Lehrlinge erfüllen Anforderungen nicht
Österreichs Lehranfänger bringen weniger Kompetenzen mit, als die heimischen Unternehmen - vor allem bei Industrieberufen - fordern. Die Abweichungen zwischen Anforderungen der Unternehmen und Kompetenzen Jugendlicher liegt in Industrieberufen bei bis zu 70 Prozent. In Mathematik sind es 53 Prozentpunkte, immerhin 38 Prozent haben gravierende Schwächen in der Sparte "sinnerfassend Lesen". Zu diesem Ergebnis kommt die am Dienstag anlässlich des "Tages der Lehre" präsentierte Studie "Aufnahmekriterien für Lehrlinge" der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Steiermark (STVG). Das gab die Industriellenvereinigung (IV) in einer Aussendung bekannt. Die Ergebnisse seien ein Beleg für den Reformbedarf im heimischen Schulwesen, so STVG-Geschäftsführer
Peter Härtel.
Befragt wurden über 1.700 Unternehmen österreichweit. Sie geben laut Härtel Auskunft darüber, was sie von Lehrstellen-Bewerbern erwarten und wie sie die Kenntnisse und Kompetenzen, die Jugendliche mitbringen, einschätzen. Es lägen damit aussagekräftige Daten für die Fächer Mathematik, Deutsch und Englisch vor. Diese Daten sollen Jugendlichen und Lehrern Auskunft geben, worauf es in der Arbeitswelt ankommt. Da die Diskrepanz zwischen geforderten und mitgebrachten Kenntnissen weit auseinanderliege, sei das auch notwendig. In einzelnen Fällen anspruchsvoller Industrieberufe liegen, so die Studie, die Lücken bei bis zu 70 Prozent.
Nachwuchspool trocknet aus
Österreich stehe aufgrund der demographischen Entwicklungen vor enormen Herausforderungen, so IV-Generalsekretär
Christoph Neumayer: "Der Nachwuchspool, aus dem die Unternehmen schöpfen, trocknet nach und nach aus." Die Industrie sei nach Gewerbe und Handel der drittgrößte Lehrlingsausbildner Österreichs und bilde aktuell rund 16.000 Lehrlinge aus. Im Vergleich zum Vorjahr gebe es bei den Lehranfängern in der Industrie zwar ein Plus von über zehn Prozent auf 4.550 Lehrlinge (September 2011). Allerdings werde die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Unternehmen - insbesondere in der Industrie - und dem, was Lehranfänger an Kompetenz mitbringen, immer größer.
Härtel will das nicht als Vorwurf an Jugendliche, Lehrer oder die Schule als Ganzes verstanden wissen. Die Ergebnisse seien aber sehr wohl ein klarer Beleg für den Reformbedarf im österreichischen Schulwesen: "Bildungsqualität ist Aufgabe des gesamten Systems", so Härtel. In diesem Sinne sei, so Neumayer, auch das Engagement der IV beim "Bildungsvolksbegehren" zu verstehen. Man müsse die ideologischen Gräben in der Bildungs- und Ausbildungsfrage überwinden.
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