Kein Zufall: Warum diese Unternehmen innovativ sind und andere nicht
Nur wenn Unternehmen innovativ sind, können sie langfristig überleben. Trotzdem gehen viele Innovation nur halbherzig an. Drei Firmen verraten, wie es geht.
Was Innovationen betrifft, macht Österreich auf dem Papier eine gute Figur. Ablesen lässt sich das an mehreren Faktoren: Der Anzahl an Patenten, die weltweit gemeldet werden – hier liegt Österreich laut Patentamt aktuell an zehnter Stelle. Am European Innovation Scoreboard 2022 – da ist man in der Kategorie „geistiges Eigentum“ sogar die Nummer eins.
Und ganz besonders: An der Forschungsquote, die Österreich heuer EU-weit erstmals nach Schweden an zweite Stelle befördert hat. Passend dazu hat der Ministerrat kürzlich beschlossen, zwischen 2024 und 2026 weitere fünf Milliarden Euro in die Forschung zu investieren. 31 Prozent mehr als in den Vorjahren. Eine erfolgversprechende Bilanz. Eigentlich.
Die Gefahr früherer Erfolge
Nichts sei gefährlicher, als sich auf alten Erfolgen auszuruhen, warnt Nikolaus Franke, WU-Institutsvorstand für Innovation und Entrepreneurship. Gerade große Unternehmen würden zu einer großen Sorglosigkeit neigen. „Sieht man sich Ranglisten an, wer die größten Unternehmen vor zehn, zwanzig Jahren waren, sind die meisten nicht mehr relevant oder überhaupt am Markt“, so Franke.
Ein möglicher Grund? Sie haben auf Innovation verzichtet. Das kann man machen, allerdings nur befristet. Franke: „Der Wettbewerb in allen Branchen ist ein Innovationswettbewerb und dieser Umstand verschärft sich immer mehr.“
Dabei sei mit Innovation keineswegs nur der digitale Fortschritt gemeint. Auch Geschäftsmodelle, in denen eine bereits bestehende Technologie eingesetzt wird, können Innovation bedeuten sowie Dienstleistungen oder verbesserte Prozesse.
Wer nicht schnell oder kreativ genug ist, den Markt im Positiven zu überraschen, wird nicht mehr lange existieren.
von Nikolaus Franke, WU-Institutsvorstand
Definitiv keine Innovation ist die Erfindung an sich, sagt Franke. „Es gibt ganz viel Technologie, die gar keinen Nutzen hat. Bei Innovation gibt es immer ein Zusammenspiel von Erfindung und Umsetzung in ein nutzbares Angebot.“ Patente würden laut Franke daher nur wenig Aussagekraft über die Innovationsleistung haben.
Auch Mariana Karepova, Präsidentin des österreichischen Patentamtes, betont, dass das „Patent nicht das Ende einer Geschichte ist.“ Jedoch würden Patente zeigen, dass etwas Marktfähiges vorliegt, das verlangt, unternehmerisch tätig zu werden. Spitzenreiter in Österreich ist übrigens das Grazer Unternehmen AVL List mit 205 angemeldeten Erfindungen.
Innovation ja - aber wie?
Was haben innovative Unternehmen anderen voraus? Sie alle richten vier Bereiche klar auf Innovation aus: Das Management, die Prozesse, die Kultur und die Außenorientierung.
Noch in diesem Artikel:
Was Unternehmen tun müssen, um innovativ zu sein
Drei heimische Unternehmen verraten ihre Innovationsstrategie
Mit dabei: Palfinger, Donau Versicherung und Billa (inklusive Interviews)
Weitere Interviews u. a. mit Claudia Falkinger, Mitglied des BMAW-Start-up-Rats
Das Top-Management hat die Aufgabe, glaubhaft voranzugehen und den Schwerpunkt strategisch auf innovatives Arbeiten zu setzen. Regeln und Prozesse legen fest, wie Innovation innerhalb des Unternehmens gelebt werden soll. Etwa durch ein Portfolio unterschiedlicher Innovationsprojekte oder kleine, gemischte Teams, die das Pouvoir haben, schnelle Entscheidungen zu treffen.
