Weniger Weinkonsum: Wie Österreichs Winzer und Gastronomen jetzt handeln

Beim Wein sind die Österreicher Patrioten. Drei von vier hierzulande produzierten Flaschen werden ohne Umwege selbst getrunken. Auf edle Tropfen aus dem Ausland wird zunehmend verzichtet, veranschaulicht der neue Jahresbericht der Österreich Wein Marketing GmbH (ÖWM).
Der Absatz importierter Weine fiel deutlich um 5,8 Prozent. Österreichs Weine hielten sich stabil und mussten nur ein geringes Minus von maximal einem Prozent wegstecken.
Wird sich im Restaurant oder in den eigenen vier Wänden also ein Gläschen gegönnt, stammt das zu hoher Wahrscheinlichkeit aus regionaler Produktion. Nur ist nach dem einen Gläschen, insbesondere mit steigendem Alter, oft wieder Schluss. Denn der Weinkonsum in Österreich geht insgesamt und das schon lange zurück, belegen die ÖWM-Daten. 1980 wurden jährlich pro Kopf noch knapp 35 Liter getrunken, 2010 waren es 30 Liter und aktuell liegt der Pro-Kopf-Konsum bei 26 Litern. Gegen einen bewussteren Lebensstil und weniger Alkohol per se ist natürlich nichts einzuwenden – darauf reagieren muss die Weinbranche trotzdem.
Denn die Gesamtlage – Konjunkturflaute, gestiegene Produktions- und Personalkosten, sich verändernde klimatische Bedingungen und ein Endkonsument, der nicht nur mehr auf seine Gesundheit, sondern auch aufs Börserl schaut – ist herausfordernd. Was manche mehr und andere weniger zu spüren bekommen.
Steckt Österreichs Wein in einer Krise?
Das Wichtigste vorweg: In einer Krise steckte niemand, mit dem der KURIER gesprochen hat. Aber man habe die Veränderungen im Blick, erklärt Winzerin Stephanie Tscheppe vom burgenländischen Gut Oggau. „Wir müssen uns auf vieles einstellen und das ist auch gut so.“

Stephanie und Eduard Tscheppe vom burgenländischen Gut Oggau stehen für biodynamischen Weinbau. Ihr Ziel ist es, die Weingärten zu stärken. "Gerade als Bauer muss man einen Weitblick haben, was in zehn, zwanzig Jahren ist", sagt die Winzerin
Sie persönlich merkt keinen Rückgang im Konsum, könnte deutlich mehr verkaufen, als sie produziert. „Unseren Kunden geht es nicht darum, Wein zu konsumieren, sondern ein Kulturprodukt“, sagt sie. Auch bei Mayer am Pfarrplatz in Wien kann sich Geschäftsführer Gehard J. Lobner nicht beklagen.
2024 verzeichnete das Weingut ein deutliches Verkaufsplus. Kürzlich legte er sich fünf weitere Hektar Weingärten am Nussberg zu, um die Nachfrage zu stillen. Dennoch kommen ihm die Sorgen mancher Branchenkollegen zu Ohren. „Wir sind deshalb am Suchen, warum es bei uns nach wie vor funktioniert“, gibt Lobner zu. Und weiß, dass seine Marke ein wesentlicher Faktor ist.
Warum starke Marken im Vorteil sind
Je angespannter die Wirtschaftslage, desto weniger Experimente macht der Gast, beobachtet der Winzer. „Der Konsument schlägt die Weinkarte auf und sucht die Marke des Vertrauens. Da weiß er, er kann nichts falsch machen.“
Ausgefallene Weine oder weniger bekannte Marken bräuchten einen Sommelier oder eine Servicekraft, die ihre Empfehlung ausspricht. Aber die Zeit ist knapp in der Bewirtung und das Personal ebenso. Doch nicht nur die Gastronomie wirkt sich auf den Weinverkauf aus. Auch der Tourismus.
Viele Buchungen im Tourismus, doch die Weinlager sind bereits gefüllt
„2024 war generell ein schwieriges Jahr“, berichtet Winzer Clemens Strobl der gleichnamigen Weinmanufaktur im niederösterreichischen Kirchberg am Wagram. Es wurde weniger geerntet, mengenmäßig war bereits zu viel Ware am Markt, die noch nicht ausgetrunken war. „Wir haben schon ein paar Prozentpunkte weniger Umsatz und damit auch weniger Absatz gemacht. Und das mit mehr Aufwand“, sagt er offen und ist dennoch froh, „gut drüber gerutscht zu sein“.
Strobl verkauft seinen Bio-Wein aus Handarbeit ausschließlich über die Gastronomie. Vergangenen Sommer war es „relativ zäh“, blickt er zurück. Insbesondere bei seinen Kärntner Abnehmern verzeichnete er eine Delle. „Das hat mit dem Tourismus zu tun. Wird dort weniger Umsatz gemacht, spüren wir das auch.“


