Péter Horváth: „Controller ist die beste Ausbildung zum CEO“
Péter Horváth ist eine Controlling-Koryphäe. Kein Wirtschaftsstudent oder Unternehmenslenker kommt an seinem Namen vorbei.
Aus zwei Gründen: Einerseits begleitet er mit seinem Standardwerk „Controlling“ seit nunmehr 13 Auflagen die Uni-Lehrgänge. Andererseits ist der 82-Jährige Gründer der weltweit tätigen Management-Beratung Horváth & Partners.
Für den KURIER blickte er auf seine bewegte Karriere zurück und verriet, von wem der heutige Controller bedroht wird.
KURIER: Herr Horváth, wenn es einen Satz gäbe, mit dem man Sie immer in Verbindung bringt – welcher wäre das?
Péter Horváth: Nur ein Satz? Das ist schwierig. „Ohne Controlling funktioniert ein Unternehmen nicht.“ Was hätten Sie gedacht?
„Keine Buchung ohne Beleg“ – der Satz, mit dem sich Wirtschaftsstudierende ab der ersten Rechnungswesenstunde herumplagen!
Um Gottes willen (lacht). Ich habe zwar einmal eine Buchhaltungsstunde geleitet, aber nein, nein.
Sie haben 1975 den ersten Lehrstuhl für Controlling in Deutschland ins Leben gerufen. Wie hat man Unternehmen davor gesteuert?
Unternehmen haben schon davor Controlling gemacht, nur ohne es so zu nennen. In den USA gibt es den Controller auch schon viel länger und es wurde mir erzählt, dass er sogar in der amerikanischen Verfassung verankert ist. Das war und ist diejenige Person, die sich um die Ordnungsmäßigkeit der Geldverwendung im staatlichen Bereich kümmert.
Controlling wird immer wieder auch mit Kontrolle in Verbindung gebracht. Das mögen viele nicht.
Ich hasse das. Das gefällt mir überhaupt nicht. Im Englischen heißt „control“ steuern und lenken, es hat einen positiven Touch. Die wörtliche Übersetzung aus dem Englischen hat das so reduziert. Aber natürlich: Wenn Sie etwas planen, möchten Sie wissen, was Sie tun müssen, um Ihre Ziel zu erreichen – da ist Kontrolle natürlich auch dabei. Ich versuche mich aber als Missionar zu betätigen im Sinne des Positiven im Controlling-Begriff.
Was ist das Positive?
Der Gedanke, Zahlen seien trocken, ist falsch. Zahlen können sehr, sehr aufregend sein. Den Controller müssen Sie sich als eine Art Navigator vorstellen, der für den Kapitän Informationen sammelt, auswertet und ihm sagt: Pass auf, in die Richtung musst du fahren, wenn du dein Ziel erreichen willst! Pass auf, da rechnen wir mit einem Eisberg! Der Controller hilft als eine Art Lotse, um ein Unternehmen auf Kurs zu halten. Das ist absolut spannend und kreativ.
Kreativ? Wie viele Entscheidungen werden in Unternehmen auf Basis von Zahlen getroffen?
Auf der Tages- und operativen Ebene: 99 Prozent. Aber: Wenn Sie die längerfristige Unternehmensstrategie betrachten und sich überlegen müssen, wo Ihre Marktchancen sind und wohin sich das Unternehmen entwickeln könnte, wird die Rolle der Intuition und der Kreativität natürlich sehr sehr groß. Ein guter Controller kann da unterstützen, aber das i-Tüpfelchen ist natürlich eine unternehmerische Entscheidung, die mit Risikobereitschaft zu tun hat.
Man hat den Eindruck: In Krisenzeiten werden Controller und zahlenbasierte Entscheidungen wichtiger. In Zeiten der Hochkonjunktur lässt man wieder mehr Kreativität und Intuition zu. Kann man die Relevanz des Controllers am Konjunkturzyklus festmachen?
Nein. Auch in schwierigen Unternehmenssituationen sind Kreativität und Intuition wichtig. Wenn es darum geht, Kosten zu sparen, muss ich als Geschäftsführer kreativ sein, um nicht an der falschen Stelle zu sparen. Eine Unterstützung mit Zahlen des Controllers ist hier eine Wohltat. Ich finde es auch falsch, dass wir als Managementberater mit einem Rasenmäher über das Unternehmen gehen und alle Kosten gleichmäßig senken. Gerade in der Krise ist es manchmal erforderlich, an der einen Stelle zu sparen und an anderer wiederum zu investieren.
Viele Controller werden später CFO. Ein Beruf mit garantierter Karriere also?
