Neues Arbeiten: nachtaktiv, tagmüde
Alexandra wacht nachts auf, weil ihr Mann im Bett Handy-Nachrichten liest. Sophie checkt abends stets schnell ihre Mails – zwei Beispiele, die symptomatisch für die 24/7-Gesellschaft sind. Eine Gesellschaft, die sich keinen Stillstand leisten möchte. Was man möchte, ist rund um die Uhr einkaufen, Essen gehen, U-Bahn fahren, Mitarbeiter oder Kollegen erreichen. Und um dies möglich zu machen, sind immer mehr Menschen bereit, ihre Arbeitszeit bis in die Nacht auszudehnen.
Dass der Mensch aber nicht für Nachtarbeit gebaut ist, wissen Forscher seit Langem. "Schichtarbeit ist einfach ungesund. Darum wird sie auch besser bezahlt", sagt der Wiener Schlafmediziner Michael Saletu. Die Folgen eines schlechten Schlafrhythmus reichen von Leistungsabfall bis zu chronischen Krankheiten. Saletu:"Man muss abschätzen, was man bereit ist, seinem Körper anzutun." Denn unserer inneren Uhr sind moderne Arbeitsweisen egal. Sie tickt nach ihrem uralten Rhythmus. Wird er gestört, kommt das ganze System Mensch aus dem Takt: Nach 23 Stunden Wachsein ist die Konzentrationsfähigkeit in etwa so gut, wie wenn man ein Promille Alkohol im Blut hat.
Aus dem Takt
Wichtigster Taktgeber ist nach wie vor das Licht. Doch seit wir Glühbirnen verwenden, bekommt dieser Zeitgeber oft irreführende Informationen: In einem Großraumbüro etwa herrschen meist konstant 400 Lux Lichtstärke. Die innere Uhr kann nicht abschätzen, welche Tageszeit gerade ist. Die Büroarbeiter fühlen sich latent müde. Im Freien meldet uns die Sonne selbst an trüben Tagen mit rund 10.000 Lux Lichtstärke: Sei aktiv!
Verschärft wird das Licht-Problem dadurch, dass ein Großteil der Arbeit heute vor Bildschirmen verrichtet wird. Das LED-Lichtspektrum aber hat mehr kurzwellige Impulse als Sonnenlicht. Saletu:"Gerade das blaue Licht der Monitore unterdrückt die Bildung des inneren Zeitgebers Melatonin stark. Der Körper bekommt fälschlicherweise den Input: Showtime." Tablets, die nahe am Gesicht gehalten werden, wirken hier besonders intensiv.
Schlafstörend wird es vor allem, wenn man noch kurz vor dem Einschlafen am Bildschirm arbeitet. Saletu:"Aber wir leben eben in einer Leistungsgesellschaft. Heute wird man fast aufgefordert, die Arbeit mit ins Bett zu nehmen." Er rät dazu , das Bett zur Ruhezone zu erklären, in der man im wahrsten Sinne des Wortes "abschaltet". Kann man sich dazu nicht durchringen, so Saletu, "helfen spezielle Filterprogramme, den Blaulichtanteil am Bildschirm von 22 bis sieben Uhr zu reduzieren."
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