Karriere-Ratgeber: Nutzlos, aber nett

Karriere-Ratgeber: Nutzlos, aber nett
In den Buchhandlungen stapelt sich Literatur für den beruflichen Erfolg. Was sie verspricht und (nicht) halten kann.

„Können Sie mir einen Ratgeber empfehlen?“ In der Buchhandlung des Vertrauens steht der hagere, glatzköpfige Verkäufer vor dem Regal mit der Management-Literatur und wirkt etwas ratlos. Zwischen den Hunderten Buchdeckeln vor ihm ist die Auswahl an wohlgemeinten Ratschlägen groß. Jeder der Autoren verspricht das ultimative Rezept für beruflichen Erfolg.

Der Aufstieg zum erfolgreichen Manager scheint dabei erstaunlich simpel: „Arbeiten Sie mehr, härter und intelligenter.“ „Setzen Sie Ihre Ideen in Taten um.“ „Seien Sie diszipliniert.“ „Verlassen Sie eingefahrene Wege.“ „Denken Sie groß.“ „Seien Sie selbstbewusst.“ Und: „Beachten Sie die Botschaften des Universums.“

Wenig Neues

Den selbst ernannten Experten scheint es nicht an Selbstbewusstsein zu mangeln, ist das Gros der Bücher doch aus der Ich-Perspektive erzählt. Goldene oder silberne Schrift am Einband suggeriert wertvollen Inhalt . Und ähnlich wie bei Reiseführern gibt es mindestens einmal pro Jahr eine Neuauflage, denn auch zeitlose Tipps wollen aktuell vermarktet sein. Garniert mit lustigen Anekdoten, scheinbar cleveren Statistiken und Grafiken oder Metaphern aus der Tierwelt („Mitarbeiter sind Schafe“) wirken die Antworten der, meist amerikanischen Verfasser überraschend einfach. Selbstbewusstsein und harte Arbeit ist scheinbar alles, was uns zum beruflichen Durchbruch fehlt, so der Tenor. Heruntergebrochen auf ihre Kernbotschaft bieten die meisten Ratgeber Binsenweisheiten, wie sie schon unsere Großeltern kannten. Wenig Neues also.

Warum kaufen die Leute sie trotzdem? „Die Sehnsucht nach einfachen Lösungen steckt in jedem Menschen und ist so alt, wie es Religionen gibt“, sagt Betriebspsychologe Heinz Jiranek. Für sein Buch „Klug zweifeln. Weil der zweite Gedanke oft der bessere ist“ (Verlag BusinessVillage) hat er zahlreiche Ratgeber gelesen, nur um sie dann systematisch zu zerpflücken. Dabei ist er auf eine Vielzahl gängiger Trugschlüsse gestoßen. „Wir lesen alle gerne die Geschichte vom Tellerwäscher, der zum Millionär wurde. Was wir nie lesen, ist die Geschichte von den vielen anderen Tellerwäschern, aus denen keine Millionäre geworden sind“, führt Jiranek ein Beispiel an.

Schlechte Ratgeber

Schlechte Ratgeber zeigen mitunter Best-Practice-Beispiele auf, vergessen aber die Gegenüberstellung mit weniger erfolgreichen Konkurrenten. Bei schön erzählten Anekdoten, die zu Blaupausen für Erfolg hochstilisiert werden, ist daher Vorsicht angebracht. Hat sich der durchsetzungsstarke Supermanager tatsächlich ganz anders verhalten als sein Nebenbuhler oder hatte er im entscheidenden Moment einfach Glück?

Jiranek warnt außerdem vor Korrelationen, die als Kausalzusammenhänge verkauft werden: „Angenommen, alle erfolgreichen Manager tragen Krawatten. Das heißt aber nicht, dass aus Ihnen automatisch ein erfolgreicher Manager wird, wenn Sie eine Krawatte tragen.“

Wolfgang Mayrhofer, Institutsleiter für verhaltenswissenschaftlich-orientiertes Management an der Wirtschaftsuniversität Wien beobachtet die Ratgeberszene seit Jahrzehnten: „Ratgeber versprechen Lösungen. Wir kämpfen alle damit, dass das Leben unübersichtlich geworden ist, man denke allein an die großen gesellschaftlichen Veränderungen, die Globalisierung und Digitalisierung ausgelöst haben.“ Wie Jiranek hat auch Mayrhofer eine Art Gegenratgeber verfasst. Unter dem Titel „Macht? Erfolg? Reich? Glücklich?“ (Linde Verlag) räumt er mit Karrieremythen auf. Sein Fazit: „Glauben Sie nicht alles, was Sie lesen“.

Die Tierwelt hilft

Anekdoten und Metaphern sieht er nicht per se negativ. Richtig eingesetzt könnten sie dazu beitragen, komplexe Sachverhalte intuitiv erfassbar zu machen. „Ein Tigerstaat etwa ist dynamisch, am Sprung. Darunter kann sich jeder etwas vorstellen“, so Mayrhofer. Bei Übersetzungen böten Tiermetaphern aber auch Raum für Missverständnisse, denn unterschiedliche Kulturen verbinden mit Tierarten unterschiedliche Assoziationen.

Predigten Managementratgeber vor einigen Jahren noch Dinge wie Mitarbeitermotivation oder Kundenpflege, legt die Mehrheit der Bücher heute den Fokus auf die Selbstoptimierung des Managers als Person. Mayrhofer sieht dafür zwei Gründe. Erstens gebe es, wie in jeder Branche Trends. Während in einem Jahrzehnt alle Autoren über das Erfolgsgeheimnis starker Teams schreiben, huldigen sie im nächsten, wie aktuell, dem Erfolgsfaktor Einzelkämpfer-Manager.

