Philipp Maderthaner will ein anderes Image. Der Kampagnen-Star aus ÖVP-Kreisen wendet sich vom politischen Geschäft ab. Über ein Dutzend Wahlkampf-Kampagnen hat er mit seinem Campaigning Bureau strategisch entworfen, geplant und professionell umgesetzt.
In Österreich und in Deutschland, für die ÖVP oder etwa für die CDU in Sachsen. 2013, 2017 und 2019 leitete er die Kampagnen für seinen schillerndsten Klienten Sebastian Kurz: beim ersten Mal erhielt der damalige Integrationsminister 35.000 Vorzugsstimmen, beim zweiten Mal wurde Kurz mit der türkis eingefärbten Volkspartei Kanzler, Ende September errang die Kurz-Partei den Wahlsieg mit 37,5 Prozent der Stimmen. Das hat Maderthaner vor drei Jahren auch den inoffiziellen Titel „Kanzlermacher“ beschert. Eine Zuschreibung, die er mittlerweile nicht mehr gerne hört.
Weg vom Wahlkämpfer, hin zum Unternehmer
Denn Maderthaner will Unternehmer sein, nicht Wahlkämpfer. Er will raus aus der Politik, das Geschehen dort weder miterleben, noch mitgestalten, noch kommentieren. Das ist ein überraschend radikaler Schritt für den aktuell erfolgreichsten Kampagnen-Macher im Land.
Für seine Arbeit wurde er 15 Mal mit dem Oscar der Branche, den Reed Awards, ausgezeichnet und dieses Jahr zum „Unternehmer des Jahres 2019“ gekürt. Was Maderthaner so gut kann? Klar formulieren, Gleichgesinnte finden und vor allem: mobilisieren.
Er schafft es, einen Schneeballeffekt zu erzeugen. Im Zentrum steht dabei die sogenannte Mitmachpyramide: „Alle Menschen ticken gleich: sie suchen Zugehörigkeit und Anerkennung“, sagt er, „und sie wollen persönlich angesprochen und ernst genommen werden.“
Maderthaner und sein Team beherrschen genau das, sie animieren die Menschen zum Aktivwerden mit der sogenannten grassroots-Strategie (US-Methode, um eine Bewegung anzustoßen).
Im Gespräch mit Philipp Maderthaner geht es um seine neue Ausrichtung. Um die Zukunft. Um die Gründe für die Abwendung von der Politik und um seine neue Firma. Alles naturgemäß stark vom Vergangenen beeinflusst.
KURIER: Ihre Interviews der vergangenen Wochen schließen mit, Zitat: „Ich habe keine Lust mehr an Wahlkämpfen, mein Bedarf an politischen Kampagnen ist gesättigt“. Meinen Sie das wirklich ernst?
Philipp Maderthaner: Um es in den Kontext zu rücken: die Zuspitzung auf mich als „Kanzlermacher“ ist medial sicher eine super Schlagzeile, aber inhaltlich völlig verzerrt. Es wird doch wohl niemand glauben, dass eine einzige Person einen so übermächtigen Beitrag zu einer Wahl leisten kann. Der Wahlerfolg ist primär der von Sebastian Kurz, alles andere sind Begleiterscheinungen. Und für meine Zukunft: In meiner Firma sitzt eine Mannschaft von 50 Personen – die werden weiterhin diverse Wahlkämpfe machen. Ich für mich habe aber entschieden, mich nicht mehr einem Wahlkampf auszuliefern. Ich will es nicht mehr – und ich kann es nicht mehr.
Die Außenwahrnehmung ist: Philipp Maderthaner ist bei Wahlkämpfen von Sebastian Kurz aktiv, erfolgreich und taucht dann wieder unter – bis zum nächsten Wahlkampf.
Die Realität ist aber eine komplett andere. Ich führe ein Unternehmen mit 50 Leuten, wir haben ein Wachstum von 50 Prozent, wir expandieren verstärkt nach Deutschland, ich habe soeben eine zweite Firma namens Business Gladiators gegründet. Es gibt hier ein fehlgeleitetes Verständnis davon, wie ich mein Leben verbringe. Für viele bin ich der Wahlkampf-Macher – das bin ich für mich aber schon lange nicht mehr.
