Meister der Überwindung
Till H. Groß legt sich mitten auf dem Gehsteig auf den Boden. Oder heult wie ein Wolf, mitten im Lokal. Till H. Groß durchbricht seine Komfortzone – täglich. Er verspricht jedem, der ihm das nachmacht, mehr Glück und Erfolg zu erfahren. Der 22-jährige Psychologie Student entwickelte ein Programm, das etablierte Therapie-Methoden anwendet, um Menschen von ihren inneren Zwängen zu befreien. Das Besondere daran: es ist kostenlos und kann von überall auf der Welt abgerufen werden. Seit Mai erhalten die Nutzer der Plattform www.comfortzonecrusher.com täglich eine Aufgaben zur Überwindung ihrer persönlichen Ängste. Kneifen sie, zahlen sie einen freiwilligen Beitrag ein. Ihre Erfolge teilen sie öffentlich auf Facebook und motivieren so auch andere, ihre Komfortzone zu durchbrechen.
KURIER: Mit welchen Aufgaben wollen Sie die Teilnehmer von "Comfort Zone Crusher" mutiger machen?
Till H. Groß: Wir haben Challenges, wie etwa: Lächle fünf Menschen auf der Straße an oder frag jemanden nach dem Weg und dreh dich dabei im Kreis. Oder auch Verlegenheits-Aufgaben, wie: Sing einem Fremden etwas vor, mach zehn Liegestütze auf der Straße, heul in der U-Bahn wie ein Wolf.
Inwiefern macht das Herumalbern auf der Straße stärker?
Wir lernen, nicht so viele Hemmungen zu haben und uns mehr zu trauen. Wir haben kein Allheilmittel. Aber unsere User gaben uns Feedback, dass man durch unser Training emotionaler, ungezwungener und sozialer wird, mit seiner Angst in Kontakt kommt und lernt, über sie hinwegzukommen. Ich bin kein großer Fan von Generalisierungen. Aber: Es wäre für viele Menschen in vielen Situationen hilfreich, mehr auf andere zuzugehen und mehr nach Dingen zu fragen, die sie haben möchten.
Warum ist das Durchbrechen der Komfortzone oft unangenehm?
Machen wir etwas Unbekanntes, bauen wir neue Ressourcen auf. Das Gehirn sagt aber am Anfang: Das ist anstrengend, das verstehe ich nicht, das ist zu riskant – dann ich lass es lieber. Man macht sich Gedanken darüber, was andere von einem halten, will nicht uncool oder schwach wirken und abgewiesen werden.
Warum soll man sie dann überhaupt durchbrechen wollen?
Ob die Komfortzone gut oder schlecht ist, soll jeder für sich entscheiden. Man muss sie ja auch nicht unbedingt verlassen. Nur: Wenn du gewisse Sachen im Leben erreichen willst, musst du aus ihr heraus. Es ist schwer Abenteuer zu erleben und später schöne Geschichten zu erzählen, wenn du immer in deiner Komfortzone bleibst.
Denken Sie, dass mutigere Menschen besser im Beruf sind?
Den größten Anteil in der Formel für Erfolg tragen die Fähigkeiten. Addiert man Selbstbewusstsein dazu, erhöht sich das Ganze natürlich. Du kannst lernen, Situationen, die dir Angst machen, zu desensibilisieren. Such dir diese Situation, bleib in ihr, so lange, bis die Angst nach und nach abnimmt und das autonome Nervensystem lernt: Obwohl ich bleibe, passiert mir nichts. Etwa: Du gehst zum Job-Interview, bist nervös weil du es nicht gewohnt bist, lieferst eine schlechte Performance ab und du bekommst den Job nicht. Die andere Variante: Du setzt dich 14 Tage lang mit deiner Angst auseinander und am Tag 15 bist du auf das Vorstellungsgespräch schon vorbereitet.
Sie sind gerade jaulend durch die Straßen gehüpft, wirken aber ganz ruhig. Was macht Ihnen eigentlich noch Angst?
Ich mag Pitches (kurze Unternehmenspräsentation, Anm.) überhaupt nicht. Ich kann vor 500 Menschen 20 Minuten lang reden, aber bei zwei Minuten, wie bei der Entrepreneurship Avenue vor zwei Wochen zum Beispiel, bin ich nervös. Ich muss mich dann immer überwinden, aber ich weiß, mir passiert nichts wenn ich das schaffe. Mein Körper schreit dann: Challenge! Und ich merke, jetzt wachse ich und entwickle mich.
Der Frankfurter (22) kommt aus einer Therapeuten-Familie und begeistert sich schon während der Schulzeit für Coaching. Nach seinem Abitur und ersten Praktika bei Therapeuten kommt er 2011 nach Wien, wo er derzeit seinen Bachelor in Psychologie an der Uni Wien abschließt. Er ist Gastlektor, Speaker bei Konferenzen (etwa TEDx) und pitcht mit seiner Plattform bei Start-up-Wettbewerben. Was vor einem Jahr noch als App gedacht war, entwickelte sich mittlerweile zu einem Online-Seminar. Seit Mai coachten Groß und sein Co-Gründer Roman Firnkranz (28) knapp 400 Teilnehmer aus mehr als 20 Ländern.
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