Die Unternehmenskultur akzeptiert Erfolge wie Misserfolge gleichermaßen. Die Außenorientierung setzt die Bereitschaft voraus, externes Wissen in etablierte Unternehmen hineinzutragen. Etwas, das nur ein Teil der großen Unternehmen begrüßt. „Manche sind hier geschlossen, schotten sich ab gegen Impulse, die von außen kommen“, sagt Franke.
„Bei all den Herausforderungen, vor denen wir stehen, schafft es kein Unternehmen, kein Start-up, kein Konzern und keine Forschungseinrichtung allein, diese zu lösen. Sei es durch die Ressourcen oder Fähigkeiten“, sagt Claudia Falkinger, Mitglied des Start-up-Rats des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft.
Sie kennt als frühere Innovationsmanagerin der ÖBB und Gründerin eines Mobilitäts-Start-ups sowohl die Seite der etablierten Unternehmen als auch die der schnelllebigen Gründerszene gut. „Der intensive Austausch sei der Weg zum Erfolg“, sagt sie. Gesucht wird dieser oft in Kooperationen mit Start-ups, deren Grundcharakter auf Innovation getrimmt ist. „Etablierte Firmen bringen jahrelanges Industriewissen mit, das enorm relevant ist. Start-ups die Agilität und das über den Tellerrand hinausblicken“, erklärt Falkinger.
Hier liegt enormes Potenzial, um einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen. Die Stärkung interdisziplinärer Vernetzung ist für den gemeinsamen Innovationsprozess wichtig.
von Claudia Falkinger, Mitglied des BMAW-Start-up-Rats
Der Verlauf einer solchen Kooperation ist vielseitig. So können Aufträge an Start-ups als reine Dienstleistungen passieren sowie als langfristige strategische Partnerschaften mit essenziellen Beteiligungen. „Meist ist es so, dass nicht ein Produkt von der Stange gekauft, sondern dieses gemeinsam entwickelt wird“, sagt Falkinger.
Innovation = Überlebensnotwendiges Risiko
Woran man bei Innovation als Unternehmen nie vorbeikommt, ist die Bereitschaft für Risiko und Investment. Nikolaus Franke: „Innovation heißt, ich gehe voran, probiere etwas Neues und riskiere Fehlschläge. Der sichere und kostengünstige Weg ist das nicht, sondern ein unsicheres Investment, das nur langfristig wirkt.“ Nicht umsonst habe Techniksoziologe Cornelius Schubert Innovation als „schöpferische Zerstörung“ betitelt. Deshalb würde Innovation auch immer auf Widerstand stoßen: vor allem in den eigenen Reihen.
Das kann einem Unternehmen früher oder später den Kopf kosten. Besser sei es, in die Gänge zu kommen. „Je größer, eingesessener und scheinbar unverwundbarer eine Organisation ist, desto lauter sollten die Alarmglocken schrillen“, so Franke. „Viele sind schon aktiv geworden. Und haben erkannt, dass nichts so alt ist wie der Erfolg von gestern.“
Innovation "made in Austria": Diese drei Unternehmen machen's vor
Palfinger: Seit 90 Jahren Innovationsführer
Palfinger steht weltweit für die innovativsten Hebe-Lösungen. Um diese zu gewährleisten, lebt das Salzburger Unternehmen Innovation auf allen Ebenen und setzt auf starke Partnerschaften.
Die Strategie:
„Die Kultur unserer Zusammenarbeit drückt sich darin aus, dass wir in Clustern arbeiten“, erklärt Philipp Smole, Digital Transformation Officer. „Fachkompetenzen unterschiedlicher Expertisen werden zusammengebracht. Damit bekommt man rasch die kritische Masse, um Innovation voranzutreiben.“
Innovationsideen, die ein Geschäftsmodell haben, werden direkt im Unternehmen umgesetzt
Für noch mehr Beschleunigung sorgt der vor fünf Jahren installierte Corporate Incubator. Dort können neue Ideen mit hohem Risiko ausprobiert und zu einer Reife getragen werden. Die Besonderheit am Inkubator: Der Sitz ist in Wien, im kürzlich eröffneten Standort „The Hub Vienna“. Ein Kernteam befindet sich jedoch in der Salzburger Zentrale.
