Neurophysiker Egger: „In der Krise rücken die Menschen zusammen“

Neurophysiker Egger: „In der Krise rücken die Menschen zusammen“
Neurophysiker und Management-Berater Robert Egger über die Wirkung von Unternehmenskrisen auf Teams und das Management.

KURIER: Ihr Fachgebiet ist Challenge- Management. Wann ruft eine Firma Sie?

Robert Egger: Die gesamte Wirtschaft befindet sich im Umbruch, viele verlieren da die Orientierung. Ich komme zu Menschen, die den Umbruch erkennen und steuern möchten, oder ich bin Krisenmanager in Unternehmen, wo es die Menschen bereits erwischt hat.

Rund 14 Prozent aller heimischen KMU befinden sich irgendwann in ihrem Lebenszyklus in einer Krise, haben Reorganisationsbedarf. Was sind die häufigsten Gründe dafür?

Das Wort, das wir sehr gerne für Krisensituationen verwenden, ist strukturkonservativ. Die Leute fahren zwar weiter, schauen dabei aber in den Rückspiegel statt durch die Windschutzscheibe. Dazu kommen von Führungskräften oft ganz gefährliche Sätze, wie „never change a winning team“ oder „es kommt nix Besseres nach“. Das führt dazu, dass man sich als Unternehmen auf seinen Erfolgen ausruht. Europa ist langsamer als die Weltwirtschaft, wir befinden uns aber in einer gefühlten Wellnessoase. Im KMU-Bereich gibt es Firmen, die jetzt erst aufwachen und dann überrascht sind von dieser schnellen Entwicklung. Weil wir es gewohnt sind, auf hohem Niveau zu sein, versuchen wir, unser Wohlfühlklima zu verbessern. Und dann kommt es zurück wie ein Boomerang.

Wie fängt man den Boomerang? Wie vielen Unternehmen kostet er schließlich den Kopf?

Es gibt Unternehmen, die aufwachen, am Ball bleiben möchten und beschleunigen. Wir nennen sie die Glühbirnen. Bei einigen kommt der Boomerang vorbei und schlägt sie kurz bewusstlos. Dann ist Krisenmanagement gefragt. Helfen kann man in beiden Fällen.

Wen ruft man dann auf den Plan? Die Berater, einen neuen CFO? Welche Hebel gibt es, um Krisen anzugehen?

Die Umgehauenen haben einen großen Vorteil. Sie müssen nicht ihre Effizienz steigern, nicht noch mehr vom Gleichen tun. Sie müssen jetzt die richtigen Dinge tun. Heißt: Kein Vollgas mehr, sondern runter vom Gas, Gang wechseln, sanft wieder Gas geben. Das betrifft vor allem die strategische Ausrichtung des Managements, ein geschickteres Aufstellen von Führungsarbeit.

Der erste Gedanke beim Wort Krise ist Sparpaket, Mitarbeiterabbau.

Das muss nicht sein. Wenn Sie Mitarbeiter abbauen, verlieren Sie Know-how, das Sie für den Fortbestand aber brauchen.

Eine AK-Studie hat gezeigt, dass Führungskräfte gerade in schwierigen Zeiten ein stärkeres Verantwortungsgefühl für ihre Mitarbeiter entwickeln.

Es gibt die absoluten Performer, die um jeden Preis sparen müssen und den Mitarbeiterbestand aushacken. Denen würde ich keine Sympathien für ihre Mitarbeiter unterstellen. Aber das sind in der Regel Manager in börsennotierten Konzernen, sie müssen das so umsetzen. Im KMU-Bereich sehe ich das nicht. Da wird nicht durchgeholzt und ausgehackt, da wird versucht, durch geschickte Organisation das Know-how zu fokussieren.

Sie sind Neurophysiker: Was passiert mit unserem Hirn in Krisensituationen?

Der Psychologe Daniel Kahnemann hat 1972 die lange vorherrschende Tradition, der Mensch würde bewusst vom Großhirn gesteuert, vom Tisch gefegt. Der Mensch hat einen Autopiloten im limbischen System, der Millionen Jahre lang unser Verhalten gesteuert hat. Der klassische Ansatz der Wirtschaftswissenschaften ist, der Homo oeconomicus sei ein nutzenmaximierendes System. Das limbische System ist aber ein sicherheitsmaximierendes, in Krisenzeiten sind wir mit ihm unterwegs.

Wir agieren dann im Flucht- oder Kampf-Modus?

Genau. Aber bei Kampf oder Flucht ist man wie ein aufgescheuchtes Hendel, völlig irrational. Oberste Pflicht einer zukunftsfähigen Führungskraft ist hier, Sicherheit zu geben und nicht mit Feuer und Schwert noch mehr Druck und Angst verbreiten. Das wäre vollkommen kontraproduktiv.

In der Liebe heißt es, Krisen schweißen Paare zusammen. Funktioniert das in Teams auch?

Gerade in unsicheren Zeiten rücken die Menschen zusammen. Taucht ein äußeres Problem auf, nimmt die Gruppe Schulterschluss auf. Gute Führung und Teams agieren dann Hand in Hand und ergeben einen Monolithen. Sie sind dann zu Höchstleistungen fähig.

Welche Mechanismen werden da aktiviert?

Der Körper bereitet sich neurophysikalisch auf den Zustand vor, dass es um die Wurst geht.

Wie geht man als Unternehmen und auch als Team gestärkt aus Krisen hervor?

Der große Turnaround funktioniert nur dann, wenn das Management versteht, dass es nicht um noch mehr Arbeit geht, sondern darum, welche Ergebnisse das Team erbringt. Schließlich feiern sie Erfolge, wenn sie gute Ergebnisse erbracht haben und nicht, wenn sie einfach viel gearbeitet haben.

Robert Egger ist Neurophysiker, Management-Berater, Autor und Speaker. Er ist auch Referent bei der Success 2019, Österreichs größter Messe für Officemanagement, die von Business Circle veranstaltet wird und vom 6. bis 7. Mai stattfindet. Details: businesscircle.at/office-management

 

 

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