Für Kurt Feiler, Winzer des renommierten Burgenländer Weinguts Feiler-Artinger, wiederum stellte sich soeben der Jänner als außergewöhnlich heraus. Er hoffte, anlässlich der Ski-Hochsaison, auf eine Vielzahl an Bestellungen von seinen Gastro-Partnern in Westösterreich. Das Wetter ist schließlich gut, die Buchungslage top. Und doch war es „überraschend ruhig“, sagt er. „Der Urlaub wird gemacht, aber im Zusatzkonsum ist man zurückhaltend. Oder die Häuser haben einen Vorrat und wollen diesen zuerst abbauen.“
In Gesprächen erkannte der KURIER: Rein auf Urlaubsdestinationen ist das Phänomen nicht umzumünzen. Auch in der Hauptstadt will so manches Weinlager nicht leer werden.
Getrübte Trinklaune, nicht nur bei Alkohol
Der Wiener Gastronom, mit dem der KURIER sprach, will anonym bleiben, teilt seine Erfahrungen aber dennoch. Seine Weinbestellungen sind aktuell auf ein Minimum reduziert, sagt er. Nur drei Flaschen jeder Rebsorte seiner offenen Weine gehen pro Woche weg – Weißwein versteht sich. Rot wird kaum getrunken. Bei der Auswertung seines täglichen Umsatzes fallen 75 bis 85 Prozent der Konsumationen rein auf die Küche. Im Sommer sieht das anders aus. Da würde der Durst zurückkehren, sagt er und ergänzt, dass die Gäste bei Getränken aber generell zurückhaltender geworden wären. Und das nicht nur bei jenen mit Alkoholgehalt.
- Auf 44.210 Hektar Fläche wird in Österreich Wein angebaut. NÖ führt das Feld an, dahinter folgen Bgld, Stmk und Wien
- Zwei Drittel entfallen auf Weißwein, ein Drittel auf Rotwein
- Der Rotweinabsatz sank in den vergangenen fünf Jahren um 18 %. Inländischer Rotwein legte zwar an Marktanteil zu, hat dennoch einen Rückgang von 1,4 Mio. Litern verbucht. Viele Rotweinproduzenten berichten deshalb über steigende Lagerbestände in den Kelllern
- Wein-Insolvenzen gab es 2024 wenige. Für Aufsehen sorgte die Pleite des Star-Winzers Anton Bauer
- Wachstumschancen bietet der Export. 2024 wurden 48 Mio. Liter exportiert. Während Corona stiegen Exporte um 36 %. Wichtigste Märkte sind Deutschland, Schweiz, Niederlande und USA. Potenzialmärkte mit steigendem Interesse sind Kanada und die Nordics (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden)
Gastronom Bernd Schlacher, Chef der Motto Group, die sowohl Hotel, Catering als auch Restaurants vereint, macht hier eine andere Beobachtung. Seine Altglascontainer füllen sich, die Weinbestellungen sind unverändert. „Es gibt keinen signifikanten Rückgang“, sagt er. Nicht entgangen ist ihm der „Dry January“ (bei diesem Trend wird im Jänner auf Alkohol verzichtet), hier wurde „merklich weniger Alkohol konsumiert“.
Selbiges erwartet er für die Fastenzeit, doch sein Sortiment ist gerüstet. Mit alkoholfreien Alternativen, die weit über Softdrinks und Limonaden hinausgehen. Darunter ein entalkoholisierter Gemischter Satz von Mayer am Pfarrplatz. Was alkoholfreie Weine betrifft, ist die Nachfrage laut ÖWM-Jahresbericht nämlich am Steigen. Und Benjamin Mayr vom Getränkegroßhändler Del Fabro Kolarik sieht sie sogar als „große Hoffnung und Chance“ für Winzer und Gastronomen. Doch nicht alle in der Branche freut das.
Alkoholfreier Wein – ja oder nein?
„Das ist die Oberkeule, die kulturell mit Wein und dem Produkt nichts mehr zu tun hat“, sagt Winzer Clemens Strobl und betont: „Alkoholfreier Wein ist kein Wein.“ Die ÖWM sieht das anders und nahm entalkoholisierten Wein vor Kurzem offiziell in seine Liste der Weinkategorien auf. Und auch die Gesetzgebung ist dran, Raum für die neue Produktkategorie zu schaffen.
Benjamin Mayr von Del Fabro Kolarik begrüßt das, hält bei der diesjährigen „VieVinum Future Academy“ am 17. Februar sogar einen Vortrag dazu. Er sieht sich in der Verantwortung, Gastronomen und Winzer auf das Potenzial alkoholfreier Weinalternativen hinzuweisen. „Man kann Umsätze machen, die man sonst nicht gemacht hätte“, ist er sicher. „Es ist die Zukunft“, sagt er und bezieht sich auf das bewusstere Konsumverhalten der unter 25-Jährigen.