Das ist in der Tat so. Diejenigen, die sich um Finanzen, Steuer- und Rechnungswesen kümmern, können sogar CEO werden. Sie haben eine fantastische Lehre, um ein Unternehmen als Ganzes zu sehen. Das ist die beste Ausbildung zum CEO.
Ihr Controlling-Standardwerk kommt im Oktober in der 14. Auflage heraus. Wie oft verändert sich in Ihrer Branche Grundlegendes?
Wenn Sie die aktuelle Auflage mit der zehnten vergleichen, sehen Sie zwei unterschiedliche Bücher. Es ist halt eine doch kontinuierliche Entwicklung – keine Revolution aber eine Evolution. Die Digitalisierung in unserem Fach gab es schon vor 30 Jahren. Damals war es aber ein Thema für Fachleute – heute ist es Alltag. Das hängt mit den technologischen Möglichkeiten zusammen aber auch mit Business Analytics, neuen Rechenformeln.
Was waren die jüngsten Meilensteine im Controlling?
Rein inhaltlich war es, dass man weg vom Profitorientierten kam und auch nachhaltigkeitsökologische Aspekte in die Steuerung eines Unternehmens berücksichtigt. Das Zweite ist die viel stärkere Vernetzung der Unternehmen untereinander. Wenn heute ein Produkt auf den Markt kommt, ist da eine Lieferkette dahinter, die sich über die gesamte Welt erstreckt. Allein ein Hemd kommt heute aus über 100 Stellen. Es ist geradezu eine unmögliche Aufgabe, die Sauberkeit so einer Lieferkette nachzuchecken. Das Dritte sind die Möglichkeiten der Informationstechnologie. Außerdem sehen sich viele Controller heute als aktiver Teil von Entscheidungen, als Business-Partner. Aber ich gebe Ihnen recht: in manchen Firmen kann sich noch die Schule finden, die das Thema Buchung und Beleg in den Vordergrund stellt. Aber die ist sicherlich im Aussterben begriffen.
Der Job verändert sich, Sie sagen, die alte Schule wird aussterben. Was erwartet Controller?
Der Job ist gefährdet. Aus zwei Richtungen: IT und Daten spielen eine Rolle, Data Scientists können heute sagen „Wir können das viel besser als ihr Controller.“ Und die andere Gefährdungsrichtung kommt von den Managern selber. Sie haben heute ein viel größeres Controlling-Know-how als früher, sodass sie aus Informationen selbst die Entscheidungskonsequenzen ableiten können. Ich bin aber zuversichtlich, dass ein guter Controller diesen Gefährdungen trotzt.
Zur Person
Gründer, Management-Berater, Professor, Autor und Controlling-Koryphäe
Péter Horváth (82) ist Gründer und stv. Vorsitzender des Aufsichtsrats der Management-Beratung Horváth & Partners. In Ungarn geboren, gründete er 1981 das Institut für Unternehmensanalysen in Stuttgart, 1989 entstand aus diesem die berühmte Management-Beratung. Horváth gilt als der Begründer des modernen Controllings, 1975 gründete er den ersten deutschen Lehrstuhl für Controlling an der Uni Stuttgart. Sein Lehrbuch „Controlling“ begleitet Wirtschaftsstudierende bald in der 14. Auflage.
Die Controlling-Koryphäe wurde mit bereits vier Ehrendoktoraten europäischer Unis ausgezeichnet und zählt als Autor von 30 Büchern zu den Pionieren der modernen Wirtschaftswissenschaften. Seine Stiftung fördert mit diversen hoch dotierten Preisen Nachwuchscontroller.
25 Jahre Wien-Büro von Horváth & Partners
1994 wurde in der Wiener Walfischgasse das erste Österreich-Büro der 1981 in Stuttgart ins Leben gerufenen Management-Beratung gegründet. Der Fokus lag damals auf Controlling-Themen und Prozesskostenrechnung. Vier Jahre später schon knackte Horváth & Partners die erste Umsatzmillion, laufend erweiterte man das Serviceportfolio.
2008 übernahm Stefan Bergsmann die Geschäftsführung. 2016 erreichte der Beratungsumsatz erstmals die zehn Millionen-Euro-Grenze, Bergsmann wird Partner der Horváth AG in Stuttgart. Heute zählt das Österreich-Team bereits 40 Mitarbeiter, das vom Erfinder des modernen Controllings Péter Horváth gegründete Unternehmen erwirtschaftet derzeit mit weltweit 1.000 Mitarbeitern über 200 Millionen Euro Umsatz.
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