Job Ghosting: Mitarbeiter erscheinen nicht zur Arbeit
Ein merkwürdiges Tinderdate? Kontakt blockiert. Die Einladung zur Geburtstagsfeier? Nicht beantwortet. Ständige Anrufe eines Bekannten? Handyklingeln ignoriert: Ghosten ist normal. Leider auch im Beruf, beklagen Arbeitgeber das sogenannte „Job-Ghosting“. Das Wort bezeichnet das Phänomen, aus einer Beziehung jeglicher Art spurlos zu verschwinden. Ohne Erklärung, Konfrontation und Abschluss.
Auf (Nimmer-)wiedersehen
In der Arbeitswelt sieht Ghosting meist so aus: Ein Kandidat bewirbt sich für eine Stelle, erhält eine Rückmeldung vom potenziellen Arbeitgeber, meldet sich dann aber nicht mehr zurück. Manche lassen unentschuldigt ein Bewerbungsgespräch platzen oder sie gehen sogar so weit, dass sie einen Dienstvertrag unterschreiben, aber dann nie am Arbeitsplatz aufzutauchen.
- Das Ghost ing, [ˈɡɔʊ̯stɪŋ]
- engl. für: Geistererscheinung.
- Bedeutung: Ein überraschender (oft grundloser) Kontaktabbruch
Das finden Sie in diesem Artikel
- Infos zum "Job-Ghosting"-Phänomen
- Mögliche rechtliche Konsequenzen von "Job-Ghosting"
- Ein Interview mit Personalexpertin Charlotte Eblinger-Mitterlechner
- "Job-Ghoster" melden sich zu Wort
Die feine englische Art ist es nicht, aber rechtlich bringt es keine Nachteile
Alexander Stücklberger ist Anwalt bei Brandl Talos. Zu seinen Fachgebieten gehört das Arbeitsrecht. Faktisch tragen fast alle „Job-Ghosting“-Fälle, die bei ihm vorgelegt werden, keine Konsequenzen mit sich: „Deswegen akzeptieren viele Arbeitgeber es einfach. Denn wenn man einen Dienstvertrag unterschreibt, ist meist ein Probemonat inkludiert. Innerhalb dieses Probemonats kann man das Dienstverhältnis jederzeit und grundlos beenden. Ob man in der ersten Sekunde des Dienstverhältnisses kündigt oder gleich gar nicht kommt, macht da keinen Unterschied.“
Rechtlich passiert vielleicht wenig...
aber ist Ghosting wirklich frei von Konsequenzen? Charlotte Eblinger-Mitterlechner, Personalexpertin und Geschäftsführerin von Eblinger & Partner sagt: „Nein, denn man sieht sich im Leben immer zweimal. So hinterlässt man einen unzuverlässigen Eindruck. Ghosting wird vermerkt. Eine zweite Bewerbung bei demselben Arbeitgeber ist somit erschwert.“
Ghosting sei aber mühsam: „Eine Zeit lang weiß man nicht, was los ist und sucht nicht nach Ersatz. So vergehen Tage. Das kostet Geld, Aufmerksamkeit und Zeit. Und ich frage mich: Wo ist das Problem einfach abzusagen?“
Die „Ghosting-Generation“.
Jungen Leuten wird oft nachgesagt, dass sie sich an nichts und niemanden binden wollen. Ghosting kommt da nicht überraschend. „Ich glaube, viele trauen sich nicht oder sind einfach nur gedankenlos. Heute fühlt man sich generell weniger verpflichtet. Man ist ‘commitmentloser‘.“
Aber dieses Verhalten habe weniger mit dem Alter und mehr mit der beruflichen Stufe der Bewerber zu tun. Bei höheren Positionen komme es seltener vor.
Die Unternehmen sind bei dem „Spiel“ aber nicht ganz unbeteiligt. Denn auch Arbeitgeber fühlen sich laut Personalexpertin nicht mehr unbedingt so verpflichtet wie früher. Bewerber bekommen oft keine Nachrichten auf ihre Einsendungen.
„Da darf man sich nicht wundern, wenn die andere Seite eine ähnliche Einstellung übernimmt. Beide schleichen sich locker aus Verpflichtungen raus, regen sich aber über Ghosting auf.“ Eine offenere Kommunikation und mehr Respekt wäre notwendig.
Was sagen „Job-Ghoster“ zu all dem?
"Ich habe nicht gewusst, wie ich erklären soll, dass ich mich umentschieden habe. Wenn man eine fixe Zusage hat und dann beim ersten Arbeitstag einfach nicht aufkreuzt, ist es unfair für die Arbeitgeber und so würde ich das nicht machen. Wenn man aber noch nichts Konkretes ausgemacht hat, finde ich es nicht schlimm"
- Sophie H.
"Mir war es unangenehm dort nochmal anzurufen. Man hat ja zugesagt und es wurde alles vorbereitet. Es war unhöflich, aber ich konnte nicht über meinen Schatten springen. Telefonieren oder eine E-Mail schreiben ist für viele eine große Überwindung"
- Anna P.
"Die Arbeitsatmosphäre hat nicht gepasst. Ich wollte Bescheid geben, aber es hat sich niemand verantwortlich gefühlt. Deswegen bin ich am ersten Arbeitstag einfach gegangen. Auch danach habe ich mich nicht mehr gemeldet"
- Nina C.
"Ich habe mich beworben, aber viel später eine Rückmeldung erhalten. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon einen anderen Job, es hat mich also nicht mehr interessiert. Dadurch, dass ich vielleicht in einigen Jahren doch noch dort anfangen wollen würde, melde ich mich noch nicht zurück"
- Roxanne P.
Tipp von der Personalexpertin:
„Man muss nicht tun, was man nicht will, aber Bescheid geben wäre gut“, sagt Eblinger-Mitterlechner. Das geht ganz leicht: „Bevor ich geghostet werde, nehme ich auch eine einfache WhatsApp-Absage.“
Diese Stories sind in unserer "Job & Business"- Printausgabe vom 26.11.2022 enthalten:
Kommentare