Nachwuchsschmiede Seniorenheim

Fingerfertigkeit gefragt: Die Lehrlinge Thomas Draskovits (li.) und Karin Bauernfeind mit ihrem Ausbildner Peter Löscher im „Haus Liebhartstal“.
Wiener Pensionistenhäuser bilden 90 Jugendliche aus – und nehmen auch Quereinsteiger.

Knapp vor 12 Uhr im Haus Liebhartstal in Wien-Ottakring: Die Seniorinnen und Senioren warten schon auf ihr Mittagessen. Frischen Lachs gibt es heute, perfekt filetiert, gebraten und angerichtet von Karin Bauernfeind (21) und Thomas Draskovits (16). Die beiden Lehrlinge finden es durchaus "cool", in der Großküche eines Pensionistenwohnhauses ihr Handwerk zu erlernen. "In kleineren Küchen geht es viel stressiger zu, außerdem wechseln wir während der Ausbildung von einem Haus zum anderen, das gibt es woanders nicht", erzählt Bauernfeind, die im August ihre 4-jährige Lehre erfolgreich abschließen wird.

Vier Jahre deshalb, weil es sich um eine sogenannte "integrative Lehrausbildung" für leistungsschwächere Jugendliche handelt. Doch davon ist bei Bauernfeind längst keine Rede mehr, schließlich gewann sie zuletzt souverän den internen Lehrlingswettbewerb des Kuratoriums der Wiener Pensionistenhäuser (KWP). Auch Draskovits, der im ersten Lehrjahr ist, kennt sich schon bestens in der Küche aus: "Ich habe schon immer Kochsendungen im Fernsehen geschaut, die finde ich spannend". Sein Ausbildner, Sous-Chef Peter Löscher, hat viel Geduld mit seinen Schützlingen. Das zahlt sich aus. Vorzeitiger Lehrabbruch ist hier ein Fremdwort, bisher haben alle Lehrlinge erfolgreich abgeschlossen.

Top-Lehrbetrieb

Was viele nicht wissen: Die 30 Pensionistenhäuser des KWP fühlen sich nicht nur für die ältere Generation zuständig, sondern wollen sich auch als Nachwuchsschmiede für gleich mehrere Berufe (Koch/Köchin bzw. Konditor, IT-Technik, Bürokauffrau/mann) einen Namen machen. Die Zahl der Lehrlinge wurde binnen vier Jahren auf 90 verdoppelt, heuer sollen weitere zehn dazukommen. Knapp ein Drittel der Lehrlinge in der Küche sind "integrative Lehrlinge", worauf Lehrlingsbeauftragter Erich Lobinger besonders stolz ist. "Es ist uns ein großes Anliegen, diesen Jugendlichen eine Chance zu geben. Und ich bin froh, dafür die richtigen Ausbildner zu haben."

Im KWP willkommen sind auch "Quereinsteiger" von überbetrieblichen Ausbildungsbetrieben wie Weidinger & Partner oder Jugend am Werk, sowie Lehrlinge, die ihren Ausbildungsplatz woanders verloren haben. Geboten wird dem Nachwuchs einiges: Persönlichkeitsbildende Seminare, Exkursionen, Projektarbeiten, interne Rotationen, Lehrlingswettbewerbe und Sprachreisen helfen, die Talente weiter auszubauen oder neue zu entdecken.

Für seine Lehrlingsarbeit erhielt das KWP 2014 das Qualitätssiegel "Top-Lehrbetrieb".

Die Lehrlingssuche sei in Wien zwar generell schwieriger geworden, meint Lobinger, das Gejammere vieler Betriebe über die schlechte Qualität der Schulabgänger könne er aber nicht mehr hören. Den perfekten Lehranfänger habe es nie gegeben, oftmals würden junge Menschen erst während der Ausbildung so richtig aufblühen. Wer leistungsschwache Jugendliche einfach links liegen lasse, riskiere, dass sie kriminell oder zum Versorgungsfall werden:"Wir sehen Lehrlingsausbildung daher auch als einen gesellschaftspolitischen Auftrag."

Noch keinen Lehrberuf gibt es übrigens im Bereich Altenpflege. Ob des großen Bedarfs würde Lobinger eine Pflegelehre aber durchaus begrüßen.

Seniorenbetreuung
Das Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP) ist ein gemeinnütziger Fonds der Stadt Wien. Österreichs größter Anbieter in der Seniorenbetreuung betreibt 30 Häuser für 8700 ältere Menschen. Das Angebot reicht von unterstütztem Wohnen über betreutes Wohnen bis zum stationären Pflegebereich.

4000 Mitarbeiter
Das KWP beschäftigt rund 4000 Mitarbeiter aus mehr als 50 Nationen. Die Zahl der Lehrlinge – derzeit 90 – soll sukzessive aufgestockt werden.

Viele Firmen sind mitten in der Lehrlings-Suche. Wer noch keine Lehrstelle hat, sollte sich beeilen. Der REWE-Konzern (Billa, Merkur, Bipa, Penny, Adeg, AGM, Rewe Group) sucht für 2015 insgesamt 700 Lehrlinge. Beispielsweise kann man sich bei der Drogeriekette Bipa noch bis Juni um eine Lehrstelle bewerben.

Bei Hofer beginnt das Lehrjahr im September. Der Diskonter lockt derzeit mit einem überdurchschnittlich hohen Lehrlingsgehalt (etwa 200 bis 400 Euro pro Monat mehr als laut KV).www.hoferlehrling.at

Auch die Pfeiffer-Handelsgruppe (u.a. Zielpunkt, UniMarkt, Nah & Frisch) sucht Lehrlinge: Auf ichbinso.at kann man offene Lehrstellen in Wohnnähe finden und sich direkt online bewerben.

Friseurmeister Bundy Bundy vergibt für das kommende Lehrjahr ab August 45 offene Lehrstellen. Bewerbungen sind laufend möglich. www.bundy.at
Auch T-Mobile bietet noch einige freie Lehrstellen für Einzelhandel und Büro auf der Webseite www.t-mobile.at/karriere. 16.000 weitere offene Lehrstellen gibt es auf: lehrberuf.info

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