Psychologin Christa Schirl erklärt, warum Ziele nicht immer sinnvoll sind

Psychologin Christa Schirl erklärt, warum Ziele nicht immer sinnvoll sind
Neues Jahr, neue Vorsätze: Und wieder werden die meisten Menschen daran scheitern, diese dauerhaft durchzuziehen. „Weil viele das Vorhaben falsch angehen“, meint Psychologin Christa Schirl.

KURIER: Frau Schirl, können Sie mir erklären, warum ich mir jedes Jahr aufs Neue vornehme, gesünder zu essen, meinen Schreibtisch ordentlich zu halten und ungeliebte Arbeiten nicht mehr aufzuschieben –  nur um dann festzustellen, dass die guten Vorsätze im Laufe der Monate wieder auf der Strecke geblieben sind?
Christa Schirl: Das liegt vermutlich daran, dass Sie die  Sache falsch angehen. Einmal den Schreibtisch aufräumen ist einfach, jeden Tag den Schreibtisch aufgeräumt zu hinterlassen, ist eine Kunst. Man weiß heute aus der Forschung, dass es sinnvoller ist, statt konkreten Zielen die Werte zu verfolgen, die hinter den Zielen liegen. Machen Sie sich besser Gedanken darüber, was Ihnen wichtig ist.

Vorsätze, wie jede Woche seinen Schreibtisch aufzuräumen oder sich in der Mittagspause sportlich zu betätigen, sind also zum Scheitern verurteilt?
Im Grunde schon. Sagen Sie sich aber beispielsweise, dass es Ihnen wichtig ist, fit und gesund zu sein, haben Sie einen Wert festgelegt, der  Sie in der Mittagspause vermutlich eher zum Salat als zur fettigen Pizza greifen lässt, eher die Treppen als den Aufzug nehmen lässt, oder  Sie dazu bringt, die Mittagszeit zu nutzen, um um den Block zu laufen. Definieren Sie als Wert, mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen, dann kann es etwa leichter fallen, dauerhaft effizient zu arbeiten, um die Arbeit schneller abzuschließen und schneller wieder zuhause zu sein. Was ich damit sagen will: Machen Sie sich bewusst, warum Sie welche Ziele haben. Dann lassen sich diese leichter umsetzen.

Das klingt eigentlich einfach. Ist das wirklich das Geheimnis?
Natürlich gibt es beim Definieren der Werte einiges zu beachten.  So müssen sie zum einen in Ihrer eigenen Kompetenz  liegen. Sie können sich nicht vornehmen, dass Ihr Chef immer nett zu Ihnen ist oder dass Sie mit einer Körpergröße von 1,60 Metern eine professionelle Basketballkarriere hinlegen. Außerdem rate ich, sich die wichtigsten Werte zu notieren und mit diesen regelmäßig in Verbindung zu treten über  unterschiedlichste Sinne. Wenn wir beim Wert „fit und gesund“ bleiben: Überlegen Sie sich beispielsweise ein Symbol dafür und hängen Sie sich dieses an die Pinnwand über den Schreibtisch. Oder erstellen Sie eine Playlist, die den Wert für Sie verkörpert und hören Sie sich diese regelmäßig an. So stellen Sie sicher, dass der Wert und die damit verbundenen Ziele nicht aus dem Gedächtnis verschwinden. 

Und wie viele dieser Werte sollte man definieren?
Weniger ist mehr. Am besten ist ein Wert, den Sie konsequent verfolgen, maximal aber drei.
Diese sollte man sich doch eigentlich gut merken können.
Naja, denken Sie einmal an die Plakatwände auf der Straße. Diese werden alle 14 Tage erneuert, weil alles, was wir öfter sehen, von uns Menschen nicht mehr bewusst wahrgenommen wird. Wir schauen praktisch durch sie hindurch. Alles was neu ist, erregt hingegen unsere Aufmerksamkeit. Wenn Sie also Werte und Ziele verfolgen, ist es sinnvoll, diesen regelmäßig den Hauch von Neuem zu verleihen. Hängen Sie den Zettel mit den verschriftlichten Werten an einen neuen Ort oder überlegen Sie sich neue Symbole dafür. So treten Sie mit diesen immer wieder in Verbindung. 

Und wie lange dauert es, bis ich eine solche Gedächtnisstütze nicht mehr brauche, die neue Verhaltensweise also in eine Gewohnheit übergegangen sind?
Wenn Sie ein Ziel drei Wochen lang strikt verfolgen, können Sie davon ausgehen, dass sich eine erste neuronale Verknüpfung im Gehirn angebahnt hat. Und wenn Sie nach diesen drei Wochen noch einmal drei Monate das Ziel weiter streng durchziehen, kann man von einer Gewohnheit sprechen.

Zur Person:

Christa Schirl ist Psychologin und Psychotherapeutin in Linz und unter anderem auf die Bereiche Arbeitspsychologie sowie  Kinder-, Jugend und Familienpsychologie spezialisiert.  Seit diesem Jahr fungiert sie als Weiterbildungsreferentin beim Verein für psychosoziale Aus-, Fort- und Weiterbildung. Außerdem ist Schirl Expertin  im Netzwerk Medienfrauen, selbstständig als Coach und Trainerin  tätig und tritt immer wieder als Keynote-Speakerin auf. In der Vergangenheit u.a.  beim Karriere Talk „Arbeiten um zu leben – Leben um zu arbeiten“ in Linz.   

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