Mehr Peter als Frauen

Die Chefetagen sind nach wie vor männliche Monokulturen.
Unter allen ATX-Vorständen gibt es sechs Peter (und fünf Franz, fünf Wolfgang, fünf Andreas), aber nur vier Frauen. Die Chefetagen sind nach wie vor männliche Monokulturen. Warum ändert sich das nicht?

In den ATX-Unternehmen gibt es mehr Peter als Frauen. Das ist kein Scherz, es ist Faktum.

In den ATX-20 sind unter den Vorständen sogar vier einzelne männliche Vornamen häufiger zu finden als es Frauen insgesamt gibt. 72 Vorstandsmitglieder zählen die zwanzig ATX-Unternehmen zusammen – unter ihnen gibt es sechs Peter, fünf Franz, fünf Wolfgang und fünf Andreas. Aber nur vier Frauen.

Gerade 5,5 Prozent macht damit der Frauenanteil in den ATX-Vorständen aus. Weniger noch als im vergangenen Jahr. In Teilbereichen ist die Zahl der Frauen im Top-Management rückläufig, generell stagniert sie seit Jahren – auf niedrigem Niveau. Gundi Wentner, Headhunterin und Personalberaterin, erklärte 1993 in einem Vortrag zum Thema "Ist die Zukunft des Managements weiblich?", dass sich in den kommenden Jahren ihrer Meinung nach "nicht viel ändern wird". Sie hat Recht behalten. Aber warum?

"Weil das gesellschaftlich-politische Umfeld und die Unternehmenskultur unverändert sind", erklärt Wentner. Dass es jetzt, fast 25 Jahre später, noch mehr gut ausgebildete Frauen gibt, die es ebenso wenig zum Vorstand schaffen wie ihre Vorgängerinnen, ist aber besonders bitter."

Tatsächlich sind die Zahlen von Frauen im Top-Management aus allen Betrachtungswinkeln ernüchternd. Sieht man sich alle Unternehmen der Wiener Börse an, ist der Frauenanteil auf Vorstandsebene im Vergleich zum Vorjahr von 5,8 auf vier Prozent gesunken. Und: In den 200 umsatzstärksten Unternehmen in Österreich (mit über 600 Geschäftsführern) liegt der Frauenanteil unter den Vorständen bei 7,2 Prozent. Seit 2006 hat sich dieser Wert lediglich um 3,5 Prozentpunkte erhöht. Plakative Gegenrechnung: Die Männerquote liegt umgekehrt bei 92,8 Prozent. Zurzeit halten in den umsatzstärksten 200 Unternehmen nur drei Frauen die Position der Vorstandsvorsitzende: Sabine Herlitschka (Infineon), Tatjana Oppitz (IBM) und Elisabeth Stadler (Vienna Insurance Group). Laut Headhunterin Wentner würden viele gute Frauen "im mittleren Management oder in einer Fachexpertinnen-Karriere hängen bleiben". Auch, weil sich die Einstellung ändert. Während Uni-Absolventinnen noch viel Selbstvertrauen und große Ambitionen haben, einen Chefposten anzustreben, nimmt dieses Bestreben mit den Berufsjahren ab. "Frauen sagen: Was im Unternehmen belohnt wird, ist sehr männlich und nicht das, was sie anstreben. Nämlich: Wer möglichst lange im Büro sitzt, wird als fleißig und tüchtig wahrgenommen. Wer in den gleichen Clubs verkehrt, hat die besseren Chancen. Frauen werden auch häufig weniger für Leitungspositionen ermutigt oder sogar aktiv entmutigt", weiß Wentner. Entscheidend sei letztlich die Unternehmenskultur. Die gehe vom Top-Management aus. Und das ist wiederum mehrheitlich männlich.

Laut Werner Dopfer, Psychologe und Autor von "Mama-Trauma", hätten Frauen viele Eigenschaften, um sich im Chefposten zu behaupten. Dopfer vermutet aber auch, dass die Verhinderungstaktiken der Männer stärker sind. Männer ließen sich ungern von Frauen führen. Und sie würden an den Top-Jobs festhalten. Wentner dazu: "Die Top-Positionen sind rar. Solange es genug Männer gibt, um diese Positionen zu besetzen, werden Frauen nicht berücksichtigt. Die Männer halten fest, und sie halten die Frauen fern."