So gelingt es, den Anschluss ans Unternehmen zu wahren. Sind Ideen selbst für den Inkubator zu groß, aber für den Kunden wichtig, werden diese mit Partnern umgesetzt. So stellt man sicher, das Risiko nicht allein zu tragen. Smole: „Bei Innovation geht es immer darum, Risiko zu verteilen und Kontrolle aufzugeben. Sind mehrere Partner an Bord, passiert das automatisch.“
Donau Versicherung: Polizzen in Sekundenschnelle
„Das hat niemand geglaubt“, sagt Franz Josef Zeiler. Der Jurist und ehemalige Fußballprofi ist seit dreieinhalb Jahren bei der Donau Versicherung, leitet das Generalsekretariat und Innovationsteam. Innerhalb kürzester Zeit hat er mit seinem kleinen Team „WohnenNext“ herausgebracht: Ein Tool für eine Online-Haushaltversicherung, die zu jeder Zeit selbst abgeschlossen werden kann und in wenigen Sekunden eine Polizze ausstellt.
Eine Innovation, die dem Unternehmen deutliche Erfolge einbringt. Die Abschlüsse an Haushaltsversicherungen seien durch das neue Angebot signifikant gestiegen. Ebenso der Anteil an Neukunden. Dieser ging weit über 50 Prozent hinaus.
Die Strategie:
Wie Innovation auch in einem vermeintlich konservativen Unternehmen, das seit mehr als 150 Jahren besteht, vonstatten geht? Mit einem kompakten Think-Tank, der 2020 installiert wurde und bereichsübergreifend rund fünf Mitarbeiter umfasst. Ideen ausgetauscht werden nicht nur in den eigenen Reihen, sondern auch außerhalb.
Für „WohnenNext“ arbeitete man mit der FH Wiener Neustadt zusammen, um Kundenfeedback einzuholen. Zusätzlich fokussiere man sich im Think-Tank auf Kooperationen mit etablierten Unternehmen und Start-ups. Jüngster Zusammenschluss: Mit dem Welser Start-up „ocay“, bei dem Autos jährlich neu gemietet werden können – inklusive Versicherung.
Billa: Innovation auf pflanzlicher Basis
„Innovation wird in unserem Unternehmen großgeschrieben“, sagt der Lebensmitteleinzelhändler Billa und bezieht sich hier mitunter auf sein Produktsortiment. 250 Start-up-Innovationen bereichern das Angebot in den Filialen. Denn das Verlangen nach Individualität auf der Käuferseite ist groß – insbesondere bei pflanzlichen Alternativen.
Um dem Rechnung zu tragen, öffnete mit „Pflanzilla“ im Herbst 2022 der erste rein pflanzliche Concept-Store des Konzerns. „Neue Innovationen werden dort zuerst präsentiert“, erklärt Verena Wiederkehr, Head of Plant-Based Business Development. Eine ihrer Hauptaufgaben ist das Scouting von Neuheiten am pflanzlichen Markt.
Die Strategie:
Entscheidungen, ob Produkte aufgenommen werden, passieren schnell. Ihr Team ist frei, alles Mögliche zu testen und den Kunden so rasch wie möglich anzubieten. Die Innovationsleistung übernehmen externe Produzenten und Gründer. Die Bühne bietet Billa, wovon die Gründerszene wie die Kundschaft profitiere.
Aus demselben Ansatz heraus wurde laut Angabe des Konzerns mit Markus Kuntke Europas erster Innovationsmanager im Lebensmitteleinzelhandel installiert. Er koordiniert die Entwicklungen des neuen Handels und rief heuer erstmals ein Billa-Innovationsdinner ins Leben, das jungem Unternehmergeist Sichtbarkeit verleihen soll.
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