Leere Kilometer: Wer weit pendelt, ist unglücklich
Morgenstund’ hat Gold im Mund, so lautet ein altes Sprichwort. Mehr als die Hälfte der österreichischen Erwerbstätigen dürften diesen simplen Reim wörtlich nehmen. Denn knapp 53 Prozent von ihnen haben ihren Arbeitsplatz in einer Gemeinde, die nicht ihr Wohnort ist und sind somit Pendler. Um morgens pünktlich am Schreibtisch, hinter der Theke oder auf der Baustelle den Dienst anzutreten, müssen viele von ihnen früh aufstehen: Immerhin jeder Dritte muss täglich einen Weg von 30 bis 60 Kilometer zurücklegen, jeder fünfte Pendler fährt sogar noch weiter.
„Mit zunehmender Wegstrecke und -zeit sinkt die Zufriedenheit mit der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben“, schreibt die Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich in einer aktuellen Aussendung und stützt sich dabei auf eine Studie der Meinungsforschungsinstitute SORA und IFES. Jene Pendler, die pro Wegstrecke mehr als eine Stunde Zeit verlieren, schätzen ihre Work-Life-Balance zu 33 Prozent mittelmäßig bis schlecht ein. Unter jenen Pendlern, die weniger als eine halbe Stunde vom Arbeitsplatz entfernt wohnen, liegt der Wert bei nur 18 Prozent.
Die Unzufriedenheit der Langstreckenpendler sieht die AK in der Zeit begründet, die diese auf der Straße oder in der Bahn verbringen und die dann für Freizeitaktivitäten fehle. Bis zu fünf Stunden gingen so im Schnitt jeden Tag verloren. Betroffene klagen laut Studie häufiger über Zeit- und ständigen Arbeitsdruck.
Öffi-Nutzer benachteiligt
Davon berührt sind mehrheitlich Männer. 57 Prozent der 2,15 Millionen Pendler sind männlich. Das dürfte nicht zuletzt am Beruf liegen. So ist die Pendlerquote mit 64 Prozent im Bauwesen am höchsten. Auch im Bergbau, im Metall- und Elektrogewerbe liegt der Anteil über dem Schnitt: Alles traditionell männlich besetzte Branchen.
Nur 20 Prozent der Tagespendler nutzen öffentliche Verkehrsmittel, fünf Prozent eine Mitfahrgelegenheit, wohingegen 60 Prozent mit dem privaten Fahrzeug zur Arbeit kommen. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) ortet die Ursache in der Politik. „Mit der Pendlerpauschale wird in Österreich der Arbeitsweg mit dem Auto steuerlich stärker entlastet als das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln“, kritisiert Sprecher Christian Gratzer.
Ein weiterer Kritikpunkt des VCÖ: Besserverdiener profitierten überdurchschnittlich. „38 Prozent der Pendelpauschale gehen an Haushalte aus dem obersten Einkommensviertel (Bruttojahreseinkommen über 39.000 Euro, Anm.), während Haushalte im untersten Einkommenquartil (weniger als 11.000 Euro, Anm.) nur knapp drei Prozent der ausbezahlten Summe erhalten.“
Pendlerland Burgenland
Die Zahl der Pendler variiert nicht nur je nach Branche, sondern auch nach Bundesland. Den höchsten Anteil an Pendlern gibt es im Burgenland, in Niederösterreich und in Vorarlberg, in dieser Reihenfolge. So deklarierten sich 74 Prozent der befragten Burgenländer bei der SORA/IFES- Umfrage als Pendler . Das klare Schlusslicht bildet unterdessen das öffentlich gut erschlossene Wien mit 21 Prozent. Laut Erhebungen der Statistik Austria, die nicht auf Umfragen sondern auf der Erwerbsstatistik basieren, sind es sogar noch weniger. Demnach haben nur elf Prozent der Wiener einen Arbeitsplatz außerhalb der Hauptstadt. Umgekehrt kommen alleine 188.000 Niederösterreicher zur Arbeit nach Wien.
Wie weit und mit welchem Verkehrsmittel jemand pendelt, ist nicht nur eine Frage des Bundeslandes sondern auch der Region, in der man zu Hause ist. So ist günstiger Wohnraum am Land verkehrstechnisch oft schlechter erschlossen. Wer weit ab vom Schuss lebt, riskiert nicht nur eine unausgewogene Work-Life-Balance sondern hat höhere Mobilitätskosten. Die würden bei der Wohnungssuche oft ungenügend mitkalkuliert, warnt Gratzer. Speziell die Ausgaben für das eigene Auto würden meist unterschätzt.
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