Nachhaltig und wirtschaftlich: Vier Start-ups zeigen wie's geht

Alpengummi-Gründerinnen Sandra Falkner (l.) und Claudia Bergero setzen auf nachwachsende Rohstoffen und altes Handwerk
Die Jungen suchen nach Jobs mit Sinn. Wie Unternehmen darauf reagieren und warum einige sich die Jobs einfach selbst schaffen.

Macht der Masse? War einmal. Heute heißt das Zauberwort: Macht der Minderheit. Jedenfalls, wenn es um die Jungen und ihre Zukunft auf dem Arbeitsmarkt geht. Denn die Generation Z – also nach 1995 Geborene – hat in Sachen Jobmöglichkeiten einen Trumpf im Ärmel. Einen demografischen Trumpf.

2040, so meldet die Statistik Austria, dürfte die Bevölkerung im Alter von 60 Plus um 50 Prozent größer sein als 2018. Das bringt jede Menge Probleme mit sich, aber für die ganz Jungen bedeutet das auch: Die jetzt schon vom Fachkräftemangel geplagten Unternehmen werden ihre Arbeitskraft brauchen. Und dieses Gebrauchtwerden lassen sich die Jungen etwas kosten.

Sinnstiftung - für Firmen eine Herausforderung

Allerdings wollen sie mehr als nur Geld. Sie wollen Sinn – „Purpose“, wie es in der Wirtschaft heißt. „Unsere Gesellschaft wandelt sich von einer Wert- zu einer Werteorientierung. Die digitale Transformation der vergangenen 25 Jahre führt dazu, dass vor allem die Millennials und die Gen Z mit kritischen Augen auf die Welt und unser Tun blicken“, sagt dazu Markus Höfinger, Managing Director Accenture Interactive Austria.

Nachhaltig und wirtschaftlich: Vier Start-ups zeigen wie's geht

Markus Höfinger,  Accenture Interactive Austria

Sinnstiftung, so zeigt eine aktuelle Accenture Studie, wird 2020 daher für Unternehmen die größte Herausforderung überhaupt. Höfinger: „Karriere und Verdienst ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil im Berufsleben.

Nach Uniabschluss ins Praktikum

Aber mittlerweile zählen auch andere Aspekte.“ Was auch damit zu tun hat, dass die Jungen aus den Problemen ihrer Vorgänger– den Y – gelernt haben: Diese mussten die Finanzkrise 2008 verkraften und einsehen, dass – selbst wenn man es trotz Zugangsbeschränkungen zum Uniabschluss schaffte – oft nur ein Praktikum wartete.

Weil nämlich die unbefristeten Stellen mit den großzügigen Kollektivverträgen von Alteingesessenen besetzt waren: Unter 30-Jährige hatten im Jahr 2017 um 16 Prozent geringere Einkommen als unter 30-Jährige 2004. Die Generation Z hat, so scheint es, das Streben nach dem dicken Dienstauto weitestgehend aufgegeben.

Fairmittlerei: Upcycling statt Abfall

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Gründer Michael Reiter  (Mitte) und sein junges, engagiertes „Fairmittlerei“-Team: 2018 wurde die Upcycling-NGO mit
dem Umweltpreis der Stadt Wien ausgezeichnet

„Ich glaube, dass es vielen jungen Menschen gut geht und sie sich keine Sorgen machen müssen, wo das Essen herkommt, wie es bei unseren Großelterngenerationen noch war“, erklärt Michael Reiter, Gründer der „Fairmittlerei“, die mit dem Konzept Abfallvermeidung und Upcycling Gewinner des Umweltpreises der Stadt Wien 2018 wurde.

Und da man sich um das tägliche Überleben nicht sorgen muss, sorgt sich die junge Generation eben um etwas anderes: Den Zustand der Welt. Was sich direkt auf ihre Berufsvorstellungen auswirkt. Dass für die Jungen soziale- oder ökologische Fragen hohe Priorität haben, ist heute nicht nur bei NGOs wie der Fairmittlerei, sondern auch bei großen Unternehmen angekommen.

Nachhaltigkeit in Jobbeschreibungen

Im Kampf um die besten Mitarbeiter bedient man daher die guten Vorsätze der Generation Weltverbesserer: So hat die Billig-Modekette H&M mittlerweile eine „Nachhaltigkeitsabteilung“.

Die Spar-Gruppe, mit 84.000 Menschen einer der größten privaten Arbeitgeber im Land, bietet auf ihrer Website „Jobs mit Integrationskraft“. Und wer sich für eine Stelle bei den ÖBB interessiert, erfährt, dass er dann für eine der „modernsten, zuverlässigsten und umweltfreundlichsten Mobilitätsketten Europas“ tätig wäre .

