"Jetons sind doch nur Plastik"
Sobald die Kugel ihre Hand verlässt, heißt es: „Nichts geht mehr.“ Alle Augen auf den Roulettekessel, die Gedanken bei den Wunschzahlen. Während die Herzen der Gäste hoffen, bleibt Croupière Miriam Santer gelassen.
1 Wie viel Geld geht Ihnen täglich durch die Finger?
Das ist komplett unterschiedlich. Jeder Tag ist anders, jedes Spiel ist anders. Die Jetons sind für uns aber wertlos – sie sind nur Plastik.
2 Als Bank-Hüterin müssen Sie autoritär sein, gleichzeitig aber auch die Gäste bei Laune halten.
Es ist ein sehr schmaler Balance-Akt. Wenn gerade ein wirklich starkes Spiel ist, konzentriert man sich ohnehin nur auf den Tisch, es ist dann so spannend – da fragt einen niemand etwas. Und sonst smalltalkt man immer wieder zwischendurch nett mit den Gästen.
3 Sie sehen Ihre Kunden gewinnen und verlieren. Wie emotional ist Ihr Job?
Die Gäste verstellen sich ziemlich oft, ich bekomme von ihren Emotionen recht wenig mit.
4 Haben Sie einen Typ Lieblings-Gast?
Manche sudern die ganze Zeit am Tisch, manche lassen überhaupt nichts durchblicken. Ich mag Gäste, mit denen man Spaß haben kann.
5 Arbeiten Sie nur nachts?
Ich habe meistens vier mal Dienst, dann zwei Tage frei. Wir haben Nachmittags- und Nachtdienste. Wie lange wir tatsächlich arbeiten, hängt auch vom Event ab, zum Beispiel. Es sollten aber immer acht Stunden sein.
6 Im Spiel-Saal bleiben Sie stets anonym. Warum?
Um sich in seiner Rolle zu schützen. Auch Kollegen nennen sich untereinander nur „Herr Kollege“. Ich mag auch nicht, dass die Gäste meinen Namen kennen. Sie sagen stattdessen Chef, Dealer, Croupière oder auch Madame.
7 Welche Eigenschaften brauchen Sie als Croupière?
Das Wichtigste ist, dass man mit den Gästen umgehen kann. Das Arbeiten am Tisch lernt man mit der Zeit.
8 Wie ist die Ausbildung?
Zuerst macht man einen Eignungstest am Computer: Rechnen, logisches Denken. Aber auch die Selbstpräsentation und das äußere Erscheinungsbild spielen eine Rolle. Danach folgt ein achtwöchiger Kurs. Dazwischen wird immer wieder die Theorie und das Handling abgeprüft. Am Ende hat man eine große Prüfung. Wenn man Glück hat und besteht, wird man auf die Tische zu Probe-Einsätzen unter Aufsicht entlassen. Sukzessive lernt man dann immer mehr Spiele, bis sie wirklich gut sitzen. Nach fünf Jahren erst kommt die Schulung, wo man in den Chef-Sessel darf.
9 Was mögen Sie am Job?
Die Abwechslung. Kein Abend ist gleich. Ich verstehe mich auch mit meinen Kollegen – was mir das Wichtigste ist. In diesem Job muss man blind vertrauen können.
10 Was gefällt Ihnen weniger?
Nichts.
11 Sie haben Ernährungswissenschaften studiert – wieso jetzt das Casino?
Bis 2006 war es Frauen wegen des Nachtarbeit-Gesetzes nicht erlaubt, Croupière zu sein. Ich habe mich gleich, als das Gesetz geändert wurde, für den Kurs angemeldet. Ich wollte immer schon Croupière werden.
12 Wie viel verdienen Sie?
Ich komme gut mit meinem Gehalt aus.
13 Spielen Sie auch selbst?
In Österreich darf ich ja nicht. Aber im Urlaub habe ich schon ein, zwei Mal probiert, auf der anderen Seite des Tisches zu stehen. Aber andersrum ist es besser.
Zur Person: Miriam Santer
Lebenslauf Vor 31 Jahren in Klagenfurt geboren, besucht Miriam Santer zuerst die Volksschule und anschließend die Waldorfschule. Nach ihrer Matura zieht sie für ihr Studium der Ernährungswissenschaften in die Hauptstadt. Um sich nebenbei etwas dazu zu verdienen, belegt sie (Vater und Onkel sind ebenfalls Croupiers) einen ausgeschriebenen Croupier-Kurs der Casinos Austria. Das war 2006. Ihr Studium schließt sie zwar ab, aber „beim Casino bin ich geblieben“, lacht Santos. Mittlerweile ist die 31-Jährige Chef-Croupière und Host für neue Gäste.
Croupiers in Zahlen 293 Croupiers arbeiten derzeit in Österreich. Nur knapp 70 sind Frauen. 6 Spiele und ihre exakten Regeln muss ein Croupier beherrschen. Beim Roulettekessel muss er jede Zahl mit ihren beiden Nachbarzahlen kennen.
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