Hinzu komme zweitens die drastische Veränderung am Arbeitsmarkt. Gab es in der Vergangenheit zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter den unausgesprochenen Deal „Gib mir deine Loyalität, ich gebe dir dafür Arbeitsplatzsicherheit und Aufstiegschancen“, ist der Arbeitsmarkt heute von Flexibilität und Unsicherheit geprägt. „Wir sehen das nicht zuletzt bei unseren Studierenden und Absolventen. Sie haben verstanden, dass sie für ihren beruflichen Erfolg und die eigene Weiterentwicklung selbst die Verantwortung tragen. Hier gibt es einen großen Druck“, sagt Mayrhofer.

Die wenigen Guten?

Woran erkennt man in der großen Masse blödsinniger Ratgeber nun die wenigen Guten? „Wenn auf Pauschalierungen verzichtet, eine Beschreibung nicht mit einer Lösung gleichgesetzt und die Belastbarkeit erhobener Daten kritisch hinterfragt wird, kann man davon ausgehen, dass der Ratgeber seriös ist“, erklärt Psychologe Jiranek. Der Fokus solle weder zu weit noch zu eng gefasst sein und die Argumentationslinie schlüssig, ergänzt Managementtheoretiker Mayrhofer.

Der ratlose Buchhändler hat schließlich doch noch ein paar gute Bücher gefunden. Das mit dem Hinweis auf die Zeichen des Universums hat er hingegen schnell ins Regal zurückgestellt.

Es gibt sie doch:  Bücher mit Wirkung

Klassiker für Selbstmanager Es ist einer der Langzeitklassiker: „Die 7 Wege zur Effektivität“ von Stephen R. Covey, zum ersten Mal erschienen im Jahr 1989. Auch wenn sich die Welt in den vergangenen fast  30 Jahren drastisch verändert hat und komplexer wurde,  hat dieses Buch – inzwischen in  der 37. Auflage – nicht an Aktualität eingebüßt. Denn es geht laut Covey bei einem effektiven Leben  um Charakter, Vertrauen und Kompetenz. Darum, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen und nicht irgendjemandem die Schuld in die Schuhe zu schieben. Wie das gelingen kann, erklärt er im Buch.

Wegweiser für Frauen Sheryl Sandberg ist eine der -Frauen, bei denen man sich fragt, wie sich  das alles ausgehen kann: Sie ist Geschäftsführerin von Facebook und Mutter zweier Kinder. In „Lean in“ erzählt sie von ihrem Werdegang und ermutigt Frauen, mehr aufzubegehren, um in die Führungsetage zu kommen. Sie rät, eine Karriere anzustreben und sich nicht in ein Rollenbild gießen zu lassen. Interessant ist, dass sie einige Jahre nach der Veröffentlichung von „Lean in“  2012  eingestehen musste, dass sie in diesem Buch von ihrer privilegierten Situation ausgegangen ist und die Lebenswelt von Frauen   in einem  schwierigeren  Umfeld zu wenig berücksichtigt hat.

Gurutipps für Führungskräfte Ein  Buch auszuwählen, das für alle Manager  passt, ist unmöglich. Dafür gibt es zu viele – Manager wie Bücher. Wir konnten uns für einen Autor entscheiden, der  als Guru gilt und viele Bestseller geschrieben hat: Reinhard Sprenger. In dem Jubiläumsband  anlässlich seines 60. Geburtstags „An der Freiheit des Einzelnen kommt keiner vorbei“    wurden  Ausschnitte aus seinen wichtigsten Werken gebündelt.

Leitfaden für Sinnsuchende  Irgendwann stellt sich jeder die Frage: „War’s das?“ Man hat einen guten Job, mag die Kollegen, doch etwas fehlt. So war es auch bei  Simon Sinek.   Bei ihm war es der Enthusiasmus, der   abhandengekommen war.  Und er  fragte sich: „Warum tue ich das, was sich tue, eigentlich?“ Das ist laut dem jungen New Yorker Autor Sinek die  alles entscheidende Frage für   Inspiration und Erfolg  – den persönlichen  und den der Firma.

Bestseller für Gründer Bill Aulet ist  vom Fach: Er ist Geschäftsführer im Martin Trust Center for Entrepreneurship am MIT und Dozent an der Sloan School of Management. In seinem  Buch „Startup mit System. In 24 Schritten zum erfolgreichen Entrepreneur“,  klärt er alle Fragen rund um das Thema Start-ups ab. Zum Beispiel: Was kann man für seine Kunden tun? Wie verdient man Geld mit dem Produkt? Wie stellt man  sicher, dass die Firma wächst.

Antworten für  Hinterfragende   Wer wissen will, wieso wir unter Druck versagen oder warum das Gehirn ohne Zahlen besser rechnen kann, ist mit der Lektüre „Irren ist nützlich. Warum die Schwächen des Gehirns unsere Stärken sind“ bestens beraten. Der junge Neurowissenschaftler, Biochemiker und  Science Slammer  mit wilder Frisur Henning Beck erklärt in diesem  Buch anschaulich und witzig, wie unser Gehirn  funktioniert, wieso es Fehler macht und es genau deswegen tadellos funktioniert.
-Andrea Hlinka

Kommentare