Aber warum wollen Sie das nicht mehr sein? Ist doch sicher sehr spannend – und bringt auch noch gutes Geld.
Es ist spannend und aufregend, aber zu einem sehr hohen Preis. Nämlich ein an Unmenschlichkeit grenzender Arbeitseinsatz und eine an Unmenschlichkeit grenzende emotionale Belastung. Ich habe mir das jetzt einige Male reingezogen und ich muss sagen, ich genieße viel mehr die gestalterische Möglichkeit als Unternehmer. Aber keine Sorge, ich gehe ja nicht in Frühpension.
Sie glauben tatsächlich, dass Sie zum nächsten Kurz-Wahlkampf ’Nein’ sagen können?
Mit Sicherheit. Ich bin mit Leib und Seele Unternehmer, das beschäftigt mich 100 Prozent meiner Woche, und ja: drei Mal habe ich für Kurz aus tiefer Überzeugung und aus persönlicher Verbundenheit im Wahlkampf ein Ausmaß an persönlichem Engagement gezeigt, das ich sonst nirgends mehr habe. Diese Ausnahmerolle ist sehr breit beleuchtet worden, aber noch einmal: es ist nicht mein Business. Ich bin Unternehmer, wir machen begeisternde Kampagnen für unsere Kunden und ich will in Zukunft andere Unternehmer stärken. Das ist mein Leben.
Ihre liebste Auszeichnung ist deshalb auch „Unternehmer des Jahres 2019“. Sie wollen wieder mehr führen und weniger operativ tätig sein.
Absolut. Seit elf Jahren mache ich Kampagnen, das waren mehr als 300. Dazu 13 oder 14 Wahlkämpfe. Ich habe gezeigt, dass ich das kann. Ich denke aber, dass das jeder, der es so lange macht, wie ich, am Ende gut machen wird. Ich bin ja kein sonderliches Genie. Ich habe mir einfach viel angeeignet und viel gelernt. Die wahre Kunst aber ist: kann ich etwas schaffen, das größer ist als ich selbst. Ich will in der Lage sein, ein Unternehmen aufzubauen, das erfolgreich ist. Das ist mein Erfolgsmaßstab. Daran messe ich mich.
Ihre neue Firma heißt „Business Gladiators“, was macht sie und was will sie erreichen?
Die Firma hat eine wunderbare Grundidee: ich will Unternehmerinnen und Unternehmer dabei helfen, in einer veränderten Zeit erfolgreich zu sein. Ich habe einen Weg durchs Dickicht gefunden, wie man es anlegen muss, um erfolgreich zu sein. Zentral sind dabei die Fragen: Wie geht es den Unternehmern selbst? Wie geht es den Mitarbeitern? Kann die Firma Kunden begeistern?
Sie werden damit quasi zu einem Unternehmer-Berater?
Genau. Wir wollen mit den Unternehmern arbeiten. Ich, Philipp Maderthaner, tue das persönlich. Im Rahmen von Weiterbildungen und Empowerment. Wir wollen Wissensangebote schaffen, mit niedrigen Einstiegshürden. Also günstig. Da ist sehr viel Do-it-yourself dabei. Ich will die Klein- und Mittelbetriebe stärken, denen fühle ich mich im Herzen verbunden.
Was brauchen die Unternehmer konkret?
Da draußen passiert etwas, was wir alle sehen müssen. Es gibt mehr Wettbewerb, ausgelöst durch Globalisierung und Digitalisierung. Die falsche Konsequenz ist: man begegnet dieser Veränderung mit einem Einstieg ins Match „schneller, billiger, lauter“. Denn dieses Match gewinnen nur sehr sehr wenige. Für die meisten heißt es: sie werden verlieren. Denn, wie wahrscheinlich ist es, schneller als die Logistik von Amazon zu sein? Wie wahrscheinlich ist es, lauter zu sein als die Marketing-Maschinerie von Coca-Cola? Wie wahrscheinlich ist es, dass man billiger ist als ein globaler Diskonter? Ich glaube, Unternehmer müssen eine Grundsatzentscheidung treffen. Es gibt da draußen ein Feld mit Chancen und Potenzialen: Nicht schneller, billiger, lauter, sondern: begeisternder, mitreißender, leidenschaftlicher.
