Konzertmeisterin zu werden, war immer der Plan?
Ja, schon. Dass ich es in Wien geworden bin, ist ein unglaubliches Glück.
Was hat Sie daran fasziniert?
Ein Orchester ist größer als die Summe der Teile. Man sitzt am letzten Pult hinten und ist genauso wichtig wie jeder andere. Und das Resultat ist so fantastisch. Ein Gemeinschaftsgefühl, das viele, die einmal in einem Chor gesungen haben, vielleicht nachempfinden können.
Um Berufsmusikerin zu sein, muss man bereit sein, viel zu geben, oder auch aufzugeben. Berufliches und Privates verschwimmen, stört Sie das?
Nein, weil meine Tätigkeit mit Emotionen verbunden ist. Man will es gar nicht trennen. Wenn wir Proben, ist es nicht nur eine trockene Arbeit Töne zu verwirklichen oder das zu tun, was der Dirigent sagt. Wir fühlen die Musik und legen die Emotionen nie ab.
Vor dem RSO Wien spielten Sie schon in vielen weiteren Orchestern. Ist Teil eines Orchesters zu sein das große Karriere-Ziel?
Zuerst ist das Ziel, das Instrument zu beherrschen. Da sind viele, viele Jahre dahinter, bis man gut genug ist, ein Probespiel zu gewinnen.
Wann war der Moment, als Sie dachten: Jetzt beherrsche ich mein Instrument wirklich?
Ich kann das genau beantworten: Als ich 50 war und Heldenleben (Anm. Richard Strauss) gespielt habe. Danach habe ich mir gedacht: Ok, jetzt kann ich sagen, das war eine ganz gute Leistung.
Es ist eines der großen Konzertmeister-Soli. Sehr anspruchsvoll sowohl technisch als auch musikalisch und gehört nicht zum gängigen Repertoire des RSO. Deshalb war ich so spät dran.
Und seitdem sind Sie mit sich zufrieden?
Nein, ich war dann nicht zufrieden. Bei dieser einen Vorstellung dachte ich: Das war akzeptabel. Aber ich wusste, dass es auch eine nächste Woche gibt und man nur so gut ist, wie das letzte Konzert.
Begleiten einen immer Selbstzweifel in dieser Branche?
Man ist selbst sein strengster Kritiker. Das braucht man auch: Diese Balance zwischen gesundem Ehrgeiz und der Fähigkeit zu evaluieren, wie die eigene Leistung ist.
Gab es Momente, in Ihrer Karriere, in denen Sie überlegt haben, aufzugeben?
Ja, es gab große Verzweiflungsmomente. Ich erinnere mich, als ich als Studentin eine Bach Fuge aufgenommen und mich auf den Boden gelegt und geweint habe, als ich die Aufnahme gehört habe. Aber die Liebe zur Musik hält einen – es ist einfach eine Berufung.
Sie haben die Probespiele erwähnt. Ein striktes Auswahlverfahren, um zu sehen, wer es ins Orchester schafft. Wie war das für Sie?
Die ersten Runden sind hinter einem Vorhang. Das verspricht Anonymität, die wichtig ist. Man ist nur eine Nummer und das ist schwer.
Als Musikerin lebt man vom Energieaustausch zwischen Publikum und Bühne und der ist nicht vorhanden. Hinzu kommt der Druck, für diese paar Momente monatelang zu üben und dann die bestmögliche Leistung zu bringen – da spielt Glück eine wahnsinnig große Rolle.
Dafür gibt es keine Altersgrenze mehr, oder?
Früher gab es ein Alterslimit bei Probespielen. Das lag etwa bei 30. Das ist jetzt fiktiv, aber in der Tat ist es schwer, über diesem Alter eine Einladung zu erhalten.
Die aktuellen Diskussionen rund um das RSO lassen sich nicht ausklammern. Es könnte das Aus drohen. Was löst das in Ihnen aus?
Ich erlebe das jetzt zum dritten Mal in meinen fast 30 Jahren in diesem Orchester. Der Imageschaden trägt sich schnell nach außen. Und immer noch hört man die Frage: Hat das Orchester eine Zukunft?
Wirkt sich das auch auf den aktuellen Berufsalltag aus?
Es gibt einen natürlichen Abgang, bei dem Musiker in Pension gehen. Diese Stellen werden nachbesetzt. Hier müssen wir schauen, eine hohe Qualität zu halten, auch um konkurrenzfähig zu bleiben. Wenn aber die Besten jetzt nicht kommen, ist es nicht möglich, den Standard beizubehalten.
Ein Standard, der auch Engagements sichert.
Die Musik ist ein enormer Wirtschaftsfaktor. Wir spielen für Touristen sowie auf internationalen Bühnen. Als wir das BBC Proms Konzert in London gespielt haben, wurde das für Millionen von Haushalten ausgestrahlt, die begriffen haben: Das ist Austrian Broadcasting. Es ist keine kleine Kulturelite, die uns anhört. So eng darf man das nicht sehen.
Dabei hat sich das RSO der zeitgenössischen Musik verschrieben als wichtige Ergänzung zu anderen Orchestern. Ein Wegfall wäre hart.
Es würde ein Vakuum hinterlassen. Im RSO herrscht ein Pioniergeist. Diese Partituren, die wir spielen, sind manchmal wahnsinnig komplex. Substitute aus anderen Orchestern sagen uns: Hier fühlt es sich wie ein anderer Beruf an. Weil die Ansprüche ganz anders sind.
Dafür braucht es auch die Besten der Besten.
Genau so ist es. Und wenn man dieses Damoklesschwert über sich hängen hat, ist es wirklich schwer, sein Bestes zu geben.
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