Patente auf Braugerste: Geht bald die Biervielfalt verloren?

Patente auf Braugerste: Geht bald die Biervielfalt verloren?
Patente auf Braugerste könnten Brauereien und Biertrinkern schlecht bekommen. Hirter-Geschäftsführer Nikolaus Riegler erklärt warum.

Grundsätzlich sollen Patente technische Erfindungen und innovative Produkte vor Nachahmung schützen können. Umwelt- und Saatgutschützer  nehmen in Europa aktuell aber einen Missbrauch des Patentrechts wahr.

Durch Schlupflöcher soll es Konzernen international  gelungen sein, Saatgut und Lebensmittel, konkret ihr Zuchtverfahren, zu patentieren. Durch die Patentierung von Braugerste sind davon auch heimische Brauereien betroffen. Die „unabhängigen Privatbrauereien Österreichs“ unterstützen seit Kurzem die Arche Noah-Petition „Missbrauch des Patentrechts stoppen“. Warum, erklärt der Sprecher in diesem Anliegen Nikolaus Riegler, Geschäftsführer der Privatbrauerei Hirt, im Interview. 

KURIER: Herr Riegler, Patente auf herkömmlich gezüchtete Pflanzen und Tiere sind laut dem europäischen Patentrecht nicht erlaubt. Trotzdem wurden in den vergangenen Jahren immer häufiger Patente auf Lebensmittel, Saatgut-Sorten und deren Züchtungen angemeldet, auch die Braugerste ist betroffen. Werden hier rechtliche Schlupflöcher ausgenutzt?
Nikolaus Riegler: Definitiv. Biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen sind nicht patentierbar, das wissen auch die großen Konzerne. Für  Weiterentwicklungen der Gerstensorte setzt man das Saatgut Stressbedingungen wieChemikalien oder Trockenheit aus, um  gewünschte biologische Reaktionen hervorzurufen beziehungsweise diese zu beschleunigen. Diese Reaktionen sind natürliche Mutationen und Reaktionen und somit biologisch. Argumentiert wird aber, dass die Auslösung dieser biologischen Verfahren durch technische Innovationen beeinflusst wurde, somit eine Erfindung sind und damit patentiert werden dürfen. 

Patente auf Braugerste: Geht bald die Biervielfalt verloren?

Hirter-Geschäftsführer Nikolaus Riegler

Was bedeutet das konkret?
Es bedeutet, dass die großen Konzerne, in diesem Fall  Carlsberg und Heineken, ein Patent auf einen bestimmten Gerstenstamm halten und somit auch das Schutzrecht für alle Folgewirkungen, Sorten und weitere Züchtungen daraus haben.  Ein einziges Patent kann sich damit in einigen Jahren auf hunderte Gerstensorten auswirken. Will eine andere Brauerei nun diese Gerste verwenden, fallen Lizenzgebühren an beziehungsweise kann die Verwendung gänzlich verboten werden. 

Ein Patent auf Braugerste wurde von Heineken und Carlsberg bereits rechtskräftig eingetragen. Weitere werden vor dem europäischen Patentamt noch verhandelt. Gibt es für heimische Brauereien schon Auswirkungen?
Noch können wir Auswirkungen ausschließen. Es haben aber bereits kleinere Gerstenzüchter  unwissend auf gewisse patentierte Saatgutsorten aus dem ersten Patent zugegriffen, ohne sich darüber bewusst zu sein, und haben diese weiterentwickelt. Schon jetzt tauchen in diesem Zusammenhang erste Fragen auf, ob man diese nun überhaupt verwenden darf und wem sie gehören. 

Patente können also die unternehmerische Freiheit von Brauereien und Züchtern einschränken. Haben sie auch Auswirkungen auf die Biervielfalt?
Natürlich. Biere zeichnen sich seit mehr als 1.000 Jahren durch ihre speziellen regionalen Charakteristika aus. Die Gerste ist neben Wasser der wichtigste Rohstoff. Und wenn es von diesem nun weniger Angebot gibt und auch weniger Möglichkeiten, ihn zu verwenden, wirkt sich das früher oder später auch auf die Vielfalt aus.

Carlsberg und Heineken argumentieren unter anderem, dass es normal sei, eine Erfindung mit einem Patent zu schützen. Außerdem wolle man weiterforschen, um das Brauen von Bier innovativer zu machen. Dafür brauche man das Geld aus den Lizenzgebühren.
Wenn sich die Nummer zwei und die Nummer vier der weltweiten Brauereimarktführer zusammentun, um Patente auf Braugerste anzumelden, meine ich, ist die Sorge durchaus zulässig, dass sie das nicht ausschließlich zur allgemeinen Weiterentwicklung von Braugerste tun, sondern damit auch konkrete wirtschaftliche Interessen verfolgen, um damit etwa andere Marktvorteile  zu erreichen beziehungsweise abzusichern. 

Was fordern Sie?
Wir wollen auf europäischer Ebene endlich Klarheit und Einstimmigkeit zum Konsens, dass biologische  Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren nicht patentierbar sind.  

Kommentare