Wie begeistert man als Unternehmer?
In einer Zeit künstlicher Intelligenz und Algorithmen suchen Menschen wieder Nähe und Authentizität. Sie wollen das Echte, suchen Orientierung und sind von Reizen überflutet. Unternehmen, die Menschen helfen, sich zu verwirklichen und Zugehörigkeit zu finden, haben unendliches Wachstum vor sich. Ich will Unternehmern zeigen, wie das geht. Ich habe es mit meinem Unternehmen selbst gemacht und wir sind in den vergangenen sechs Jahren 600 Prozent gewachsen, sind zu 100 Prozent eigentümergetrieben und müssen nicht akquirieren, weil die Kunden zu uns kommen. Auch für Mitarbeiter haben wir eine hohe Anziehungskraft. Der Sukkus dieser Anziehung liegt darin, dass Unternehmen ihre Ur-DNA wiederfinden müssen.
Wie wollen Sie mit den Unternehmern arbeiten? Persönlich?
In Gruppen, mit Online-Kursen, in Live-Sessions. Es geht darum, die Unternehmer so zu stärken, damit sie das selbst umsetzen. Da braucht es eine Veränderung von innen heraus, das muss der Unternehmer selbst tun.
Klingt nach Seminaranbieter.
Es ist eine neue Form der Unternehmer-Beratung. Quasi aus dem Regal. Da ist alles dabei: Seminare, Coachings, Beratung. Entscheidet ein Unternehmen, sich künftig weniger über das Produkt, aber mehr über die Überzeugungen und Leidenschaften zu definieren, ist die logische Konsequenz, nicht in die Schublade der Betriebswirtschaftslehre zu greifen, sondern in die Schublade der Emotionalisierung und der Mobilisierung.
Womit wir dann wieder beim Kampagnenmachen sind – nur eben auf der unternehmerischen Ebene.
Ganz genau. Ich bin schwer motiviert, das Projekt ist ein Ausdruck meines Unternehmer-Selbstbildes. Ich will die unternehmerische Philosophie, an die ich glaube, weitergeben.
Was ist denn die größte Stärke der Klein- und Mittelunternehmen in Österreich?
Diese Unternehmen haben alle eine Form von Gründungsgeist – mit Leidenschaft und Hingabe zum eigenen Fach, zur eigenen Profession. Und eine innere Überzeugung, wie es richtig gehört. Das muss man wieder freilegen. Und da spielt es keine Rolle, ob dieses Unternehmen 100 Jahre alt ist oder nur zwei Wochen.
Woher kommt Ihr Unternehmergeist?
Schwierig zu sagen. Ich mag es sehr, zu gestalten. Das ist wie in der Politik, nur eben ohne Politik. Jemand hat mir einmal „die Lust am Verdorbenen“ attestiert. Ich kann Dinge, die nicht so gut laufen, in die richtige Bahn bringen. Ich kann gut Richtung geben. Und ich weiß, wie man Dinge zündet.
Philipp Maderthaner, 38, nicht mit dem früheren WKO-Chef verwandt, kommt aus Waidhofen/Ybbs (NÖ). Er absolviert die Tourismusschule in Krems (eigentlich wollte er Hoteldirektor werden), hat dort „den Servicegedanken gelernt“.
Es folgt das Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre in Wien, „im zweiten Semester wurde ich von der Politik gefressen“, erzählt er. Johanna Mikl-Leitner macht ihn zum Mitarbeiter der ÖVP, mit 22 ist er bereits Pressesprecher der ÖVP Niederösterreich.
Maderthaner fällt durch seine witzigen PR-Ideen auf: er erfindet etwa die Erwin-Pröll-Glatzen-App. 2011, mit dem Rücktritt von Josef Pröll, stieg er aus der Politik aus und gründete sein eigenes Unternehmen, das Campaigning Bureau.
Damit macht er Kampagnen für Unternehmen, NGOs und die Politik, er leitete etwa die Wahl-Kampagnen von Sebastian Kurz. Jetzt gründet er Business Gladiators.
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