Lohnender Abgang: Per Jobwechsel zu mehr Gehalt
Es klingt wie eine Märchen-Karriere. Robert Machtlinger begann 1989 bei Fischer Ski eine Lehre zum technischen Zeichner. Knapp 30 Jahre später ist er immer noch im Konzern: Als Vorstandsvorsitzender von Aerospace-Technologieführer und Börsen-Überflieger FACC.
So eindrucksvoll Machtlingers Werdegang ist, so überholt ist er heute. Von der Lehre bis zur Pension in ein und demselben Unternehmen – das gibt es heute maximal noch in einem Familienunternehmen oder im Öffentlichen Dienst. Managementposten und Top-Gehälter gibt es inzwischen im Regelfall nur mit Jobwechsel.
74 Prozent der Österreicherinnen und 81 Prozent der Österreicher arbeiten laut Statistik Austria nach zwei Jahren nicht mehr am selben Arbeitsplatz. Jedes Jahr wechseln Hundertausende direkt von einer bestehenden Anstellung in eine neue. Ob das Gras am Parkplatz der neuen Firma grüner ist als das, bei der letzten?
Zehn Prozent mehr
Satter dürfte für so manchen Jobwechsler jedenfalls das Grün der Hunderteuroscheine sein, wenn er sein Gehalt aus dem Bankomat zieht. Eine aktuelle Studie der britischen Resolution Foundation hat ergeben, dass die Gehaltserhöhung bei Jobwechslern mit einem Plus von zehn Prozent viermal so hoch ausfällt, als bei jenen Briten, die beim selben Arbeitgeber bleiben (2,5 Prozent).
Für Deutschland hat die Karriere-Plattform StepStone die Daten von 30.000 Bewerbern ausgewertet und errechnet, dass Arbeitnehmer nach dem ersten Stellenwechsel im Schnitt um acht Prozent mehr Gehalt bekommen als im alten Job. Wer ein weiteres Mal wechselte, konnte zusätzlich sieben Prozent mehr rausholen.
Auch in Österreich ist ein Jobwechsel in vielen Fällen mit einem Mehr an Einkommen verbunden, bestätigt Karl Mayr vom Personal- und Managementberater Dr. Mayr et Partners. Aktuell sei aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage ein günstiger Zeitpunkt, um sich neu zu orientieren. „Gerade in Zeiten der Hochkonjunktur kann sich für Arbeitnehmer ein Wechsel lohnen.“
Junge sind flexibel
Wie hoch das Gehaltsplus ausfällt, hänge von Branche und konkretem Berufsbild ab. „Überall dort, wo die Nachfrage größer ist, als das Bewerber-Angebot, gehen die Gehälter besonders stark nach oben“, konstatiert Mayr. Spezialisten im Bereich Technik, IT und Digitalisierung seien am Arbeitsmarkt etwa sehr gefragt. Sie würden mit Aussicht auf bessere Bezahlung, mehr Verantwortung oder Benefits mitunter auch andernorts abgeworben.
Gerade unter Jungen sei die Wechselbereitschaft besonders hoch, so Mayr. Das bestätigt auch Elisa Aichinger, Senior Managerin für Human Capital, Organization Transformation & Talent bei Deloitte Österreich. Von knapp 10.500 befragten unter 35-Jährigen gaben in einer Deloitte-Umfrage 72 Prozent an, nicht länger als fünf Jahre beim selben Unternehmen bleiben zu wollen.
„Die Betriebszugehörigkeit ist bei den Millennials im Vergleich zu früheren Generationen klar gesunken. Jobsicherheit ist ihnen zwar wichtig, allerdings steht die persönliche Weiterentwicklung stärker im Fokus als die Bindung an ein konkretes Unternehmen.“ Der Grund? Arbeitgeber könnten heute stabile Beschäftigungsverhältnisse meist nicht mehr garantieren. Arbeitnehmer reagierten ihrerseits mit Flexibilität.
