Mein Bauch ist nicht dein Business

Die gesteigerte Anteilnahme für Schwangere und Mütter mit Babys ist auf den Herdentrieb zurückzuführen
Buchautorin Sarah Fischer sagte vergangene Woche: "Wer schwanger ist, wird zum Allgemeingut." Sie untertreibt.

Journalisten versuchen in den allermeisten Fällen, Distanz zu wahren. Die Linie ist deutlich und unmissverständlich gezeichnet: Hier bin ich, Journalist, ich stelle Fragen. Auf der anderen Seite sind Sie, Interviewter, beantworten Fragen. So war es bisher. Doch jetzt, wo der Bauch größer wird, wird nicht nur die räumliche Distanz kleiner.

Zuviel der Anteilnahme

Gegen Worte, wie ein "Darf ich gratulieren?" – wenn es klar ersichtlich ist – oder "Wann ist es so weit?", am Ende des offiziellen Frage-Antwort-Teils ist nichts einzuwenden. Im Gegenteil. Ich mag Interesse und Anteilnahme. Ich finde, sie kommen in unserer Small-Talk-Oberflächen-Gesellschaft generell zu kurz. Aber muss das wirklich auf Kosten der Wertschätzung gehen? Muss man sich ohne Umschweife auf den Schoß des anderen setzen? Genau in diese Kategorie reihen sich nämlich Fragen wie: "Bekommen Sie Zwillinge?" oder: "Wer ist der Vater?". Mir fällt in solchen Situationen Patrick Swayze ein, wie er zu Jennifer Grey, alias Francis "Baby" Houseman, sagt: "Das ist mein Tanzbereich. Das ist dein Tanzbereich." Das möchte ich dem Gegenüber erklären, spare es mir aber immer.

Denn: Diese Fragen sind ja kein Grund zu hyperventilieren. Sie sind sicher gut gemeint, vielleicht sogar lustig. Aber sie gehen Häuserblocks zu weit. Ich gewöhne mich nicht an sie und bin jedes Mal verlegen.

Ob Marissa Mayer, CEO von Yahoo, gefragt wurde, ob sie Zwillinge bekommt? Sie hat immerhin wirklich welche bekommen. Kommen diese Grenzübertretungen auf allen Hierarchieebenen vor? Nach einer Umfrage im Freundeskreis ist die Antwort "Ja" – bei der Rechtsanwältin genauso wie bei der Lehrerin.

Das Problem ist, dass viele Menschen die Mitte zwischen Ignoranz und Intimität nicht finden. Sie sind bei Twitter, aber lassen die Rollos am Abend runter. Ingeborg Stadelmann erklärt das Verhalten der gesteigerten Anteilnahme in ihrem 1995 zum ersten Mal erschienenen Buch Die Hebammensprechstunde damit, dass der Mensch ein Herdentier ist. Frei interpretiert: Bekommt eine Elefantenkuh ein Baby, kümmert sich die ganze Herde darum und beschützt Kuh und Kind.

Ich möchte mir meine Herde in diesem speziellen Fall gerne aussuchen. Alle anderen Artverwandten sollen mich weiter als Journalistin, als Kundin, als Mitarbeiterin wahrnehmen und nicht auf "die Schwangere" reduzieren. Mein Es, Ich und Über-Ich wollen weiterexistieren – auch wenn ein Mutter-Ich hinzukommt.

Also: Wir können gerne über Babys und Familie reden, auch über Elternteilzeit oder das einkommensabhängige Kindergeld, die Rolle von Mann und Frau in der Betreuung. Aber der Bauchumfang ist privat.

Kindergeld Für Beschäftigte gilt: acht Wochen vor und mindestens acht Wochen nach dem Geburtstermin besteht ein Beschäftigungsverbot. In dieser Zeit erhält die Frau Wochenbettgeld. Danach gibt es das Kinderbetreuungsgeld – das für die Zeit des Wochenbettbezugs quasi ausgesetzt ist. Hier gibt es fünf Varianten, vier pauschale und das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld. Eine Falle beim einkommensabhängigen Kindergeld: Es bekommt nur, wer in den sechs Monaten vor Bezug des Wochenbettgeldes keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung – auch nicht Weiterbildungsgeld – bezogen hat.

Karenzgespräch Geht die Frau nach dem Mutterschutz in Karenz, muss sie ihren Dienstgeber spätestens am letzten Tag des Schutzes über die Karenzdauer informieren. Es ist in den meisten Firmen jedoch üblich, bereits vorher ein Karenzgespräch zu führen – das bringt ein gutes Klima.
Gesetzliche Auflagen In der Schwangerschaft ist viel verboten: etwa Nachtarbeit (20 bis 6 Uhr), Überstunden; über Details muss der Vorgesetzte informieren!

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