Zu wenig Gier

Auch biologisch-psychologische Faktoren spielen laut Dopfer eine Rolle. Frauen seien nicht genug machtgierig, sie seien zu wenig rigoros. Sie würden deshalb öfter zurückstecken und letztlich gegenüber den Männern verlieren.

Auch die Ergebnisse der Studie "Women in the Workplace 2016" (von LeanIn.Org und McKinsey), für die 132 US-Firmen untersucht wurden, zeigt, dass Frauen, egal, ob sie Kinder haben oder nicht, dem unternehmerischen Druck oft lieber fernbleiben. Sie würden das Risiko häufiger scheuen und Misserfolge nicht so beharrlich tolerieren können. Genau das sei ein entscheidender Erfolgsfaktor für Männer: ihre hohe Frustrationstoleranz.

Auch in Deutschland ist die Lage nicht anders. "Vorstandsetagen sind nach wie vor mehrheitlich männliche Monokulturen", sagt EY-Chef Hubert Barth. Nur drei der 160 wichtigsten börsennotierten Unternehmen werden von Frauen geführt. "Steigt die Zahl der Frauen in den Vorstandsgremien so langsam wie zuletzt, wird es bis 2047 dauern, bis ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt ist", so Barth. Eine Prognose des World Economic Forum geht von 117 Jahren bis zum Erreichen von Geschlechterparität aus.

KURIER: Frau Wentner, Sie besetzen als Headhunterin die großen Chefposten. Sie könnten es doch ändern, und mehr Frauen dort installieren.
Gundi Wentner:
Nein, das kann ich leider nicht.Die Rolle des Personalberaters ist immer nur eine Entscheidungsvorbereitung. Ich kann in der Vorphase schauen, dass ich gute Frauen finde, sie motiviere, sich zu bewerben. Aber ich kann die Rahmenbedingungen nicht verändern.

Welche Rahmenbedingungen meinen Sie?
Politische und gesellschaftliche. In Österreich sind wir weit entfernt von einer Gesellschaft, wo beide Geschlechter das Positive an beiden Welten erkennen – Familie und Arbeit. Wenn wir uns ansehen, was sich tut auf der Welt, sehen wir an Beispielen wie Donald Trump, welche Geschlechterrollen salonfähig sind: Mann ist erfolgreich, hat Geld und Macht. An seiner Seite ein dummes, junges Model. Und da rede ich noch gar nicht davon, wie sich Trump über Frauen äußert.

Im mittleren Management sieht es besser aus, werden diese Frauen je den Sprung nach oben machen?
Ich glaube, dass viele nicht wollen. Weil sie es anstrengend finden. Weil das auch oft gerade in einer Phase im Leben kommt, wo Kinder ein großes Thema sind. Außerdem reden wir hier von sehr raren Positionen. Wo letztlich Männer die Entscheidung fällen, wer sie bekommt. Und Männer befördern mehrheitlich Männer: da versteht man sich untereinander, die Selbstähnlichkeit gibt Sicherheit. Ich bin sicher: Veränderungen kommen aus einer Talenteknappheit. Aber die Knappheit gibt es nicht. Deshalb: von selbst geht da nichts.

Eine verpflichtende Quote könnte helfen.
Natürlich. Es bräuchte mehr Druck von der Politik. In staatsnahen Betrieben kann man den positiven Effekt der Quote sehen.

Das World Economic Forum spricht von Gleichstellung in 117 Jahren. Was meinen Sie?
Das wird schon stimmen. Wenn man sich ansieht, was sich gesellschaftspolitisch tut, stimmt mich das nicht optimistisch. Ich sehe da eine Rückentwicklung, keine positiven Veränderungen. Junge Frauen, für die diese Mechanismen inakzeptabel sind, werden sich ihren eigenen Weg suchen, Alternativen wählen, sich selbstständig machen.

Sie sind Ihren Karriereweg gegangen, trotzdem.
Ich wollte immer unabhängig sein. Es gibt und gab für mich nie eine Alternative.

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