Kontakt halten
Deloitte rekrutiert mit Vorliebe Berufseinsteiger mit Uniabschluss. Dass manche von ihnen das Unternehmen nach einigen Jahren für einen anderen Job verlassen, ist in der Branche Usus. „Oft halten die Kontakte. Mitarbeiter von heute sind potenzielle Kunden von morgen“, erklärt Aichinger.
Für Berufseinsteiger sei die Lernkurve bei großen Wirtschaftsprüfern nach etwa vier bis fünf Jahren am Höhepunkt. Dann stünde eine Karriere-Entscheidung an. Ein Abgang müsse dabei nicht für immer sein. Unter Millennials sei die Wiederkehrrate überdurchschnittlich hoch.
Für Berufseinsteiger könne sich – je nach Branche und Bildungshintergrund – ein Wechsel bereits nach ein bis zwei Jahren auszahlen, meint Karrierecoach Andrea Zeilinger. „Von häufigen Wechseln können auch Arbeitgeber profitieren. Besonders im Bereich Technik, Innovation und Kreativität bringen neue Talente frischen Wind.“
Achtung Vorurteile
Gleichzeitig seien häufige Mitarbeiterwechsel aber mit Kosten verbunden, warnt Aichinger. Abseits von den Rekrutierungsausgaben müssten neue Mitarbeiter eingelernt werden und könnten Unruhe in bestehende Teams bringen.
Zu viele Sprünge im Lebenslauf können aber auch Bewerbern schaden. Jobhopper gelten hierzulande schnell als unstet, unverlässlich, nicht teamfähig oder geldgierig. „Als Bewerber sollten sie viele Wechsel in kurzer Zeit gut begründen können, wenn sie ein branchenübliches Maß übersteigen“, sagt Zeilinger.
Unterm Strich gilt: Im Vorstellungsgespräch punktet, wer die eigenen Qualifikationen und Karriereziele schlüssig beschreiben kann. Egal, ob es der erste Jobwechsel ist oder der zehnte.
So gelingt der Aufstieg per Umstieg
Wer aus einem bestehenden Dienstverhältnis heraus einen beruflichen Wechsel in Betracht zieht, sollte bei der Jobsuche diskret vorgehen. Je kleiner die Branche und je höher die Position, desto heikler die Suche. Spezialisierte Personalvermittler können die diskrete Bewerbung unterstützen.
Allgemein gilt, in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs kann beim Gehalt höher gepokert werden, als bei schwacher Konjunktur. „Informieren Sie sich vorab über branchenübliche Gehälter“, rät Personalberater Karl Mayr. Branchenplattformen bieten Referenzwerte. Bei Gehaltsangaben von Berufskollegen ist Mayr hingegen skeptisch. Die Versuchung sei groß, sich wertvoller zu geben, als es der Gehaltszettel tatsächlich bescheinigt.
Gerade wer innerhalb kurzer Zeit zum wiederholten Mal den Arbeitgeber wechselt, sollte vergangene Wechsel nicht nur gut begründen können, sondern auch auf eine klare Linie im Lebenslauf achten. „Bewerben Sie sich gezielt und achten Sie nicht nur aufs Geld“, empfiehlt Andrea Zeilinger, die als Karrierecoach Klienten bei der Neuorientierung unterstützt.
Hohe Gehaltsvorstellungen sollten Bewerber mit Qualifikation argumentieren können. „Beschreiben Sie, welche Erfahrungen Sie mitbringen, gehen Sie auch auf mögliche Spezialisierungen und Schulungen ein, die Sie in der Vergangenheit gemacht haben.“
Vor dem Wechsel gilt es außerdem, arbeitsrechtliche Aspekte zu beachten. Abseits der regulären Kündigungsfrist enthalten viele Dienstverträge heute eine Konkurrenzklausel. Abgänger sollten sich dem alten Arbeitgeber gegenüber bis zum Schluss loyal und produktiv verhalten.
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