Lehre abseits der Betriebe

Senem, Deniz und Kübra: Drei „überbetriebliche“ Lehrlinge
Drei Lehrlinge erzählen über ihre Erfahrungen in der überbetrieblichen Lehre.

Strahlende Augen über den XXL-Schals: Deniz (20), Kübra (20) und Senem (17) sind in Fahrt. Können nicht aufhören, zu erzählen. Sie strahlen, sie sprühen vor Stolz, Freude und Energie. Die drei Wienerinnen erzählen von ihrer Karriere und ihren Zukunftsplänen. "Warum schreibt ihr nie über überbetriebliche Lehre?", fragt Kübra. Denn bereits seit 1993 unterhält das BFI Wien eine eigene Abteilung zur Aus- und Weiterbildung von jungen Menschen, die nach dem Pflichtschulabschluss keine Lehrstelle finden. Im Auftrag des AMS Wien und mit Co-Finanzierung durch den waff bildet das ehemalige "Notkonstrukt" heute das Herzstück der Wiener Ausbildungsgarantie. Rund 3500 Jugendlichen bekommen so eine Lehrstelle, allein am BFI Wien werden jährlich rund 600 auf diesem Weg zur Lehrabschlussprüfung geführt. Und das mit Erfolg: Franz-Josef Lackinger, Geschäftsführer BFI Wien: "Die Erfolgsquote bei den Lehrabschlussprüfungen liegt derzeit am BFI Wien bei über 90 Prozent."

Dennoch hat die überbetriebliche Lehre – beziehungsweise haben die Lehrlinge – noch immer Imageprobleme: "Dabei sind die Gründe, warum Jugendliche zu uns kommen, oft ganz banal. So ist es für viele kleinere Werkstätten kaum möglich, einen weiblichen Lehrling aufzunehmen, weil schlicht die vorgeschriebenen getrennten Garderoben und Sanitärräume fehlen. Das hat also nichts mit Zeugnisnoten zu tun", erklärt Lackinger. Deniz, Kübra und Senem haben kein Problem mit dem Image. Dafür haben sie Arbeit: "Wir sind alle im dritten Lehrjahr zur Einzelhandelskauffrau Textil", erklärt Deniz. Derzeit machen die drei ihre Dauerpraktika bei großen Modeketten. Diese sollen ein "Reinschnuppern" ermöglichen. Für die drei Wienerinnen ergab sich aber mehr: Sie haben bereits fixe Stellenzusagen.

Selbstbestimmt

Hinter den jungen Frauen steht Christine Rinder, ihre Fachtrainerin: "Wir versuchen, selbstbewusste Menschen zu fördern, um selbstbestimmtes Leben möglich zu machen." Auch wenn, wie sie zugeben muss, die Ausgangspositionen der Jugendlichen nicht immer ideal sind.

Sind jene, die am Jobmarkt im ersten Anlauf nicht willkommen waren, bereits in jungen Jahren frustriert? Rinder: "Nein. Teilweise wollen sie unbedingt eine Ausbildung machen. Teilweise wissen sie nicht, was sie wollen." Die überbetriebliche Lehre sei eine Chance für Jugendliche, aber auch für Firmen, erklärt sie: "Weil wir abarbeiten, was Firmen in der freien Wirtschaft beklagen." Bevor es an die Fachkompetenz geht, werden nämlich Sozialkompetenzen erarbeitet: "Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Umgangsformen, Wertschätzung", zählt Brigitte Sebjan, sozialpädagogische Betreuerin, auf: "Wenn das nicht vorher steht, klappt auch die Ausbildung nicht."

Bei Deniz, Kübra und Senem sind alle Fertigkeiten vorhanden. Sie haben durch die überbetriebliche Lehre gelernt, Chancen zu erkennen und zu nutzen. Wenig verwunderlich, dass sie Karrierepläne schmieden: Kübra will an eine Fachhochschule, um Pflegeassistentin zu werden. Und Deniz wird an der Abendschule die Matura nachholen, um nachher zu studieren.

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