Jus ist ein Wettbewerb

Die Konkurrenz im Studium ist groß.
Leistung, Druck, Konkurrenz: Der Alltag von Jus-Studierenden ist hart. Eine Beobachtung unter Freunden.

Als Germanistik-Student mit vielen Jus-Freunden habe ich Einblick in deren Welt. Ich weiß zum Beispiel, welche Prüfungen lange Vorbereitungsphasen mit sich bringen und wann meine Jus-Freunde deshalb für Monate untertauchen. Ich kenne fragwürdige Geschichten von Professoren und Kommilitonen, die in meinem Studium undenkbar wären. Ich weiß sogar, dass man sich für einen einmonatigen Praktikumsplatz bei einer Top-Anwaltskanzlei gegen hundert Mitbewerber durchsetzen muss – in drei Runden inklusive Assessment-Center. Ich lebe gewissermaßen mit den Schwierigkeiten der Jus-Studenten mit, auch wenn sie mich selbst nicht betreffen. Und ich stelle dabei fest: meine Schwierigkeiten sind das größtenteils nicht. Am Juridicum scheinen Leistungsdruck und Konkurrenz viel größer geschrieben als sonstwo.

Studienvergleich

Aber: Kann man Studien überhaupt vergleichen? Anhand der ECTS-Punkte wohl kaum. Wie viel Aufwand fünf solcher Punkte sind, hängt von der Lehrveranstaltung, vom Professor, vom Studium und von der Uni ab. Als Student zweier Studien an zwei Unis habe ich so meine Erfahrungen. Aber was macht ein gesamtes Studium letztlich kompetitiv? Viele Studierende? Platz- und Ressourcenmangel? Strenge Lehrende? Mehr Absolventen als Stellen? Hohe Anforderungsprofile in der Branche? Ein kleines Jobspektrum oder eine enge Ausrichtung der Lehre?

Die Kanzlei ruft

In einem Gespräch am runden Tisch mit Jus-Freunden versuche ich, mir einen tieferen Eindruck zu verschaffen. Es wird klar, dass sich einige von ihnen im Studium in eine bestimmte Richtung gedrängt fühlen, ein Stück weit um ihre Individualität gebracht werden. Das Bild des karriereorientierten Rechtsanwalts, so sagen sie, sei am Juridicum omnipräsent und das Studium auch stark auf dieses Berufsprofil ausgerichtet. Das liegt zwar gewissermaßen in der Natur der Sache, aber Fakt ist auch, dass nur ein relativ kleiner Anteil der Absolventen längerfristig in der Rechtsberatung bleibt. Mir wird auch erklärt, dass man am Juridicum ständig mit Werbungen diverser Anwaltskanzleien konfrontiert ist. Auf der jährlichen Karrieremesse seien diese Firmen zudem klar überrepräsentiert und auch Universitätsprofessoren preisen im Unterricht den Anwaltsberuf als das einzig Wahre.

Klarerweise gibt es in den Kanzleien landesweit weniger Stellen als Interessenten. Das führt zu hohem Leistungsdruck und großem Konkurrenzdenken. Nur die Besten haben eine Chance – am Juridicum kennt diese Regel jeder. Meine Freunde meinen zwar, sie können sich dem einigermaßen entziehen, sie erklären aber auch, es komme vor, dass man beim Kampf um Plätze im Hörsaal auch mal einen Ellbogen abbekommt. Die Leistungsgesellschaft ist im Studium Alltag – und fordert ihre Opfer im Miteinander. Kanzleien haben – ihr Glück – die Qual der Wahl. Sie können aus einem Riesentopf ihre Kandidaten picken. Für Studierende, die den Kriterienmix aus schneller Studienzeit, bestem Notendurchschnitt und viel Arbeitserfahrung nicht erfüllen, sei es schwierig, sagt jemand in der Runde. Wenn man, wie er, für seinen Lebensunterhalt aber arbeiten muss und sich nicht für die schlecht bezahlten Hilfsjobs oder Praktika in Kanzleien hergeben kann, wird das zum ernsten Problem. Das Anforderungsprofil stimme oft nicht mit der Lebensrealität vieler Studenten überein.

Karriereaussichten

Auf Nachfrage bei der österreichischen Kanzlei PHH Rechtsanwälte erklärt HR-Managerin Teresa Hofer: "Mittelgroße Kanzleien, die sich im Wachstum befinden, sind in aller Regel teamorientierter und kollegialer." Hannes Havranek, Partner der Kanzlei, weiter: "Ein guter Studienerfolg ist sicher Voraussetzung, um in die engere Auswahl zu kommen. Gut würde ich als plus/minus Top 25 Prozent definieren." Ein interessanter Lebenslauf, das Bewerbungsschreiben und soziale Kompetenzen seien dennoch oft aussagekräftiger als der Erfolg im Studium.Tina Landreau ist für die Recruiting-Services bei Uniport, dem Karriereservice der Uni Wien, verantwortlich. Vermittelnd steht sie zwischen Unternehmen, Studierenden und Absolventen. Landreau erkennt in der Suche nach Kanzleiplätzen innerhalb der vergangenen zehn Jahre einen deutlichen Veränderungsprozess. Es sei heute sicher schwieriger, einen entsprechenden Platz zu finden als noch vor einigen Jahren. Die große Zahl an Studierenden sowie Studiengänge wie Wirtschaftsrecht an der WU-Wien schürten die Konkurrenz. Dementsprechend stünden Studenten und Absolventen unter noch höherem Druck. Aber es lohnt sich, dran zu bleiben, ist Landreau optimistisch. Früher oder später sei die Jobsuche immer erfolgreich.

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