Gerhard J. Lobner ist Geschäftsführer von Mayer am Pfarrplatz in Wien und produziert u. a. alkoholfreien Wein
Noch wäre das Produkt nicht dort, wo es hinkann, weiß Mayr. „Die Qualität ist aber schon viel besser als vor fünf Jahren.“ Warum bislang trotzdem nur wenige Winzer auf den entalkoholisierten Zug aufspringen, können er und auch Gerhard J. Lobner von Mayer am Pfarrplatz erklären: Die Produktion ist aufwendiger, teurer. Der Alkohol muss dem Wein entzogen werden, man hat Volumenverluste. Winzer, die sich nicht darauf einlassen, kann Lobner verstehen.
Außerdem gibt es noch eine Alternative, den Absatz zu steigern. Dafür müssen sich Weinproduzenten über den Heimatmarkt hinausbewegen.
Die großen Chancen lauern im Export
Das größte Wachstumspotenzial liegt nicht Zuhause, sondern im Export, stellt ÖWM-Geschäftsführer Chris Yorke klar. In der Gastronomie würden österreichische Weine bereits 90 Prozent abdecken, im Lebensmitteleinzelhandel 75 Prozent. „Da ist kaum noch Luft nach oben“, sagt er. Doch in wichtigen Exportmärkten (siehe Kasten weiter oben) läge großes Potenzial. Warum?
Weil die Stilistik des österreichischen Weins genau das ist, was gerade gefragt ist, weiß Winzer Gerhard Wohlmuth aus der Südsteiermark, der im Export Zuwächse verzeichnet.

Die Familie Wohlmuth produziert im steirischen Kitzeck im Sausal Herkunftsweine in Handarbeit seit 1803
Der Lifestyle der Menschen ändert sich, Speisen werden leichter. „Da passen mineralische, finessenreiche Weine gut dazu“, sagt er und ergänzt: „Das kann Österreich mit seinen Weiß- und Rotweinen gut abbilden.“
Internationalen Trends sollten die österreichischen Weine nicht nachlaufen, ist er überzeugt. „Einen dicken, fetten Rotwein, der nur über die Kraft spielt, wird es an vielen Orten geben. Und man wird immer jemanden finden, der es billiger macht.“ Stattdessen brauche es einen Weintypus, der nicht austauschbar ist. Bei dem man die Herkunft schmeckt, sagt Gerhard Wohlmuth. „Darauf sollte sich Österreich meiner Meinung nach konzentrieren und das wird auch langfristig Erfolg haben.“
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