Neue Wege in der Lehrausbildung

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Lebenslanges Lernen und Sozialkompetenz sind wichtiger als Fachkenntnisse.

Hat die Lehre bald ausgedient? Das österreichische duale Ausbildungssystem genießt im Ausland zwar einen hervorragenden Ruf, fiel im eigenen Land aber in ein Imagetief: Nur etwas für lernschwache Jugendliche, zu wenig attraktive Lehrbetriebe, antiquiertes Beibringen von Fachkenntnissen ... die Liste der Vorurteile ist lang. Die Politik versucht zwar, mit Image-Kampagnen wie TV-Spots oder dem „Tag der Lehre“ gegenzusteuern, Konzepte für eine Zukunftssicherung der Lehrausbildung sind jedoch rar.

Das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (ÖIBF) nahm die Zukunft der Lehre nun wissenschaftlich unter die Lupe. Für eine Studie wurden mehr als 300 Experten aus dem Lehrlingsumfeld, also Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter, Ausbildner und Berufsschullehrer befragt. Wichtigstes Ergebnis: Die berufliche Ausbildung muss weg von der reinen Spezialisierung für ein bestimmtes Berufsfach hin zu einer breiteren Fundamentalausbildung, die individuelle Kompetenz und Beschäftigungsfähigkeit im Sinne eines lebenslangen Lernens fördert.

„Die Lehre wird zu stark auf das Fachliche abgestimmt, es sollte aber mehr in Richtung umfassende Berufsausbildung gehen“, fasst Studienautor Peter Schlögl die Experteninterviews zusammen. Ein sich rasch verändernder Arbeitsmarkt benötige neben Fachkompetenz auch Ich-Kompetenz, also die Fähigkeit, auf Veränderungen zu reagieren aber auch Sozialkompetenz.

Mögliche Wege dazu:

Berufsprofile

Die einzelnen Lehrberufe müssten neu, vor allem breiter definiert werden. Motto: „Weg von der Schrebergartenmentalität“. Mit der Modularisierung einzelner Lehrausbildungen – etwa im Metallbereich – wurde bereits ein wichtiger Schritt dazu gesetzt.

Durchlässigkeit

Die in der Lehrausbildung erworbenen Kompetenzen müssen bei einem Wechsel in Schule oder
(Fach)-Hochschule besser angerechnet werden und umgekehrt. Auch verkürzte Lehrzeiten für Studienabbrecher sind denkbar. „Die AHS-Matura gilt hierzulande noch immer als Maß aller Dinge, während die Berufsausbildung einen viel geringeren Stellenwert hat“, sagt Schlögl.

Qualitätssicherung

Experten fordern eine nachhaltige Verankerung eines Systems zur Qualitätssicherung in der Lehre. Bisherige Ansätze wie etwa die Einführung eines Qualitätsbonus für vorbildhafte Lehrbetriebe greifen zu kurz. Vielmehr sollte eine externe Agentur messbare Lernergebnisse einführen und überprüfen.

Erziehungsarbeit

Lehranfänger haben oft Schwächen was soziale Umgangsformen, Disziplin etc. anbelangt. Lehrbetriebe sind mit dieser „Erziehungsarbeit“ überfordert, daher braucht es überbetriebliche Strukturen: „Hier ist die Schweiz mit ihrem trialen Ausbildungssystem Vorbild“, erläutert Schlögl. So könnten etwa die vom Staat geförderten überbetrieblichen Ausbildungszentren (ÜAZ) diese Aufgabe übernehmen. Die ÜAZ wurden eigentlich dazu geschaffen, die Lehrstellenlücke zu schließen, weil es zu wenige Lehrplätze gab. Nun gibt es aber in manchen Regionen bereits einen Lehrlingsmangel.

Trotz des aufgezeigten Handlungsbedarfs bleiben die befragten Experten bezüglich Realisierung eher skeptisch. „Neben strukturelle und institutionelle Hürden lassen sich auch mentale Hürden ablesen“, heißt es in der Studie.

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