Ohne Titel

Es gibt ein Leben ohne die Uni. Studienabbrecher müssen sich aber stärker beweisen, mehr Fleiß zeigen
Die Uni zu schmeißen, ist salonfähiger denn je. Ohne Diplom geht’s auch, aber nur mit mehr Einsatz

Studienabbruch ist nicht gleich Misserfolg. War früher das Nichterreichen eines Diploms ein lebenslanges Stigma, wird es heute zunehmend salonfähig. Schließlich haben selbst große Gründer wie Richard Branson oder Bill Gates vorzeitig die Uni verlassen. Und das sicher nicht, weil ihnen der Stoff zu schwierig war. MOOC Gründer Sebastian Thrun sagte vergangene Woche im KURIER-Interview: „Eine Vollausbildung mit Uniabschluss passt nicht mehr ins Berufsleben. Ausbildungen werden kürzer werden, aber auch öfter stattfinden.“ Unsere Zeit erlaube es, auch ohne Diplom erfolgreich zu sein. Er plädiert für lebenslanges Lernen.

Der nonkonforme Schritt

Mehr als ein Drittel der Studierenden in Österreich schmeißt die Uni. Die häufigsten Gründe dafür erfasste 2008 das Hochschul-Informations-System: Leistungsprobleme und finanziellen Schwierigkeiten. Besonders die langen Studien wie Medizin würden viele zwingen, ihre Entscheidung mittendrin zu überdenken. Weil die Zeit läuft, man endlich Geld verdienen will, weil man eine Idee hat und sie nicht im Hörsaal-Trott untergehen lassen will. Viele halten bis knapp vor dem Diplom durch – und schmeißen im letzten Moment, vor der Abschlussprüfung oder der Abschlussarbeit, alles hin. Was auf den ersten Blick wie Aufgeben aussieht, ist in Wahrheit Befreiung für sie.

„Es ist ein klares Signal da: Bald ist etwas Großes zu Ende. Da wird plötzlich die Sinnhaftigkeit des Ganzen hinterfragt“, sagt Gottfried Großbointner, Psychotherapeut an der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende. Viele bekämen dann Panik. „Sie merken: Da, wo es hin soll, will ich gar nicht hin. Wenn ich jetzt abschließe, kann ich nicht mehr raus.“ Dass mit dem Abbruch viele Jahre, der Titel und damit auch bessere Chancen am Arbeitsmarkt weggeworfen werden, ist in dem Moment egal. „Diese spezielle Sicherheit, diesen einen Beruf, diese Umgebung und dieser Typ Mensch sein – das wollen die Studierenden alles einfach nicht mehr.“

Kommen Zweifel auf, kommt der Stein des Abbruchs ins Rollen. Es folgen schlaflose Nächte, beklemmendes Bauchweh, Hadern mit sich selbst: „Darf man überhaupt abbrechen? Darf ich abbrechen?“ Eltern und Freunde werden vor den Kopf gestoßen, Erwartungen nicht mehr erfüllt. Man steht unter Rechtfertigungsdruck. Eine Front der Verständnislosigkeit baut sich auf. Doch der Wille, kein Teil eines Systems mehr zu sein, beflügelt letztendlich zum Uni-Aus – man kann einfach nicht anders.

Mit Elan etwas Neues anzupacken und selbstbewusst zu bleiben, ist unter diesen Umständen nicht einfach. „Studierende können zum Abbruch nur stehen, wenn sie ihre Umgebung so nimmt, wie sie sind. Und sie nicht nach ihrer Fassade, einer fixen Vorstellung, beurteilt werden“, so Großbointner.

Erst recht erfolgreich

Auch von Peter Eich wurde erwartet, dass er studieren geht. Er folgte dieser „familiären Selbstverständlichkeit“, wie er es nennt. Und lernte acht Jahre Mathematik und Philosophie. „Mir fiel alles leicht. Ich dachte, das wäre ein Hinweis darauf, dass ich studieren soll.“

Vor seiner letzten Prüfung brach er ab. „Meine Oma sagte zu mir, ich würde ohne Abschluss in der Gosse landen“, so Eich. Heute ist er Gründer von acht Unternehmen, Investor, NLP-Coach und fährt beruflich mit dem Rad um die Welt. Er verdient Geld mit seinem Hobby. Etwas, das seine Familie damals nicht gutgeheißen hat. „Ich brach eben die Studier-Tradition. Das hat man mir lange übelgenommen.“

Unter den Gründern wären fast alle Abbrecher. Für Eich „ein Klassiker“. Es gäbe eben Menschen, die sich mit Strukturen leicht tun und gerne Pläne machen, die Uni mit links schaffen. Andere würden lieber ihr schräges Ding machen. „Anleitungen zu folgen ist fad. Sie zu ändern ist spannend.“ Der Studienabbruch mache einen aber hartnäckiger. Schließlich möchte man allen beweisen, dass es auch ohne Titel geht. „Man ist motivierter, investiert mehr Zeit, mehr Geld, mehr Energie, um sich durchzusetzen“, erklärt er. Aus diesem Grund stellt Eich in seinen Unternehmen auch nur Studienabbrecher ein.

Zu vielen Branchen wie Pharma, Medizin oder Jus ist ein Diplom der einzige Eintrittsschlüssel. In anderen Bereichen würden immer mehr Arbeitgeber mit der So-what?- Mentalität – kein Titel, kein Problem – einstellen, sagt Charlotte Eblinger, Geschäftsführerin der Personalberatung Eblinger und Partner. „Das Studium abzubrechen ist heute salonfähiger denn je“, erklärt sie. „Kanten im Lebenslauf sind gut. Nach dem Studienabbruch darf der weitere Weg allerdings nicht zu schwammig werden.“ Zu viele Praktika und exotische, unzusammenhängende Berufsstationen würden Personalisten immer noch abschrecken.

Die Plattform www.studienabbrecher.com will Abbrecher und Unternehmen, die nach bunteren Menschtypen suchen, zusammenbringen. Auf der 2001 von zwei Studenten gegründeten Seite kann man umfangreiche Profile anlegen. Und zeigen, dass man auch ohne Bestätigung in Form eines Diploms qualifiziert ist.

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