Mister Groupon: "Ich will gewinnen und gestalten"
Veit Dengler ist seit knapp drei Wochen als Nachfolger von Marc Samwer bei Groupon als Vice President für das internationale Geschäft in 37 Ländern verantwortlich. Er ist auf dem Weg in die Groupon-Zentrale nach Chicago. Wir treffen ihn kurz vor dem Abflug.
KURIER: Wie haben Sie diesen Job gekriegt?
Veit Dengler: An Karriereplanung glaub’ ich nicht. Man muss im Leben darauf warten, was passiert. Ich wollte nach Dell eine gestalterische Rolle übernehmen. Ein Headhunter hat sich bei mir gemeldet.
Wie kann man 37 Länder leiten?
Schlecht. Wir werden eine Struktur einziehen, das müssen wir aufbauen.
Wie funktioniert das Geschäft?
Wir arbeiten völlig regional, das ist unser Geheimnis.
Was fasziniert Sie an Groupon?
Bei Groupon muss man immer zwei Mal verkaufen: Bei den Anbietern und bei den Usern. Was mich reizt: Die Internet-Revolution ist an Klein- und Mittelbetrieben bisher vorbeigegangen. Groupon stellt den KMU ein Spielfeld zur Verfügung. Die Pizzeria ums Eck kann in Kundenakquisition und Werbung aktiv sein.
Sind Rabatt-Portale eine Modeerscheinung oder etwas Dauerhaftes?
Das Geschäft wird sich massiv weiterentwickeln. Heute läuft alles über eMail-Newsletter und Webseite. In Zukunft wird es mobil, interaktiv und in Echtzeit passieren. Heißt: Sie werden in der Stadt spazieren, haben Hunger, schauen auf dem Handy nach Restaurants im Umkreis und deren Angeboten. Sie kaufen den Gutschein übers Handy, gehen hin, essen. Oder: Über eine vernetzte Kassa kann der Friseur, wenn gerade Flaute ist, einen Rabatt zuschalten, kann sich anschauen, wie viele das kaufen und schaltet den Rabatt wieder aus, wenn er das möchte.
Anbieter verkaufen sich über Ihr Portal sehr billig. Die Wirtschaftskammer hat davor gewarnt.
Ich glaube, wir müssen mit der Wirtschaftskammer nochmal reden. Wichtig ist: Der große Vorteil von Groupon sind Kundenakquisition und Werbung. Viele kleine Unternehmen drucken 10.000 Flugblätter und verteilen sie, die Rücklaufquoten sind minimal. Mit uns machen sie Werbung und holen Kunden ins Geschäft.
Was machen Sie besser als andere?
Wir sind groß, haben Erfahrung. Fast jeden Deal hat es irgendwo auf der Welt schon mal gegeben. Wir wissen also, welche Deals funktionieren.
Ihr CEO sagt, die Firma läuft noch nicht perfekt. Was meint er damit?
Groupon ist das am schnellsten gewachsene Unternehmen in der Geschichte. In drei Jahren auf fast 12.000 Mitarbeiter, zwei Milliarden Dollar Umsatz, schneller als Google oder Facebook. Die Prozesse und Systeme sind da nicht mitgekommen – das müssen wir jetzt aufholen.
Das Tagesgeschäft sei essenziell, sagt ihr CEO. Was meint er genau?
Wenn man nicht täglich gute Deals und ein interessantes Angebot hat, werden die Kunden schnell müde.
Was ist ein guter Deal?
Eine Neuentdeckung, eine Überraschung. Deals, die man sonst vielleicht nicht macht.
Was sagen Sie zur Konkurrenz?
Weltweit gibt es keine nennenswerte. In den USA haben wir 70 Prozent Marktanteil, Living Social hat 15 Prozent. Groupon hat die Branche geschaffen, wir sind in allen Ländern Nummer eins. Jetzt müssen wir die Branche etablieren.
Bei Google will jeder arbeiten, bei Groupon werden Geschäftspraktiken und Firmenkultur kritisiert.
Stimmt. Vor allem im deutschsprachigen Raum. Nicht nur Mitarbeiter und Unternehmen sind jung, sondern auch viele Manager. Da fehlt teilweise die Leadership-Erfahrung. Die Stimmung ist aber sehr lustig. Unser CEO ist 31 Jahre alt. Wir sind nicht so verspielt wie Google, sind mehr ein echtes Unternehmen.
Das laufende Quartal soll 85 Prozent Wachstum bringen. Realistisch?
Am 15. Mai gibt es die Quartalsergebnisse, ich kann dazu nichts sagen.
2013/2014 soll Groupon weltweit profitabel sein. Ist das Ihr Job?
Ja, das ist mein Job. Wir sind heute schon in vielen Ländern profitabel. Das Ziel ist nicht unrealistisch. Wenn wir das schaffen, sind wir nicht nur schnellstwachsende, sondern auch am schnellsten positive Firma.
Sind Sie auf Mitarbeitersuche?
Ja. Wir brauchen Talent. Suchen flexible Mitarbeiter mit Unternehmergeist. Wir haben zu viele Männer, der Mix gefällt mir nicht. Das will ich ändern.
Ihre erste große Aufgabe?
Mein Luxus: Mein Vorgänger Marc Samwer ist noch da, ich kann durch die Gegend düsen und alles kennenlernen: 20 Städte, Tokio, Seoul, Sydney, Kuala Lumpur, Europa, Chicago, Palo Alto, New York. Ich werde eine langfristige Strategie liefern – für Q3 und Q4. So eine Planung gab’s noch nie.
Wieso wurden Sie im Laufe Ihrer internationalen Karriere nie sesshaft?
Die ersten zehn Jahre habe ich in Österreich gelebt, in der Steiermark am Land. Mein Vater war Diplomat, ich bin schon als Jugendlicher herum gezogen, habe in Finnland maturiert, in Wien studiert. Ich habe einen gewissen Mangel an Sesshaftigkeit.
Was treibt Sie an?
Das einzige, was man als Manager wirklich hinterlässt, sind die Leute, die man entwickelt hat. Mich reizt auch das Gewinnen und Gestalten.
Sie haben Familie und vier Kinder. Wie vereinen Sie Job und Familie?
Bis jetzt gut, aber ab jetzt wird’s schwierig. Meine erste Tochter kam zur Welt, da war ich noch Student. Bei meinem Sohn habe ich sechs Monate Teilzeit gemacht, bei meiner zweiten Tochter war ich sechs Monate in Karenz und jetzt bei meinem jüngsten Eineinhalbjährigen war ich im Jobwechsel – das war also leicht. Wir übersiedeln jetzt alle in die Schweiz. Außer für den Job und die Familie bleibt keine Zeit für sonst etwas.
Veit Dengler, Mister Groupon
Geboren 1969 als Sohn eines Diplomaten, bis zum 10. Lebensjahr in Graz, Matura in Finnland, Studium in Wien. Berufliche Stationen: Journalist für das TIME Magazine, Procter & Gamble in Paris und Wien, McKinsey in Wien, T-Mobile International, Dell Osteurope. Seit 16. April neuer Senior Vice President für das internationale Geschäft des an der NASDAQ notierten Rabattportals Groupon. Dengler leitet von der Schweiz (Schaffhausen) aus die Regionen Europa, Mittlerer Osten, Asien und Asien-Pazifik.
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