„Es ist schlimm, weil zur Krise jetzt der Alltag kommt“

„Es ist schlimm, weil zur Krise jetzt der Alltag kommt“
Unsere Arbeit beeinflusst unsere mentale Gesundheit und umgekehrt. Was man tun kann.

Die Juristin Beate Danczul weiß, wie überraschend private Krisen über einen hereinbrechen können. Ihr Sohn kam gesund auf die Welt, nach vier Monaten musste man erkennen, dass der kleine Bub schwer behindert ist. Dadurch hat sie am eigenen Leib erlebt, wie hilfreich und wichtig mentale Unterstützung in Krisenzeiten ist. Mit dem Unternehmen Consentiv Employee Assistance Service berät sie mit ihrem Team Mitarbeiter in Krisen, coacht Führungskräfte und hält für Teams Interventionen ab.

KURIER: Frau Danczul, welche sind die wichtigsten Faktoren für mentale Gesundheit?

Beate Danzcul: In einer Krise ist die Handhabbarkeit sehr wichtig, aber auch die Erkenntnis, dass man durch das Tal der Tränen muss, dass man die Trauer nicht überspringen kann. Man muss akzeptieren, dass man manches nicht ändern kann, und darf nicht in der Opferrolle bleiben., nicht nach Schuldigen zu suchen.

Laut einer Untersuchung der Harvard Business Review geben 42 Prozent der Mitarbeiter an, dass sich ihre psychische Gesundheit, seit Corona verschlechtert hat.

Wir sind seit Corona im Krisenmodus und wenn jetzt auch noch Alltagsherausforderungen dazu kommen, wird es schlimmer werden. Das merken wir. Menschen sind aggressiver, es gibt mehr Suizidgefährdungen, sie sind depressiver. Die Liebesten werden zum Feind.

Inwiefern?

Etwa die Kinder, statt der Elternbeziehung wird man plötzlich zum Lehrer. Man hat ein schlechtes Gewissen, denn man möchte gute Arbeit leisten, muss sich aber um die Kinder kümmern und umgekehrt. Unternehmen müssen sich ein neues Beziehungsmanagement überlegen.

Wie macht man das als Unternehmen?

Wir müssen uns genau ansehen, was wir wollen und nicht wollen. Führungskräfte sind jetzt extrem gefragt. Man muss die Arbeit so gestalten, dass es für alle funktioniert.

Wie beeinflusst die Arbeit die mentale Gesundheit der Menschen?

Durch Onlinearbeiten gibt es mehr Konfliktpotenzial, Leute fühlen sich ausgeschlossen, falls sie beim Onlinetreffen mal nicht eingeladen sind. Der Informationstransfer funktioniert auch nicht so gut. Wenn Mitarbeiter nicht in ihrer Kommunikation gestärkt werden, dann verschlechtert sich die Performance, weil die Arbeit fehleranfälliger wird.

Welchen Stellenwert hat die mentale Gesundheit. Ist das Thema mentale Gesundheit enttabuisiert?

Es ist kein Tabu mehr. Wir haben mehr Anfragen denn je. Unternehmen sehen Ihre Verantwortung, sie sehen, dass sie über die gesetzliche Fürsorgepflicht hinausgeht. Dafür braucht es eine Kultur des Vertrauens.

Welche Vorteile hat das für Unternehmen? Steigert das merklich die Produktivität?

Ein Unternehmen ist nur effizient, wenn es den Mitarbeitern gut geht. Wenn ich im Lot bin, kann ich zu Höchstleistungen aufgehen. Wenn ich Zuhause eine Beziehungskrise oder einen Trauerfall habe, dann nehme ich das ins Büro mit. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Eine Beziehungskrise ist normal und darf auch sein. Dann zieht man sich entweder zurück und irritiert dadurch sein Team oder man fängt an, extrem viel zu reden. Gute Teams wollen einander unterstützen. Irgendwann ist es aber so, dass die Geduld enden wollend ist und das Team genervt ist. Dann muss die Führungskraft eingreifen, sonst entstehen Konflikte. Hier suchen Unternehmen und Mitarbeiter Beratung bei uns.

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