Körpersprache: Wie sie die Karrieren von Frauen und Männern sabotiert

Geschlechter-Stereotypen wurden aus der modernen Gesellschaft verbannt und doch sind sie präsenter denn je – nämlich in unserer Körpersprache. Warum angeborene Signale unseres Geschlechts letztlich die beruflichen Weichen stellen, erklärt Körpersprache-Experte Stefan Verra.
KURIER: Schwarz-Weiß-Denken ist heute verpönt – Sie widmen den geschlechterspezifischen Unterschieden aber jetzt ein Buch. Warum?
Stefan Verra: Wir dürfen nicht glauben, dass es egal sei, wie wir uns präsentieren. Nur weil das Geschlecht inhaltlich in vielen Fällen tatsächlich keine Rolle mehr spielt und spielen soll. Denn gleichzeitig tun wir alles, um in unserer Körpersprache besonders männlich oder weiblich zu wirken. Da sind wir im Jobleben im Dilemma. Denn Geschlechtsunterschiede werden in der Körpersprache nicht kleiner, sondern zunehmend größer. So groß wie noch nie in der Menschheitsgeschichte.
Mit Körpersprache meinen Sie nicht nur Gestik und Mimik, sondern auch wie ich meine Fingernägel oder meinen Bart trage?
Alles, was auf den visuellen Kanal eines Menschen wirkt, zählt zur Körpersprache: Neben Mimik und Gestik auch, mit welchem Auto jemand daherkommt. Ich sage aber nie, ob das gut oder schlecht ist. Ich sage nur, welche Auswirkung das haben kann.
Und wie kann sich die Körpersprache unseres Geschlechts auf unser Berufsleben auswirken?
Frauen passiert es, dass sie manchmal abgelehnt werden – nicht weil sie Frauen sind, sondern weil sie mit ihrer Körpersprache weniger Zielstrebigkeit, dafür mehr Drang nach Schönheit und Zusammenhalt versprechen. Umgekehrt werden Männer oft abgelehnt und schlussfolgern, das sei nur wegen der Frauenquote. Dabei ist es, weil sie mit ihrer Körpersprache oft distanzierend wirken.
Handelt es sich hier nicht um Klischees?
Das ist nicht anerzogen, der anerzogene Teil unserer Körpersprache ist gering. Sitzen Männer breitbeinig, hat mit dem Quadriceps Winkel in der Hüfte zu tun. Oder googlen Sie einmal Angela Merkel beim WM-Finale und schauen Sie, wie sie ihre Fäuste hält. Das ist eine stereotype Art, die viele Frauen haben, denn die knöcherne Gelenkstruktur ist im weiblichen Körper anders. Deshalb sind Frauen grundsätzlich gelenkiger. Sie haben weniger Muskelmasse und ihr Bindegewebe ist schwächer. Ich fördere keinerlei Klischees, sondern erkläre, warum man Erscheinungen wie diese im Alltag ständig sieht. Und möchte Mittel in die Hand geben, bewusster mit der eigenen Körpersprache umzugehen.
Welches Geschlecht ist dann beruflich im Vorteil?
Die Zukunft ist weiblich, und zwar aus einem einfachen Grund: In der Historie, als wir in keiner hoch entwickelten Gesellschaft gelebt haben, hatten Männer durch ihre körperliche Kraft einen sehr großen Vorteil. Aber heute ist körperliche Kraft etwas, das es quasi nicht mehr braucht. Was wir brauchen, ist: Schnell stabile und nachhaltige Beziehungen eingehen. Und das können Frauen tatsächlich besser. Dieser Unterschied fußt in der Gehirnstruktur und besteht schon ab der achten Woche im Mutterleib.
Macht es Sinn, sich die Körpersprache des anderen Geschlechts anzueignen?
Das Ziel kann nicht sein, dass wir gleich werden. Das ist schon biologisch nicht möglich. Wir müssen erkennen, dass wir dasselbe Ziel erreichen, aber auf unseren eigenen Wegen.
Welche Signale können wir unabhängig von unserem Geschlecht anwenden, um besser zu wirken?
Eine sympathische, asymmetrische Körpersprache, die viele mimische Signale zeigt, ist grundsätzlich enorm wichtig. Das muss man den Männern ins Stammbuch schreiben: Mehr Lächeln, die Augenbrauen öfter heben, schnellere Reaktionen zeigen, sich anderen mehr zuwenden. Und wenn man einen ganz wichtigen Inhalt transportieren möchte, hilft die N-N-Regel: Da drehe ich im ganz entscheidenden Moment, wenn ich etwas Wichtiges sage, zuerst die Nase und dann den Nabel zu der Person, mit der ich spreche. Dann sage ich, was ich sagen möchte und bleibe so lange in dieser Position, bis das Gegenüber eine Reaktion zeigt.
Wie sehr wirkt sich unsere Körpersprache auf unseren Karriereweg aus? Ob wir angestellt werden oder es ins Top-Management schaffen?
Je weiter man in der Hierarchie nach oben kommt, desto wichtiger ist die Körpersprache. Weil sie ein Signal gibt, was von einem zu erwarten ist – wie ein Versprechen. Nehmen wir Pamela Rendi-Wagner: Sie verspricht mit ihrer Körpersprache offensichtlich nicht genug Alpha-Qualitäten, anders als Giorgia Meloni in Italien. Sie ist auch eine Frau, kleidet sich weiblich, aber vermittelt dem Großteil der Italienerinnen und Italiener: Ich weiß, wo es langgeht.

„Körpersprache gendert nicht“, Ariston Verlag, 21,50 Euro
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