Länger Arbeiten: Umdenken fehlt
Neu ist das Thema nicht. Das bestätigt auch Gerhard Klicka, Geschäftsführer von IBG, dem Institut für humanökologische Unternehmensführung. Warum der spätere Pensionsantritt gerade jetzt eine Chance auf Umsetzung hat? Weil die Notwendigkeit massiv gegeben ist: Das demografische Problem wird akut, dazu kommt das Finanzierungsproblem der Pensionskassen. Trotzdem: Die Menschen drängen tendenziell immer noch in die Pension – so früh es geht.
KURIER: Warum will man in Österreich nicht länger arbeiten?
Gerhard Klicka: Die Arbeitswelt war immer auf die Prime Age Gruppe ausgerichtet. Auf die Menschen mittleren Alters, zwischen 35 bis 45. Diese Bilder haben sich hartnäckig gehalten. Bis man draufgekommen ist, dass Alter nicht per se etwas Schlechtes ist. Sondern Veränderung bedeutet – von der Physiognomie und der Psychologie her.
Firmen scheint das nicht weiter zu interessieren.
Stimmt. Die Unternehmen sind da sehr starr. Die Jungen können sich an die Bedingungen anpassen, den Älteren fällt das schwer. Das Arbeitsumfeld müsste sich mit den Menschen mitverändern. Firmen müssten Voraussetzungen schaffen, um die Menschen lange und gesund im Arbeitsprozess zu halten.
Bis auf die bekannten Ausnahmen macht das niemand.
In den Firmen findet sogar eine Art Ausschluss statt. Die Menschen drängen ja nicht in die Pension, weil’s zu Hause so lustig ist, sondern weil das System in der Firma ein längeres Arbeiten einfach nicht zulässt.
Wie könnte man hier vorgehen?
Runter mit der Schwere, rauf mit der Schwierigkeit – wichtig wäre der Know-how-Transfer und das Anlernen der Jungen durch die Älteren. Die müssen ihre Erfahrungen und ihr Wissen weitergeben können.
Menschen sollen und müssen künftig länger arbeiten. Können Sie das auch?
Ja, eben dann, wenn sie entsprechend ihren veränderten Bedingungen herausgefordert werden. Das Wollen hat mit Sinnfindung und Herausforderung zu tun. Denn: Die körperliche Fitness nimmt zwar ab, nämlich ab 21, 22 Jahren. Auf der kognitiven Ebene bleibt die Leistung aber relativ gleich. Und soziale Kompetenz und Intelligenz nehmen zu. – Alter heißt Erfahrung.
Kennen Sie Firmen, die hier schon aktiv sind.
Durchaus. Immer mehr Firmen analysieren, wo ältere Mitarbeiter gebraucht werden. Etwa in Banken: Da hat man herausgefunden, dass ältere Berater für ältere Kunden viel besser sind.
Wir reden davon, dass es ein generelles Umdenken geben muss. Wie lange dauert der Kulturwandel noch?
Das dauert sehr lange und wird uns noch die nächsten zehn, 15 Jahre beschäftigen.
Zum Bild der Menschen über 50 Jahre: Sind die vielleicht schon „jünger“ als wir glauben?
50-, 60-Jährige stehen heute mitten im Leben. Wir haben da sicher ein falsches Bild. Aber: Wir können Menschen auch nicht über einen Kamm scheren. Es braucht individuelle Zugänge für individuelle Bedürfnisse. Ein 20-Jähriger funktioniert anders als ein 50-Jähriger.
Was können ältere Arbeitnehmer dazu beitragen, um länger „attraktiv“ zu sein?
Wenn der Rotstift angesetzt wird, geht es um Lohn- und Personalkosten. Da können die erfahrenen Mitarbeiter wenig beitragen. Beim Personalabbau werden viele falsche strategische Maßnahmen getroffen. Da kommen die Firmen aber erst später drauf.
Wie viel Scheinheiligkeit – Diskussion versus Praxis – liegt in diesem Thema?
Es gibt hier sehr unterschiedliche Interessen: Politik und Staat haben die Strukturprobleme und hohen Pensionskosten. Altersinadäquate Bedingungen machen Menschen krank, die dadurch nicht länger arbeiten können und wollen. Wenn Gesetze für längeres Arbeiten beschlossen werden, braucht es unbedingt begleitende Maßnahmen. Da muss man früh beim Arbeitnehmerschutz ansetzen.
Und bei den Chefs.
Wenn die glauben, dass genügend Arbeitskräfte nachkommen, täuschen sie sich. Aber oft ist es ja so: Managementpositionen sind meist kurzfristig besetzt. Und damit sind auch die Strategien sehr kurzsichtig gefasst.
Gerhard Klicka: Chef am IBG
Zur Person Gerhard Klicka absolvierte nach der HTL-Matura am TGM ein Studium der Psychologie, bis zum Doktorat. Er ist ausgebildeter klinischer Psychologe, Therapeut und Arbeitspsychologe, seit 2001 arbeitet er am Institut für humanökologische Unternehmensführung, seit 2004 ist er dort in der Geschäftsführung (seit 2006 alleinig).
Das Institut IBG (Innovatives betriebliches Gesundheitsmanagement) wurde 1995 als Beratungsunternehmen für gesunde und nachhaltige Unternehmens- und Personalentwicklung gegründet. Der Fokus gilt den Wechselwirkungen zwischen betrieblichem und persönlichem Wachstum. Mit dem Ziel, eine humane und wirtschaftliche Arbeitswelt zu gestalten.
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