"Mein Gegner ist ein Verbündeter"

Wladimir Klitschko geht aus seinen Niederlagen stärker heraus.
Wladimir Klitschko, alias Boxer Dr. Steelhammer, ist jetzt Dozent an der Uni St. Gallen. Ein Gespräch über Sieg, Niederlage und die Lehre daraus.

"Der Ausrutscher im November" hängt Wladimir Klitschko nach. Gegen Tyson Fury verlor er den vierten Kampf seiner Boxkarriere. Die Niederlage sieht er mittlerweile als Herausforderung – für den Rückkampf, den es geben wird, wie er sagt. Klitschko findet man neuerdings auch an der Universität. Als Dozent unterrichtet der Doktor der Sportwissenschaft "Change und Innovation Management". Das soll Manager für die komplexe Welt trainieren.

KURIER: Sie hatten bereits Ihre erste Vorlesung an der Uni St. Gallen – ein Boxer als Dozent, das geht?

Wladimir Klitschko: Das ist eine neue und alte Rolle für mich. Alt, weil ich selbst Student war, das studentische Leben kenne und meine Doktorarbeit geschrieben habe. Die Rolle des Dozenten ist jedoch neu und sehr spannend für mich.

Wärmen Sie sich vor einer Vorlesung auf?

Ich habe mich durch mein Leben aufgewärmt. Meine Vorlesung ist praxisbezogen. Da geht’s nicht nur um "wenn man am Boden liegt, muss man aufstehen", das wäre zu platt. Ich will weit mehr weitergeben und die Studenten von meinen Erfahrungen lernen lassen.

Sie unterrichten Challenge-Management. Kann man sich auf die komplexe Geschäftswelt überhaupt vorbereiten?

Sie müssen, wenn Sie in der immer schneller und komplexer werdenden Welt bestehen wollen. Es geht darum, Probleme als Herausforderung zu sehen, um sie aktiv angehen zu können. Das rechtzeitige Erkennen eines Problems und das Meistern der Herausforderung machen den Unterschied.

Was möchten Sie Ihren Studierenden unbedingt weitergeben?

Dass man selbst die bewegende Kraft ist. Und dass man Verbündete braucht, um die Herausforderungen zu bewältigen. Ohne Team geht nichts.

Sie verwenden die Begriffe Beweglichkeit, Ausdauer, Koordination, Konzentration fürs Management – sind Sport und Geschäft vergleichbar?

Absolut. In beiden Feldern brauchen Sie diese Fähigkeiten. Ich glaube, dass Sportler besser mit Hindernissen und Hürden umgehen können. Manager hingegen haben ein größeres Wissen. Daher kann der Sport gut von der Wirtschaft und die Wirtschaft vom Sport profitieren.

Was haben Sie selbst vom Sport gelernt?

Ohne Sport wäre ich im Leben nicht erfolgreich, denn meinen Weg zum sportlichen Erfolg habe ich ins Business übertragen. Zum Beispiel im Umgang mit Konkurrenten. Für einen Boxkampf bereite ich mich mehrere Wochen mit Sparringpartnern vor. In dieser Zeit sind sie meine Verbündeten, obwohl sie zukünftig zu meinen Gegnern werden können. Auch mein Gegner selbst ist ein Verbündeter, ich lerne an ihm und nehme diese Erfahrung für den nächsten Gegner mit. Auch im Business sollten Sie schauen, welcher Ihrer Konkurrenten zu einem Verbündeten werden kann.

Wie gehen Sie mit Niederlagen um?

Ich habe vier Mal verloren. Aus der Sicht des Boxers ist Verlieren sehr kompliziert. Man hat nur zwei, drei Kämpfe im Jahr. Daher erträgt man eine Niederlage nur schwer, sie wirft enorm zurück. Die Niederlage im November war mir fürchterlich unangenehm. Das Leiden hat vier Tage gedauert, seitdem geht der Blick nur noch nach vorne.

Boxer haben den Reflex, nach einem K. o. wieder aufzustehen. Müssen das Manager auch haben?

Wer eine klaren, starken Charakter hat, steht auf und schüttelt eine Niederlage ab. Misserfolg ist erlaubt, solange Sie daraus lernen. Diese Eigenschaft können Sie sich antrainieren. Sie können lernen, ein Kämpfer zu sein. Mein Bruder Vitali ist ein geborener Kämpfer, ich hingegen habe das erlernen müssen.

Im Boxen heißt es: They never come back. Gilt das nach einer Niederlage auch in der Wirtschaft?

Sie müssen aus Ihren Niederlagen lernen, analysieren, warum es dazu gekommen ist. Dann gehen Sie aus der Niederlage stärker heraus.

Eine Frage, die ich versprochen habe, zu stellen: Wer ist der größte Boxer aller Zeiten?

Kenne Sie das Buch The G.O.A.T. – The Greatest Of All Time? The GOAT ist und bleibt Muhammad Ali. Er hat den Ring als Bühne genützt, um sich auch sozial und politisch zu engagieren. Das macht ihn einzigartig.

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