. Weil er eine konkrete Unternehmensphilosophie verfolgt.
„Wir integrieren jedes Jahr zwei neue Dinge, die es vorher nicht gab. Immer angelehnt an unser Grundkonzept.“ Was das bedeutet? 2020 setzte man etwa Corona-bedingt aufs Online-Training, vergangenes Jahr baute man den plötzlich beliebten Reformer ins Kursangebot ein. Und heuer steht alles im Zeichen von Hyrox. Das ist ein Wettkampf, der Kraft- und Ausdauerübungen kombiniert und jetzt die Fitnessszene weltweit erobert.
Trends im Blick zu behalten und ins Angebot zu integrieren würde viele neue Kunden anlocken oder bestehende halten, erkennt Buchta. Sind sie nicht mehr gefragt, werden sie gestrichen bzw. mit neuen Trends ersetzt. Und da bahnt sich in Wien gerade etwas Neues an.
Der Trend vor der Welle: Rudern zum Massensport machen
„Es ist noch kein Trend. Wir sind quasi vor der Welle“, sagt Immobilienberater Franz Pasler. Gemeinsam mit dem Galeristen Sebastian Suppan wagt er jetzt offiziell den Schritt in die Fitnessbranche. Mit einem großen Knall.
ROW INC. eröffnet im ehemaligen Dianabad (seit 2020 geschlossen), im zweiten Wiener Bezirk. Vor vier Wochen bekamen sie nach langer Verhandlung den Schlüssel. Seitdem arbeiten sie rund um die Uhr an der Eröffnung. Am 5. Mai ist es so weit. Dann verwandelt sich das frühere Erlebnisbad in einen Ruderclub, der ohne Wasser auskommt und ein Ganzkörper-Work-out bietet.
ROW INC. hat sich die spektakuläre Kulisse des Dianabads gesichert. Im ehemaligen Wellenbecken wird gerudert. Zwanzig Geräte pro Einheit können besetzt werden.
Gecoacht werden die Besucher u. a. von Nationaltrainern des österreichischen Ruderverbands. Profi muss man keiner sein, im Gegenteil. Die wenigsten Österreicher hätten schließlich Rudererfahrung. Das Interesse, daran etwas zu ändern, besteht – das testeten die Gründer vorab in zwei Pop-up-Studios. Und waren gut gebucht. Allerdings gab es nur sechs Ruderplätze, im Dianabad sind es jetzt zwanzig. Diese mehrfach am Tag zu füllen, ist jetzt das Ziel. Wie das gelingen soll?
„Die Location trägt auf jeden Fall dazu bei, die Neugierde zu wecken“, ist Sebastian Suppan sicher. Immerhin bleibt das Bad, in all seinen Details erhalten, Piratenschiff inklusive. Nur im Wellenbecken stehen nun in voller Symmetrie die teuren Rudergeräte (3.500 Euro das Stück). Darüber hängen Installationen von zeitgenössischen Künstlern. „Es ist alles hochwertig kuratiert“, erläutert der Galerist, der sich so von anderen Anbietern abheben will. Um Kunden in der Anfangszeit anzulocken, setzt man auf Influencer, bietet geschlossene Einheiten für Unternehmen und gestaltet den Preis bewusst niedriger als erwartet. 24 Euro kostet eine Einheit à 45 Minuten. Teurer will man nicht werden, weil die Schwelle zum Luxus schnell übertreten ist.
Ob und wie lange sich Ruderkurse, Hyrox-Hypes und Reformer-Sessions halten, lässt sich pauschal nicht beantworten. Wenn auch die Zahlen keinen allzu rosigen Ausblick bieten. Denn Nischen-Angebote, in der Eckdaten-Studie der Wirtschaftskammer als Mikrosegment bezeichnet, waren in den vergangenen Jahren am absteigenden Ast. Während große Studios und Ketten sich konstant hielten oder sogar ausbauten, reduzierten sich Angebote wie Zirkeltraining, EMS und Mrs.Sporty drastisch. 2021 ordnete die WKO von insgesamt 1.320 Studios noch 209 diesen Nischenbereichen zu. Zuletzt waren es nur mehr 164, neue Zahlen gibt es erst wieder Ende Mai.
Sich auf einem Trend ausruhen, wird also kaum langfristig funktionieren. Die Menschen sind stets auf der Suche nach Neuem, bestätigen die Studio-Inhaber. Relevant und interessant bleiben nur die, die an der Kundschaft dran sind. Und bemerken, wenn sich diese mit ihren Sporttaschen woanders hinbewegt.
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