„Keine g’mahte Wies’n für Akademiker“
Einer der Ersten
Ludwig Haberl studierte ab 1964 auf der Hochschule für Welthandel, später Wirtschaftsuniversität Wien. Er war unter den ersten 16, die es mit Magistertitel abgeschlossen haben
KURIER: Warum haben Sie sich für das Studium entschieden?
Ludwig Haberl, 74: Mein Vater war schon Diplomkaufmann. Er hat damals in Prag und in Wien studiert. Daher war ich wohl etwas vorbelastet. Außerdem ist mir damals nichts Besseres eingefallen (lacht). Die Alternative wäre Jus gewesen, aber ich wollte nie in die Verwaltung.
Gab es Aufnahmeprüfungen bzw Auflagen die man vor Beginn des Studiums erbringen musste?
Nein. Man hat sich einfach eingeschrieben. Hauptsache Schulabschluss, dann konnte man problemlos anfangen zu studieren. Ganz einfach. Wir waren damals nicht so viele wie heute. Ich denke, da hat sich wohl einiges verändert.
Wie wurde das Wirtschaftsstudium zum Zeitpunkt Ihres Stduienbeginns wahrgenommen? Welchen Ruf hat es?
Es galt als sichere und gefragte Ausbildung. Aber als ich mit dem Studium begann, gab es noch kein Magisterium. Das wurde erst kurz vor meinem Studienabschluss umgestellt. Davor schloss man nur als Diplomkaufmann ab, das war kein vollakademischer Titel.
Wie groß war/ist der Druck und Stress im Studium?
Naja, mit links hat man den Abschluss nicht gemacht. Wir mussten zusehen, das Studium halbwegs innerhalb der vorgeschriebenen Studienzeit fertigzubringen. Je nach finanzieller Ausstattung der Familie hat man eigentlich nur in den Ferien gearbeitet.
Wie hoch war die Drop-Out Quote? Wurden Studierendenzahlen durch Prüfungen reduziert?
In den ersten Semestern gab es zwar Andrang, das hat sich aber immer mehr gelichtet. Es gab Klausuren, die als Ausleseverfahren ordentlich reduziert haben. Zu Beginn waren wir mindestens tausend pro Jahrgang, Absolventen gab es dann aber nur noch 200 bis 300 pro Jahr.
Wie sehen/haben die Zukunftsperspektiven nach einem Wirtschaftsstudium aus?
Wir haben die Zeitung aufgeschlagen und konnten uns aus 20 Jobangeboten eines aussuchen. Ende der 60er- bzw. in den 70er-Jahren gab es einen Wirtschaftsboom. Wir hatten zig Möglichkeiten. Für Wirtschaftakademiker heute ist das wohl keine „g’mahte Wies’n“ mehr, so wie früher.
So war die Wirtschaftsuniversität in den 1960er-Jahren
Die heutige Wiener Wirtschaftsuniversität war in ihrer Geschichte auf unterschiedlichen Standorte beheimatet, die Gebäude wuchsen mit der Studierendenzahl. 1898 als Exportakademie im Palais Festetics in der Berggasse, 9. Bezirk, gegründet. 1916 Umzug in das neu errichtete Gebäude in der Franz-Klein-Gasse, 19. Bezirk. 1975 wurde die Hochschule für Welthandel offiziell in Wirtschaftsuniversität Wien umbenannt, und wurde dadurch zur WU. Von 1982 bis Anfang 2013 hatte sie ihren Sitz in der Althanstraße. 2013 zog die Wirtschaftsuniversität in den neuen WU-Campus am Wiener Prater.
Im Wintersemester 1964/65 gab es insgesamt 4.313 Studenten, 842 davon waren Frauen, also zirka 20 Prozent. Damals gab es vier unterschiedliche Studienrichtungen, die man ab 1967/68 mit Magister abschließen konnte.
Der Student von heute
Maximilian Loreth studiert seit September 2019 an der WU. Er möchte für seinen Master ins Ausland, arbeitet neben der Uni und braucht daher wahrscheinlich länger
KURIER: Warum haben Sie sich für das Studium entschieden?
Maximilian Loreth, 20: Ich habe mich immer schon für Wirtschaft interessiert. Sicher auch wegen meiner Familie. Meine Mutter und meine Schwester haben Wirtschaft studiert. Ich will mir aber meine Möglichkeiten offen halten.Nach diesem Studium kann man in viele Richtungen gehen.
Gab es Aufnahmeprüfungen bzw Auflagen die man vor Beginn des Studiums erbringen musste?
Ja (lacht). Es gab 2.500 verfügbare Plätze, beworben haben sich aber 500 Studenten zu viel. Bei der Aufnahmeprüfung wurden vier Bereiche abgefragt: Mathematik, Finanzwirtschaft, Englisch und Deutsch. Ich glaube, viele Bewerber waren schon durch die Prüfung alleine abgeschreckt.
Wie wurde das Wirtschaftsstudium zum Zeitpunkt Ihres Stduienbeginns wahrgenommen? Welchen Ruf hat es?
Vor allem Betriebswirtschaftslehre hat einen schlechten Ruf. Es gibt zu viele Menschen, die es studieren. Es ist einfach überfüllt. In der Anmeldephase sitzt man als Student mit der Atomuhr vor dem Online-Anmeldeportal, um es in Kurse zu schaffen – man kommt nie in alle Kurse rein.
Wie groß war/ist der Druck und Stress im Studium?
Wir haben vier Prüfungen (STEOP) in der Eingangsphase und dann noch weitere zehn Einstiegsprüfungen. Die sollten innerhalb von zwei Semestern erledigt werden. Wer in Mindestzeit abschließen will, kann kaum arbeiten. Ich arbeite. Und werde wohl länger brauchen.
Wie hoch war die Drop-Out Quote? Wurden Studierendenzahlen durch Prüfungen reduziert?
Man hat pro STEOP-Prüfung vier Antritte. Es ist machbar, aber man muss sich intensiv vorbereiten. Man merkt, dass es immer weniger Studierende werden. Und vor allem in diesen ersten zehn Prüfungen wird ausgesiebt. Es geben einige auf, es wird vielen zu viel
Wie sehen/haben die Zukunftsperspektiven nach einem Wirtschaftsstudium aus?
Aus meiner Sicht ist ein Master unbedingt notwendig. Ein BWL-Bachelor alleine ist nicht mehr viel wert. Man braucht einen Master und am besten von einer renommierten, internationalen Universität, sonst hat man durch das Studium keinen entscheidenden Vorteil
So ist die Wirtschaftsuniversität 2020
Seit 2013 ist die WU auf dem modernen Campus am Wiener Prater beheimatet, auf rund 100.000 Quadratmeter Nutzfläche. 35.000 Quadratmeter davon sind durch die sechs Gebäudekomplexe bebaut.
Rund 22.000 Menschen studieren auf der Wirtschaftsuniversität und wählen zwischen drei Bachelorprogrammen, 15 Masterprogrammen, zwei Doktoratsprogrammen und drei PhDs.
Mittlerweile ist der Frauenanteil unter den Studierenden der WU auf rund 50 Prozent gestiegen. Im Masterprogramm Marketing ist er mit rund 70 Prozent Studentinnen am höchsten.
Jährlich schließen 3.000 Studierende ein Studium auf der WU ab.
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