„Zusätzlich zum Anspruch, Sinn in ihrer Tätigkeit zu erkennen, haben junge Talente ein Bedürfnis nach Selbstbestimmtheit. Unsere Mitarbeiter etwa haben die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit vollkommen flexibel zu gestalten“, erklärt Höfinger. Er weiß, dass Unternehmen heute solche Mehrwerte bieten müssen: „Das ist die einzige Möglichkeit, will man junge Talente im Unternehmen halten.“

Alpengummi: Kein 08/15-Bürojob

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Alpengummi-Gründerinnen Sandra Falkner (l.) und Claudia Bergero setzen auf nachwachsenden Rohstoffen und altes Handwerk

Keine einfache Sache. Denn viele Junge suchen – einerseits wegen der Selbstbestimmung, andererseits wegen der monetär oft ungerechten Bevorzugung von Alteingesessenen – nicht bei bestehenden Firmen nach Berufen mit Weltverbesserungspotenzial, sondern schaffen sie einfach selbst. Wie etwa Claudia Bergero und Sandra Falkner.

Die Idee zu ihrer Firma „Alpengummi“ – Kaumasse aus heimischem Föhrenharz und Bienenwachs – hatten sie während einer gemeinsamen Lehrveranstaltung. Anfangs ging es dabei um Innovation im Forstsektor, entstanden ist ein Business, das auf der alten österreichischen Tradition der Pecherei basiert. Falkner: „Die neue Generation stellt Glück über Geld – sie versteht nicht mehr, warum man sein ganzes Leben lang schuften sollte, um dann viel Geld zu haben, aber keine Zeit, es auszugeben.“

Die Jungen, so meint sie, erkennen, dass das jetzige System den Menschen und dem Planeten schade: „Sie sehen die Verantwortung, die sie haben und wollen dieser gerecht werden.“ „Die Werte-Verschiebung findet zwar langsam statt, aber doch. Nicht umsonst erlebt die Start-up-Szene im sozial-ökologischen Bereich seit einigen Jahren einen starken Aufwärtstrend“, fügt Bergero hinzu.

Unverschwendet: Die Obstretter

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Die Geschwister Cornelia und Andreas Diesenreiter gründeten 2016 das Start-up “Unverschwendet“. Das Nichts-Wegwerfen-
Konzept funktioniert: Derzeit sucht man Sales-Mitarbeiter

In diesem Aufwärtstrend fliegt auch das Start-up „Unverschwendet“. „Wir kaufen Obst und Gemüse von den Landwirtinnen aus dem Großraum Wien, das für den Markt zu klein, zu groß, zu krumm, oder einfach zu viel ist und machen daraus Marmelade, Chutney, Senf und vieles mehr“, erklärt Cornelia Diesenreiter, Co-Gründerin und CEO ihr Business-Konzept.

Gutes tun und damit seinen Lebensunterhalt verdienen steht für sie in keinem Widerspruch: „Wir arbeiten im Sinne des Drei-Säulen Modells der Nachhaltigkeit: Soziales, Ökologie und Ökonomie. Vernachlässigt man die ökonomische Säule, dann ist kein langfristiges Wachstum möglich und je mehr wir wachsen, umso mehr können wir bewegen.“

Dass Arbeit mit gesellschaftlicher Wirkung für die junge Generation immer wichtiger wird, versteht sie: „Es gibt nichts Schöneres, als seine Kraft und Lebenszeit etwas zu widmen, das Sinn macht und nicht nur die Miete zahlt. “

Doch Diesenreiter weiß auch: „Nachhaltigkeit ist ein unglaublich komplexes Thema, für das es keine einfachen, schnellen Lösungen gibt. Und das Arbeiten in einem Start-up ist sicherlich kein Zuckerschlecken. Man verdient – zumindest anfangs – relativ wenig.“

Refurbed.at: Aus Alt mach Neu

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Refurbed.at: Jürgen Riedl, Peter Windischhofer und Kilian Kaminski (v.l.) landeten mir ihrer „Gut für dich, gut für die Umwelt“ Business-Idee einen ressourcenschonenden und erfolgreichen Start-up Volltreffer

Ob man von weltverbessernden Ideen überhaupt leben kann? „Diese Frage haben wir uns eigentlich nie gestellt. Wir waren damals sehr überzeugt von dem Gedanken, dass man nachhaltig Einkaufen kann und die Produkte günstiger als Neuware sind“, erinnert sich refurbed.at Co-Gründer Peter Windischhofer.

2017 gegründet zählt die ressourcensparende online Plattform für erneuerte Handys, Tablets und Laptops heute 100.000 Kunden, ist in den Top-10 der Jahrescharts von Google Österreich und sammelte zahlreiche Auszeichnungen ein.

Der Altersdurchschnitt der über 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt bei 26 Jahren. Nachhaltig ist man trotz des Erfolgs geblieben. Windischhofer: „Für jedes verkaufte Gerät pflanzen wir einen Baum in Madagaskar, Haiti und Nepal.“

Moralisch vertretbare Job - es gibt sie also. Aber wie können Junge, die etwas bewegen wollen, sie finden? Alpengummi-Chefin Bergero hat drei Vorschläge: „Dran bleiben, nicht den Mut verlieren, über den Tellerrand blicken.“

Ihre Kollegin Falkner rät: „Starten! Nicht zu viel nachdenken – die Idee sollte natürlich überlegt sein und Potenzial haben, aber man sollte sich nicht zu sehr in Details und Zukunftsfragen verfangen.“ Denn, so Falkner: „Mit der Zeit wird sich vieles klären.“ Wohl auch, was der Berufsalltag aus den guten Jobvorsätzen der Generation Z macht.

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